Essen. Essener Clubs veranstalten nach langer Pandemiepause eine Party – ohne laute Musik und mit Abstand. Wie der Abend bei den Gästen ankommt.

„Was ist das denn für eine Party?“, fragt ein Passant in der Essener Innenstadt verwundert. Der Anblick, der sich am Wochenende auf dem Kennedyplatz bietet, wirkt in der Tat etwas eigenartig: Keine laute Musik, keine einheitliche Tanzfläche und auch keine Gäste, die zum selben Beat feiern. Stattdessen gibt es Kopfhörer und getrennte Bereiche. Insgesamt sind 400 Besucher zugelassen. Zwei DJs der Essener Clubs Turock und Delta legen gleichzeitig auf und bringen die Gäste zum Tanzen, maximal zehn dürfen sich in einer Parzelle aufhalten.

Dass die Clubs auch innen wieder öffnen dürfen, konnte keiner ahnen

Steffi, Amelie und Anja haben Spaß bei bei der Kopfhörerdisco auf dem Kennedyplatz.
Steffi, Amelie und Anja haben Spaß bei bei der Kopfhörerdisco auf dem Kennedyplatz. © FUNKE Foto Services | Michael Gohl

Seit Freitag dürfen Clubs und Diskotheken in Essen wieder öffnen, mit Testpflicht und Hygienekonzept. „Das ist also eigentlich gerade Schwachsinn, was wir hier machen. Wir könnten auch 5000 Leute auf den Platz lassen“, erklärt Mitorganisator Marcus Kalbitzer vom Essener Rockförderverein beim Auftakt am Freitagabend. Aber das konnte keiner ahnen. Die Kopfhörerparty gehört zu einer Reihe von Veranstaltungen, die die Stadt Essen und die Essen Marketing GmbH für den Sommer geplant haben, einfach um etwas möglich zu machen.

Das Paradoxon scheint der Stimmung unter den Gästen jedoch keinen Abbruch zu tun. Über dem Kennedyplatz hängen Lichterketten, bunte Fahnen und Lampions. Unter dem freien Himmel tummeln sich Gruppen von überwiegend jungen Menschen. Das bunte Treiben in den umliegenden Cafés wirkt lauter als die eigentliche Party. Bis auf ein paar Jubelrufe ist es ruhig. Alle Besucher tragen Kopfhörer, die bei genauem Hinsehen leuchten. Je nach Farbe ist zu erkennen, welche Musik spielt. Rot steht für Pop und Dance; Blau für Rockmusik.

Bewegen zu einem Takt, den die Außenwelt nicht wahrnimmt

Am Zelt neben der Bühne lauten die Standardfragen: „Was ist das für ein Kanal und wie mache ich lauter?“ Wenn die Gäste die Bedienung dann getestet haben, machen sie sich mit Getränken in der Hand auf den Weg zu ihrer Party-Box. Dort blicken sie sich beim Tanzen in die Augen, lachen und schreien gegen den Bass auf ihren Ohren an, wenn sie sich unterhalten. Gemeinsam bewegen sie sich zu einem Takt, den die Außenwelt nicht wahrnimmt.

„Eine Party ohne laute Musik fühlt sich etwas merkwürdig an“, so Besucherin Pam Maskow aus Essen. „Es ist anders als im Club, aber fantastisch. Ich gehe momentan zu jeder Veranstaltung, die angeboten wird. Zur Not fliege ich dafür auch ins Ausland. Hauptsache, man kann wieder etwas unternehmen“, fügt ihre Freundin Christina Gerhardt hinzu. Wenn die Clubs wieder aufmachen, sei sie die Erste, die in der Schlange steht, verrät die Dortmunderin lachend. Dann setzt sie sich die Kopfhörer wieder auf und wirft ihre Hände zu den Rockbeats in die Luft.

Nicht alle Gäste würden derzeit schon wieder eine Diskothek betreten

In Parzelle Nummer 4 springen währenddessen zwei Freundinnen aus Mülheim in die Luft. Als es anfängt zu regnen, kramen sie Ponchos aus der Tasche und feiern ausgelassen weiter. „In eine Diskothek würde ich mich noch nicht trauen. Das ist schon gut so an der frischen Luft“, sagt Anja Ahrendt. So sehen das auch zwei Freundinnen aus Gelsenkirchen. „Das ist unser erster richtiger Mädelsabend seit langem und wir freuen uns riesig“, erklärt Nina Darleen-Schmitz. „Aber bis ich in eine richtige Disko gehe, wird es noch dauern“, sagt die 25-Jährige.

Es gibt weitere Kopfhörer-Veranstaltungen

Die Kopfhörer-Disko veranstaltet das Essener Kulturamt gemeinsam mit der Essen Marketing GmbH und „Clubs United“, einem im Vorjahr gegründeten Zusammenschluss der Essener Clubs und Livemusikspielstätten. Sie findet noch zweimal auf dem Kennedyplatz statt. Am Freitag, 16. Juli, 21 Uhr sorgt die Zeche Carl und das Delta für die Musik; am Samstag 17. Juli, 21 die Musikpalette und die Freakshow. Das Open-Air-Format gehört zur Veranstaltungsreihe des Essener Kultursommers. Dazu gehören auch Veranstaltungen im Grugapark, in der Zeche Carl sowie in der Borbecker Dubois-Arena.

Mit der Kopfhörerparty unter freiem Himmel wollten die Veranstalter vorsichtig zur Normalität zurückkehren. „Wir wurden von der kurzfristigen Lockerung überrascht“, erklärt Peter Siewert vom Turock. Wie viele andere Betreiber in Essen will er mit der Öffnung noch warten bis es Planungssicherheit gibt. „Die Party ist eine Momentaufnahme, aber trotzdem ein Erfolg“, freut er sich. Besucher Thorsten Parlow, der ebenfalls einen Club in Mülheim betreibt, fasst zusammen: „Man schaut in die Masse und alle bewegen sich im gleichen Takt, überragend. Gemeinschaftsgefühl trotz Abstand und für alle ein Hoffnungsschimmer, dass es bald wieder losgehen kann.“