Essen. Das Methanol-Schiff war ein Leuchtturmprojekt der Grünen Hauptstadt Essen. Darum ist das Forschungsprojekt sang- und klanglos ausgelaufen.
Sie galt als ein Leuchtturmprojekt der Grünen Hauptstadt: Die „MS Innogy“. Das mit Methanol betriebene Fahrgastschiff der Weißen Flotte lockte 2017 nicht nur neugierige Ausflügler an den Baldeneysee, sondern Experten aus aller Welt. Sie wollten sich persönlich ein Bild machen von einer, wie es damals hieß, europaweit einzigartigen Technologie. Ein Schiff, dessen Elektromotor mit Strom gespeist wird, den Brennstoffzellen an Bord produzieren – aus Treibstoff der vor Ort in einem Kraftwerk aus Luft gewonnen wird.
Das klang vielversprechend, ja sensationell. Das Essener Energieunternehmen Innogy – mittlerweile heißt die im Eon-Konzern aufgegangene Firma Westenergie – setzte große Hoffnungen in sein vielbeachtetes Forschungsprojekt. Und auch die Stadt Essen äußerte sich geradezu euphorisch. Das Projekt sei „ein weiteres Beispiel der Vorreiterfunktion Essens auf dem Feld der Brennstoffzellentechnologie“.
Nun, die Euphorie ist verflogen. Das Forschungsprojekt ist sang- und klanglos ausgelaufen.
Die Brennstoffzellen funktionierten nur selten störungsfrei, berichtet Boris Orlowski, Geschäftsführer der Weißen Flotte Baldeney, unter deren Flagge die „MS Innogy“ weiterhin fährt – inzwischen aber unter dem Namen „MS Westenergie“.
Das Methanol-Kraftwerk am Baldeneysee war nur ein Showroom für Besucher
Zudem war die Versorgung mit Methanol von Beginn an aufwendig. Das in einem Container am Stauwehr untergebrachte Kraftwerk war nicht mehr als ein Showroom. Es filterte aus der Umgebungsluft Kohlendioxid; mithilfe von Strom und Wasser wurde daraus flüssiger Treibstoff. Der Gedanke dahinter: Die Brennstoffzelle produziert nur soviel umweltschädliches Kohlendioxid, wie vorher der Luft entzogen wurde. Das Schiff fährt damit klimaneutral. In dem kleinen Kraftwerk wurden täglich jedoch nur bis zu fünf Liter Methanol hergestellt. Ein handlicher Kanister voll, gerade genug für ein Anlegemanöver.
Westenergie kaufte Methanol deshalb in Island ein, wo es mithilfe von Erdwärme gewonnen wurde. Der Treibstoff wurde in Altenessen zwischengelagert und per Tankwagen zum Baldeneysee transportiert. Wirklich „klimaneutral“ fuhr das Methanol-Schiff also nie.
Bereits nach einem Jahr stellte Westenergie das Projekt ein, versorgte das Schiff aber weiterhin mit Methanol. Ende vergangenen Jahres zog sich mit der Fischer Groupe ein weiterer Partner zurück.
Die Reichweite der Brennstoffzelle war größer als erwartet, heißt es bei Westenergie
War das Methanol-Schiff also ein Flop? Bei Westenergie gewinnen sie dem Forschungsprojekt nichtsdestotrotz Positives ab. So sei die Reichweite der Brennstoffzelle deutlich größer gewesen als erwartet. Das Schiff sei bis zu 14 Stunden elektrisch gefahren und nicht nur vier Stunden wie kalkuliert. Dennoch wird der Energieversorger die Methanol-Technologie nicht weiterverfolgen. Als Energieträger der Zukunft gilt inzwischen Wasserstoff.
Als Namenspate bleibt Westenergie an Bord, das Schiff bleibt im Besitz der Weißen Flotte Baldeney, die es in Ratzeburg aufgetan und erworben hatte.
Kauf und Umbau kosteten seinerzeit rund zwei Millionen Euro, von denen Westenergie 1,3 Millionen trug. Die Stadt Essen beteiligte sich mit 700.000 Euro, die – so hieß es – komplett aus Fördergeldern gedeckt würden.
Umrüstung auf E-Betrieb verzögert sich
Mit der „Stadt Essen“ wollte die Weiße Flotte Baldeney noch in diesem Jahr ein weiteres Fahrgastschiff mit öffentlicher Förderung auf Elektro-Antrieb umstellen. Doch das Projekt verzögert sich. Die Europäische Union habe der Förderrichtlinie noch immer nicht zugestimmt, bedauert Geschäftsführer Orlowski.Gibt Brüssel grünes Licht, muss die Weiße Flotte sich beim Bund um eine Förderung bewerben. Das Problem: „Die Preise für Elektromotoren ziehen jeden Tag an“, berichtet Orlowski, der auch Positives vermelden kann. Eine Landstromanschluss, an dem die Schiffe Öko-Strom tanken sollen, sei genehmigungsfähig.
Als der Umweltausschuss dafür grünes Licht gab, stimmte allein die Piratenpartei dagegen. Sie misstraute der Energiebilanz. Die Weiße Flotte werde sich in dem Projekt „verfangen wie die Schiffsschraube in der Wasserpest“, warnte der damalige Piraten-Sprecher Kai Hemsteeg.
Nun, die Schiffsschraube dreht sich noch. Nur kommt der Strom aus der Steckdose. Boris Orlowski hat entschieden, dass die Brennstoffzellen ausgebaut werden. Die Lebensdauer sei mit etwa 1000 Betriebsstunden überschaubar. Die Zellen zu ersetzen würde mehrere hunderttausend Euro kosten, so der Geschäftsführer. Kurzum: Der Methanolbetrieb wäre unwirtschaftlich, zumal der Treibstoff aus Rotterdam herbeigeschafft werden müsste.
Die „MS Westenergie“ soll dennoch weiterhin leise und elektrisch fahren – mit grünem Strom. Und für den Notfall gibt es an Bord ja immer noch einen Diesel...