Essen-Rüttenscheid. Weil viele Schwangere nicht geimpft sind, ist der Umsatz einer Essener Einzelhändlerin eingebrochen. Sie wollte 3G ermöglichen – ohne Erfolg.
Sabrina Bracke ist verzweifelt: Seit NRW die 2G-Regel im Einzelhandel eingeführt hat, hat sie kaum noch Kundschaft. Bracke verkauft in ihrem Geschäft „Style 4 kidz“ an der Klarastraße in Rüttenscheid Umstandsmode. Ihre Kundinnen sind hauptsächlich Schwangere. Genau denen hat die Ständige Impfkommission (Stiko) aber noch bis zum 10. September nicht zu einer Impfung geraten.
„Ich habe Angst um meine Existenz“, sagt Bracke klar. Um ganze 80 Prozent seien ihre Umsätze eingebrochen, seit die 2G-Regel gilt. „Gestern zum Beispiel habe ich nur 20 Euro verdient.“ Nachdem die Impfung lange nicht für schwangere Frauen empfohlen worden sei, blieben viele von ihnen zögerlich und warteten noch mit der Impfung. Das gleiche gelte für stillende Mütter. Und: Für Schwangere vor dem zweiten Trimester – also dann, wenn sich der Bauch langsam abzeichnet und Umstandskleidung vonnöten ist – empfiehlt die Stiko die Impfung immer noch nicht.
Essener Einzelhändlerin: Schwangere shoppen eben online statt vor Ort
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„Diese Frauen könnten sich natürlich ein Attest vom Arzt holen, um ins Geschäft zu kommen“, betont Bracke. „Aber mal ehrlich: Niemand holt sich extra dafür ein Attest. Die Frauen shoppen dann eben im Internet.“ Die Einzelhändlerin fühlt sich von der Politik ungerecht behandelt: „Da füllt man eine Nische und wird dafür bestraft – und wieder stirbt der nächste inhabergeführte Laden.“
Was Bracke besonders ärgert: Im Gegensatz zu ihrem Geschäft sind Babyfachmärkte von der 2G-Regel ausgenommen. Die Essenerin hat deshalb eine Nachricht an das Land NRW geschrieben, in dem sie ihren Unmut zum Ausdruck bringt. „Ich kann Ihre Betroffenheit verstehen“, antwortet darauf ein Vertreter des NRW-Gesundheitsministeriums in einem Schreiben, das der WAZ vorliegt. Bei Regelungen, die auf eine Vielzahl von Fällen Anwendung finden müssen, fänden sich nahezu immer auch Härte- bzw. Grenzfälle.
NRW-Gesundheitsministerium: „Click & Collect“ kann Option sein
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„Der wesentliche Unterschied zwischen einem Handelsgeschäft wie dem Ihren und einem Babyfachmarkt liegt darin, dass in den Babyfachmärkten eben nicht alleine Bekleidung, sondern eben auch – sogar überwiegend – Ausstattung für Babys angeboten wird wie beispielsweise Fläschchen, Schnuller, Kinderwagen etc, die für eine Versorgung der Kinder unabdingbar sind“, heißt es weiter in der Begründung des Ministeriums. Es bestehe aber ja weiterhin die Möglichkeit von „Click & Collect“, also Abholung vor Ort nach Vorbestellung.
UKE riet schon im Mai zur Schwangeren-Impfung
Die Stiko spricht seit 10. September 2021 eine Impfempfehlung für Schwangere ab dem 2. Trimenon (etwa die 12. oder 13. Woche) und für stillende Mütter aus.Damit reagierte sie allerdings eher spät. Die USA und Israel rieten zum Beispiel bereits seit Juli 2021 dringend dazu.Die Uniklinik Hamburg-Eppendorf (UKE) warnte schon im Mai 2021 vor schweren Covid-19-Verläufen bei Schwangeren und empfahl, auch sie zu impfen.
Für Sabrina Bracke ist die derzeitige Regelung weiterhin unverständlich. „Ich biete den kompletten Impfschutz und teste mich täglich. Für eine ausreichende Durchlüftung nach jeder Kundin ist gesorgt und ich bediene nie mehr als eine Kundin in meinem Geschäft“, argumentiert sie. In Supermärkten dagegen, wo weder Impfung noch Test notwendig sind, knubbelten sich die Leute.
Umstandsmoden-Geschäft in Rüttenscheid jetzt nur noch nach Termin geöffnet
Ab Montag (20. Dezember) bis zum 3. Januar 2022 bleibt „Style 4 kidz“ vorerst nur nach Termin vor Ort (für 2G oder mit Attest, Anruf unter 0173-8502935) geöffnet. Außerdem gibt es einen Verkauf an der Tür und per Facetime. „Etwas anderes lohnt sich einfach nicht mehr“, sagt Bracke. Sollte die Situation so bleiben wie sie jetzt ist, dann ist sie sich sicher: „Länger als ein oder zwei Monate schaffe ich es nicht mehr.“