Essen-Altenessen. Corona-Folge: Viele Kinder sind zu dick und ständig müde. Ein Verbund aus Schulen, Uni und Sportvereinen schafft Abhilfe mit einer neuen Idee.

Mehrere verkehrsberuhigte Seitenstraßen im Stadtteil Altenessen sollen künftig an bestimmten Sonntagen für Autos gesperrt werden. In dieser Zeit will dort die Universität Duisburg-Essen gemeinsam mit Schulen und Vereinen die Kinder aus den Quartieren zum Spielen und Bewegen einladen.

Das Angebot, das nach Möglichkeit bald starten soll, ersetzt bis auf weiteres die „Open Sunday“-Aktion der Uni Duisburg-Essen, die seit Jahren an mehreren Sonntagen im Jahr die Turnhallen von Grundschulen öffnet, um Kinder dort toben und turnen zu lassen. Den Erst- bis Viertklässlern, die meist nicht Mitglied im Sportverein sind wurden so Bewegungsmöglichkeiten gegeben. Vor allem Kinder mit Migrationshintergrund und Flüchtlingskinder nutzten das Angebot und übten sich an den Balancier-, Jonglier-, Roll-, Spring-, Spiel- und Artistikspielen.

Freiluft-Alternativen statt Turnhallen-Sport

„Wegen Corona können wir die Turnhallen nur eingeschränkt nutzen, deshalb planen wir Freiluft-Alternativen, die möglichst bald umgesetzt werden sollen“, erklärt Ulf Gebken, der Direktor des Instituts für Sport- und Bewegungswissenschaft an der Universität. Konkret in Aussicht steht die zeitweilige Sperrung der Straßen rund um den Spindelmannplatz, der Schmemannstraße und Ellernstraße. Dort soll dann jeweils ein Spielmobil auf den entsprechenden Spielplätzen halten.

Bereits im Februar hatten Essener Kinderärzte Alarm geschlagen: „In unserem täglichen Umgang mit Kindern und Jugendlichen sehen wir mit großer Sorge, insbesondere seit dem zweiten Corona-Lockdown, eine massive Verschlechterung der psychischen und körperlichen Gesundheit unserer Patienten“, hieß es in einem Brief an Oberbürgermeister Thomas Kufen.

Massive Entwicklungsverzögerungen der Kinder durch Corona

Im April hatten dann 21 Schulleiter, Sportlehrer sowie Vereinsvertreter aus dem Essener Norden eine eindringliche Petition verfasst, in der auf massive Entwicklungsverzögerungen der Kinder hingewiesen wurde, die durch den langen Lockdown entstanden sind. „Die Covid-19-Pandemie hat viele der Kinder und Jugendliche zum jetzigen Zeitpunkt um ein ganzes Bewegungsjahr zurückgeworfen“, hieß es in der Petition. „Wir wissen nicht, ob und wie schnell sie dieses unbewegte Jahr wieder aufholen können.“

Als Gegenmittel sollten Kinder und Jugendlichen jetzt „zu einem spontanen unkomplizierten Mitmachen animiert werden und so Lust und Freude an Sport und Bewegung geweckt oder gefestigt werden“. Um das neue Angebot wahr werden zu lassen, werden Übungsleiter gesucht, die die Kinder begleiten. Für ihr „Open Sunday“-Projekt haben die Organisatoren stets Sportstudenten und geschulte Schüler gewinnen können. Benötigt werden außerdem Rollgeräte und Spielmaterialien. Erste Gespräche mit möglichen Geldgebern und weiteren Partnern seien erfolgreich verlaufen, berichtet Ulf Gebken.

Sport-AG vor allem für Mädchen gefordert

Weitere Ziele der neuen Initiative im Essener Norden: An jeder Schule müsse es eine Sport-AG - vor allem für Mädchen - geben. Besonders Mädchen mit Migrationshintergrund seien für Sportvereine oft schwierig zu erreichen.

Prof. Dr. Ulf Gebken von der Uni Essen will Essener Kinder nach dem Corona-Lockdown möglichst schnell wieder in Bewegung bringen.
Prof. Dr. Ulf Gebken von der Uni Essen will Essener Kinder nach dem Corona-Lockdown möglichst schnell wieder in Bewegung bringen. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Außerdem müsse jedes Kind im Essener Norden spätestens zum Ende des sechsten Schuljahres Schwimmen können – ein Vorstoß, den viele Akteure vor Ort schon erfolgreich umsetzen, zum Beispiel das Leibnizgymnasium in Altenessen mit ihrer speziellen Schwimm-Förderung. Rund 60 von 145 Fünftklässlern, die zu dieser Schule kommen, sind keine sicheren Schwimmer. Corona wird dieses Problem noch verstärkt haben. Die Fünftklässler haben alle eine Doppelstunde pro Woche Schwimmunterricht. Mindestens zwei Lehrer und zum Teil noch ein Student mit Trainerlizenz sind dabei, um auf die Schüler individuell einzugehen. Zusätzlich zum Unterricht gehen alle, die noch kein Bronze-Abzeichen haben, wöchentlich zur 60-Minuten-Schwimm-AG.

Auch langfristig müsse das Spiel- und Bewegungsangebot auf den Schulhöfen verbessert werden, fordert Ulf Gebken. Das solle auch durch den Einsatz von Spielmobilen geschehen. Entscheidend sei, dass jetzt und nicht erst in einigen Monaten gehandelt werde.