Essen.. In 16 Unterkünften sollen bald 4500 Flüchtlinge Platz finden, beschloss der Essener Stadtrat. Doch sorgenvoll steht man vor der akuten Platznot.

Draußen vor dem Essener Rathaus demonstrierten die Flüchtlinge, denn „so kann es nicht weitergehen“, klagt einer ihrer Sprecher aus dem Zeltdorf an der Erbslöhstraße. Das sehen sie drinnen, im Ratssaal, eigentlich genauso, doch wohin mit all den Flüchtlingen, die Monat um Monat nach Essen strömen? Immerhin, 16 neue Unterkünfte sind seit Mittwochabend beschlossene Sache – die bieten Platz für 4.493 Flüchtlinge. Hinzu kommen feste Bauten für insgesamt 1500 Asylbewerber an fünf jener Zeltstandorte, die wegen horrende Kosten von 2000 Euro pro Person und Monat Zug um Zug verschwinden sollen.

Flüchtlinge demonstrierten vor der Ratssitzung am Rathaus Essen.
Flüchtlinge demonstrierten vor der Ratssitzung am Rathaus Essen. © Socrates Tassos/FUNKE Foto Servi | Socrates Tassos/FUNKE Foto Servi

SPD und CDU verteidigten das gemeinsam vereinbarte Unterbringungskonzept der großen Ratskoalition als „so ausgewogen, wie es angesichts der Rahmenbedingungen machbar war“. Schon diese Erkenntnis stieß bei den anderen Parteien im Stadtparlament auf Widerspruch – und mündete in einen Beschluss, den am Ende neben Sozial- und Christdemokraten nur OB Thomas Kufen mittrug. Die Grünen enthielten sich, alle anderen Parteien stimmten dagegen.

Aktue Platznot könnte zu zu dramatischen Entscheidungen führen

Denn dass die Flüchtlingskrise den sozialen Frieden arg strapaziert, darin sind sich alle Beteiligten einig – auch wenn eine umfangreiche Rats-Resolution an Bund und Land am Ende keine ungeteilte Zustimmung fand: Den Zuzug spürbar verringern, die Asylverfahren beschleunigen, die Stadt bei den Kosten entlasten, die Abschiebungen forcieren, Flüchtlinge ohne Chance auf Bleibrecht gar nicht erst den Kommunen zuteilen – all diese Forderungen sind nicht neu, aber wenn eine der größten deutschen Städte sich so aufbäumt, um zu dokumentieren, dass man am Ende der Belastungsgrenze steht – muss das nicht irgendwie Wirkung zeigen, so das Kalkül?

Schon möglich. Und möglich auch, dass die Liste mit den neuen Unterkunfts-Standorten auch halbwegs gerecht übers Stadtgebiet verteilt wurde, doch die Freude über eine Einigung, die mancher der „örtlichen GroKo“ gar nicht zugetraut hätte, wird überlagert durch die akute Platznot, die schon in der nächsten Woche zu dramatischen Entscheidungen führen könnte.

Denn dadurch, dass sämtliche städtischen Unterkünfte belegt sind und die drei letzten Zeltdörfer in Dellwig, Burgaltendorf und Frohnhausen erst bis Mitte Mai an den Start gehen, gerät die Stadt Essen mit ihren Asyl-Zuweisungen immer weiter ins Hintertreffen. Schon jetzt ist absehbar, dass bis Mitte des Jahres rund 3400 bis 3800 Flüchtlinge mehr aufzunehmen wären. Hinzu kommen weitere Zuweisungen, denn dass man fortan verschont bleibt, so Sozialdezernent Peter Renzel, sei wohl „illusorisch“.

Über 3400 Plätze im Hintertreffen

Mögliche Folge deshalb: Selbst der vorübergehende, aber nicht weniger umstrittene Bau von Interims-Containerdörfern auf dem Verkehrsübungsplatz in Frillendorf, auf einem Messe-Parkplatz an der Norbertstraße und einer Stellfläche an der Turnhalle in Kupferdreh reicht womöglich nicht mehr aus.

Immer deutlicher wird, dass wohl Turnhallen belegt werden müssen. 15 Standorte sind derzeit in der Prüfung. Und das Leben dort ist nicht so viel preiswerter als in den umstrittenen Zelten: 1600 Euro pro Person und Monat. Achselzucken bei der Stadt: Vielleicht geht’s nicht anders.

Hier entstehen die neuen Unterkünfte:

Größere Flächen (Kapazität in Klammern): Spielkampsweg, Haarzopf (400 statt 600 Plätze); Im Fatloh, Bedingrade (400) als Alternativ-Standort wird ein Areal an der Heißener Straße, Schönebeck geprüft; Lahnbeckestraße, Leithe (nördliche Teilfläche (200 statt 400); Rotthauser Straße/Wendtwiese, Kray (200); Wallneyer Straße, Schuir (400); Am Handwerkerpark, Katernberg (400 statt 800), auch hier Ausweichflächen möglich an der Meerbruchstraße und auf Zollverein-Parkplatz A1; Hövel-/Bäuminghausstraße, Altenessen (400 statt 800), alternativ: EBE-Betriebshof Lierfeldstraße. Komplett gestrichen: „Marina“-Areal, Altenessen am Kanal.

Kleinere Flächen (je 200 Plätze): Antropstraße, Überruhr alternativ: Dellmannsweg, Barkhovenallee/Jacobsallee, Heidhausen, alternativ: Neu-Huxholt-Hof, Rutherstraße; Neustraße, Borbeck und Nöggerathstraße, Altendorf. 

Gewerbeobjekte, die angemietet werden sollen: Cathostraße, Bergeborbeck (100), Im Teelbruch, Kettwig (70), Limbecker Platz, Stadtkern (170), Münchener Straße, Holsterhausen (390) und am Schuirweg, Schuir (560). Außerdem werden 1500 Zelt- in Containerplätze umgewandelt.