Essen. Weil Dealer immer dreister werden, hat die Rathaus-Galerie das Sicherheitspersonal verstärkt. Drogenkriminalität ist Freitag Top-Thema im Rathaus
Die Probleme mit Drogendealern unmittelbar vor und sogar in der Rathaus-Galerie bereiten dem neuen Eigentümer des Einkaufszentrums zunehmend Kopfzerbrechen. Für Centermanager Frederik Westhoff habe ein ärgerlicher Vorfall das Fass zum Überlaufen gebracht: „Drogenhändler sprachen ahnungslose Familienväter, die mit ihren Kindern einkaufen wollten, am Eingang zur Rathaus-Galerie an und boten ihnen Drogen zum Kauf an.“
Drogen-Hotspot Essener Innenstadt und das noch am Fuße des Rathauses: Die Verdrängung des lukrativen Straßengeschäfts vom Rheinischen Platz über die Viehofer Straße bis auf die Einkaufsmeile Kettwiger Straße ist dem durch Corona ohnehin gebeutelten Einzelhandel ein Dorn im Auge. In der Rathaus-Galerie haben sie die Notbremse gezogen und das Sicherheitspersonal seit Monaten aufgestockt: von einem auf zwei Mann. Das Ergebnis: Die Wachleute hätten die Dealer zwar von der Porschekanzel verjagt, doch nur 100 Schritte weiter hätten sie an der Marktkirche ihren neuen Standort gefunden. Eine Verdrängung - keine Lösung.
Zeuge: „Dealer verkauften in der Rathaus-Galerie an einem Sonntag ungeniert Drogen“
Ein Rellinghauser Bürger – 35 Jahre alt und von Beruf Schauspieler – berichtet dieser Zeitung, wie er am vorletzten Sonntag Zeuge von Drogengeschäften in dem Einkaufszentrum geworden sei. „Da standen acht bis zehn schwarzafrikanische Dealer und haben auf Kundschaft gewartet.“ Am helllichten Tag und für jedermann sichtbar seien dann die Geschäfte ungeniert abgewickelt worden. „Die sind ganz schön abgewichst“, urteilt der Zeuge.
Kurz darauf habe er Polizisten in einem Streifenwagen von seinen verstörenden Beobachtungen Meldung gemacht. Doch für diese war es natürlich zu spät, um die Männer auf frischer Tat zu stellen. Nebenbei hätten die Beamten auf das für sie schwierige öffentliche Klima hingewiesen. Wenn sie gegen Schwarzafrikaner vorgingen, so ihre Rechtfertigung, würden sie auch von Außenstehenden wieder als „Nazi-Polizei“ oder Rassisten beschimpft.
Ein Pfiff genügt: Drogenhändler haben ein effizientes Warn- und Meldesystem
Die Erfahrung zeigt: Uniformierte Beamte in Streifenwagen können von Dealern und ihren „Adjutanten“ sehr schnell ausgemacht werden. Der Zeuge verweist auf das effiziente Warnsystem der straff organisierten „Ticker“. „Nähert sich ein Polizeiwagen, ertönt ein Warn-Pfiff und alle Dealer verschwinden.“ Sei der Wagen nicht mehr zu sehen, ertöne der nächste Pfiff: Entwarnung – „und alle kommen wieder zurück“.
Der Eindruck, die Dealer könnten der Polizei überlegen sein, trügt trotzdem gewaltig. Im Präsidium ist im vergangenen Jahr eigens die „Ermittlungskommission Schütze“ (wegen der nahen Schützenbahn) gegründet worden. „Wir kennen die Szene sehr gut und verfolgen das Ziel, die Drogenkriminalität aus der Innenstadt zu verbannen“, betont Polizeisprecherin Judith Herold. Aus naheliegenden Gründen seien viele Polizisten in Zivil im Einsatz. Zugleich betont die Sprecherin: „Die Polizei allein vermag das Problem Drogenkriminalität aber nicht zu lösen.“
Wer das Einkaufszentrum mit offenen Augen durchschreitet, dürfte die Drogenszene kaum übersehen können. Denn wo Dealer, da auch die Konsumenten: Junkies suchen sich bevorzugt „ruhige Plätzchen“ im Treppenhaus oder irgendwo im Parkhaus, um sich rasch einen Schuss setzen zu können. Der Reinigungsdienst müsse dann Spritzen, Blutflecken und andere Hinterlassenschaften entsorgen, so Centermanager Westhoff.
Lagebesprechung im Rathaus zur „Sicherheit in der City“: Drogenhandel auf der Agenda
Ein beliebter Fluchtweg für Dealer wie Junkies scheint die Treppe zu sein, die von der Porschekanzel hinab zum Zwölfling führt. Aufmerksame Passanten berichten von einem regelrechten Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei.
Weil sich der schwunghafte Drogenhandel in unmittelbarer Nähe zum Rathaus abspielt, wird ein Mann anscheinend besonders häufig mit Beschwerden konfrontiert: Oberbürgermeister Thomas Kufen. Der Zeuge aus Rellinghausen sagt: „Ich habe dem OB bei Facebook geschrieben und mich beschwert.“
Auch der neue Centermanager ist beim Verwaltungschef vorstellig geworden – mit einem ersten Erfolg. Wenn an diesem Freitag im Rathaus hinter verschlossenen Türen in hochkarätiger Runde das Thema „Sicherheit in der Innenstadt“ erörtert wird, wird auch das brisante Thema Drogenhandel auf der Tagesordnung stehen. „Es muss was passieren“, sagt Westhoff, „es kann so nicht mehr weitergehen.“