Essener Norden. Nach den Klinikschließungen im Essener Norden soll ein Gesundheitskiosk bald wichtige Anlaufstelle sein. Idee ist es, Menschen gesund zu halten.
Mit einem emotionalen und engagierten Redebeitrag hat sich Linken-Bezirksvertreter Herbert Bußfeld in der Sitzung der Bezirksvertretung V am Montag an den anwesenden Gesundheitsdezernenten Peter Renzel gewandt: „Wenn es um die Gesundheitsversorgung hier im Norden geht, bekommen wir nur schöne Worte und sonst nichts. Sie sind zuständig, Sie müssen massiver sein, Sie müssen mit der Faust auf den Tisch hauen.“ Auch, wenn letzteres laut Renzel „noch nie geholfen“ hat, setzt er sich jetzt, zusammen mit vielen weiteren Akteuren, für einen sogenannten Gesundheitskiosk ein, der als Schnittstelle zwischen dem Bürger und dem Gesundheitssystem dienen soll.
Was ist ein Gesundheitskiosk?
Der Ruhrgebiets-Mensch assoziiert mit einem „Kiosk“ eine gemischte Tüte mit Weingummi und Lakritz, daher wird über den Namen wohl noch diskutiert. Name und Programm orientieren sich an einem Projekt aus Hamburg, das dort 2017 an den Start gegangen ist. Im Kiosk werden Patienten in allen Fragen zur Gesundheit und Gesundheitsförderung beraten – und das zunächst gratis und in vielen verschiedenen Sprachen, ausgerichtet auf die Bevölkerungsstruktur. Die Mitarbeiter sollen zu Gesundheitslotsen ausgebildet werden, die mit Ärzten, Therapeuten, Krankenhäusern und Apotheken zusammenarbeiten. Die Bürger werden aktiv und niederschwellig in ihre Behandlung einbezogen und motiviert, Krankheiten frühzeitig vorzubeugen und an Gesundheits- und Versorgungsprogrammen teilzunehmen. Auch Vereine, Schulen und Betriebe sind mit eingebunden.
Die Gesundheitslotsen bereiten Arztbesuche vor und nach, bieten erste Beratung und Präventionskurse an. „Die Idee ist es, Menschen gesund zu halten und nicht ins Krankenhaus zu bringen“, erläutert Achim Gerhard-Kemper, der sich für den Vorbereitungskreis der Altenessen-Konferenz für das Projekt einsetzt.
Welche Angebote wird es im Gesundheitskiosk konkret geben und wer ist die Zielgruppe?
Rund 120.000 Bürger wohnen im Essener Norden, das sind die potenziellen Kunden im Gesundheitskiosk. Das genaue Programm steht noch nicht fest, vorstellbar ist aber, dass der Gesundheitskiosk zum Beispiel erster Anlaufpunkt für Schwangere ist, die Fragen haben wie: Zu welchem Arzt soll ich jetzt gehen? Welche Vorbereitungskurse gibt es? Wo finde ich eine Hebamme? Oder Senioren mit einer beginnenden Demenz bekommen dort erste Informationen. „Die Zentren 60 plus werden ein wichtiger Partner sein“, erklärt Achim Gerhard-Kemper. Er weiß, dass die Schwelle zum Arzt zu gehen, gerade für Zugewanderte, mitunter hoch ist, viele Menschen seien ratlos in Gesundheitsfragen. Die Gesundheitslotsen sollen sowohl mit Schulen und Kindergärten, als auch mit den Arztpraxen eng zusammenarbeiten und sie so auch entlasten.
Bestimmte soziale Themen seien auch nicht immer sofort beim Arzt richtig aufgehoben. Wer etwa mit dem Rauchen aufhören oder ein paar Kilo abnehmen will, soll mit den Gesundheitslotsen die richtigen ersten Ansprechpartner finden.
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Bezirksbürgermeister Hans-Wilhelm Zwiehoff, zuständig für Altenessen, Vogelheim und Karnap, war nach eigenen Angaben zuletzt selbst Opfer des Fachärztemangels im Essener Norden. „Ich musste auf Schmerzmittel statt den Arzt zurückgreifen, ich habe schlicht und ergreifend keinen Termin bekommen.“ Auch in solchen Fällen soll der Gesundheitskiosk Anlaufpunkt sein: „Vielleicht kann dort unkompliziert zunächst Physiotherapie vermittelt werden“, erklärt Gerhard-Kemper. Es gebe bereits jetzt viele Angebote in den Stadtteilen, diese würden jedoch durch den Kiosk strukturiert werden.
Verlagerung der Psychiatrie wird nicht als Gewinn gesehen
In einer gemeinsamen Erklärung haben sich alle Parteien der Bezirksvertretung V – bis auf die AfD – an die Stadtverwaltung gewandt. Darin machen sie deutlich, dass sie sich den Neubau eines zentralen und modernen Krankenhauses für den Essener Norden wünschen. Der Ausbau des Philippus-Stiftes in Borbeck nutze dem Bezirk kaum. „Auch die Verlagerung der Psychiatrie nach Altenessen wird von der Bevölkerung nicht als Zugewinn gesehen“, heißt es in dem Papier. Die Parteimitglieder fordern von der Stadt „kurzfristig, aktive und gut verständliche Informationen für die Bevölkerung. Die Bürger müssen aufgeklärt werden, über für sie ganz konkret erreichbare Stellen zur medizinischen Versorgung.“ Die Unterzeichner sehen die Gefahr, dass viele Menschen derzeit gar nicht wissen, wo sie aktuell in welcher Form versorgt werden können.
Wo soll der Gesundheitskiosk eröffnen?
Es soll einen in Stoppenberg und einen im Sport- und Gesundheitszentrum Alte Badeanstalt, Altenessener Straße 393, in Altenessen geben. Die Alte Badeanstalt liegt zentral am Markt und ist gut per ÖPNV zu erreichen. „In weiteren Schritten können weitere Dependancen im Essener Norden entwickelt werden“, heißt es in einem Papier, das am Dienstag im Gesundheitsausschuss vorgestellt wurde.
Wann geht es los?
„Da soll jetzt nichts auf die lange Bank geschoben werden“, betonte Peter Renzel in der Bezirksvertretung. Auch Achim Gerhard-Kemper aus dem Vorbereitungskreis der Altenessen-Konferenz hat Hoffnung, dass das Projekt noch im Herbst an den Start gehen soll. Die Firma Optimedis, die das Projekt auch in Hamburg umgesetzt hat, erstellt derzeit eine Machbarkeitsstudie, die Zeitplan, Finanzierung und Vernetzung der Akteure deutlicher machen soll. Das Projekt steht voraussichtlich auf der Tagesordnung der nächsten Ratssitzung am Mittwoch, 24. März, um 15 Uhr in der Grugahalle.
Wer ist beteiligt?
Mitglieder der Altenessen- und Katernberg-Konferenz setzten sich ebenso für das Projekt ein wie das Ärztenetzwerk in Altenessen, das Institut für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin, das Urban Public Heath Institut der Uni Duisburg, mehrere Krankenkassen sowie die Stadtverwaltung. „Contilia wollen wir da explizit rausnehmen, die würden das Vertrauen in das Projekt nur zerstören“, betont Gerhard-Kemper. Für die Krankenkassen ist das Projekt attraktiv, weil die durch erfolgreiche gesundheitliche Präventivmaßnahmen letztendlich finanzielle Vorteile spüren.
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Soll der Gesundheitskiosk die beiden geschlossenen Krankenhäuser ersetzen?
Nein. „Der Gesundheitskiosk kann kein stationäres System ersetzen“, weiß Gerhard-Kemper, das müsse es trotzdem geben.