Essen-Rüttenscheid. Seit Öffnung von Kneipen und Restaurants kommt es auf der Gastromeile in Essen-Rüttenscheid zu Auswüchsen. Über Reaktionen aus dem Stadtteil.
Seit gut zwei Wochen sind Kneipen und Restaurants wieder geöffnet. Dank fallender Inzidenzwerte dürfen die Gastrobetriebe die Regeln für Gäste immer weiter lockern. Doch die neuen alten Freiheiten haben auch ihre Schattenseiten. In Rüttenscheid sind Freude und Sorge nah beieinander.
Gäste genießen die Außengastronomie in Essen-Rüttenscheid
Die Sonne hat an diesem Abend die Flaniermeile in ein charmantes Licht getaucht, als sich Wanja Saloks-Krause und Christopher Saloks im Oliv ihren ersten Restaurantbesuch seit – ja seit wann eigentlich? – erstmals wieder gönnen. Die beiden kramen in ihren Erinnerungen, irgendwann im letzten Herbst muss es gewesen sein. Jetzt haben sie sich direkt nach dem Einkauf in Rüttenscheid entschlossen, essen zu gehen. „Einfach herrlich, fast wie früher, vor Corona.“ Der 29-Jährige ist nun auch gerade an diesem Tag das erste Mal geimpft worden. Aber auch ohne den Piks hätte das Paar den Abend wohl nicht anders verbracht.
Ob die Bredeneyer sich auch drinnen einen Platz gesucht hätten, das bezweifeln die zwei eher, aber die Frage stelle sich auch nicht, angesichts der angenehmen Temperaturen. So wie sie denken offensichtlich viele Rü-Besucher, die sich draußen niedergelassen haben. „Endlich mal wieder raus“, der Spruch ist oft zu hören. Trotzdem gibt es auch eine ganze Menge von Gästen, die einen Aufenthalt drinnen bevorzugen. In der neuen Pizzeria 60 seconds to Napoli beispielsweise sind alle Tische belegt. Angesichts der Corona-Vorgaben müsse man aber auch die entsprechenden Abstände einhalten, sagt Leiter Adrian Kuras. Dass in früheren Zeiten wohl deutlich mehr Leute hier hätten speisen können – geschenkt.
Menschen hoffen, dass Normalität wieder Einzug hält
Viele Jugendliche aus umliegenden Städten
Die Blumensäulen entlang der Rü finanzieren Kaufleute, Gastronomen und die Interessengemeinschaft Rüttenscheid. Zudem fließt Geld aus einem Topf zur Förderung der Stadtteile.Seit mehreren Jahren sorgt der Blumenschmuck in den Sommermonaten dafür, die Einkauf- und Ausgehmeile zu verschönern. Zu dem jungen Publikum, das in den vergangenen Wochen in Rüttenscheid unterwegs war, zählen auch viele Jugendliche aus der Umgebung. IGR-Vorsitzender Rolf Krane berichtet, dass es sich vermutlich um junge Menschen aus Städten handele, in denen die Gastronomie noch nicht wieder geöffnet sei.
Während überall eine gute, eine heitere Stimmung herrscht und die Gäste hoffen, dass nun Schritt für Schritt Normalität zurückkehrt, sprechen manche Gäste und Gastronomen auch über die Bedenken, die sich aus den Ereignissen der vergangenen Tage ergeben. Die allzu ausgelassenen Feiern in den späten Abendstunden finden ein zwiespältiges Echo. „Man kann ja die jungen Leute verstehen, die nach der langen Zeit endlich wieder raus wollen“, sagt ein Besucher. Doch die Begleiterscheinungen bereiten dann doch Kummer.
Gerade an dem zurückliegenden langen freien Wochenende habe viel Müll herumgelegen, manche Ecken gerade im Bereich der Rüttenscheider Brücke waren übersät mit Scherben, Pappschachteln aus Pizzerien und Imbissbuden. Was manche Anwohner aber erst recht auf die Palme gebracht hat, sind die Autoposer. „Da fährt einer mit seinem Ferrari drei, vier Mal mit richtig Tempo die Rü rauf und runter. So etwas nervt doch nur“, erzählt ein Anlieger. „Das war beileibe kein Einzelfall.“ Damit ist der Ärger aber nicht in Gänze beschrieben. Laute Musik und grölendes Publikum hätten doch die Nachtruhe erheblich gestört.
Die Polizei berichtet von insgesamt 35 Einsätzen, die sie von Mittwoch bis zum vergangenen Sonntag hatte, dazu gehöre aber die gesamte Bandbreite vom Diebstahl angefangen bis zur Körperverletzung. Auch wenn die Beamten zu einigen Streitereien gerufen worden oder ihnen Ruhestörungen gemeldet worden seien, sei die Lage an keinem der Tage eskaliert, sagt ein Sprecher.
Rü soll nicht zur Partymeile werden
Alle Hände voll zu tun hatte zunächst am Mittwoch vor Fronleichnam der Kommunale Ordnungsdienst. Das komplette Team der abendlichen Schicht war unterwegs und das aus gutem Grund. Es sollte sich zeigen, dass einige Wirte die Gunst der Stunde wohl im Übermaß nutzten und alles herausstellten, auf oder an was man sich setzen konnte. Die Ordnungskräfte mussten zusehen, so Stadtsprecherin Jasmin Trilling, dass an einigen Stellen die Gehwege noch frei blieben. An den nächsten Abenden hatte sich in puncto Außengastro die Lage aber wieder entspannt. Hier und da mussten aber wohl Wirte darin erinnert werden, dass trotz Lockerungen nach wie die Abstandsregeln gelten.
Die Entwicklung der zurückliegenden beiden Wochen beschäftigt auch den Vorsitzenden der Interessengemeinschaft Rüttenscheid, Rolf Krane. Dass die Menschen wieder feiern wollen, dafür habe er volles Verständnis. Aber man müsse Exzessen begegnen und vermeiden, dass das zur Regel werde. Die Rü dürfe nicht zur Partymeile werden. Am letzten Wochenende sei es durchaus zu Exzessen gekommen, sagt Krane, der in engem Kontakt mit den Behörden steht.
Um die Müllberge und Scherbenhaufen zu beseitigen, habe die IGR spontan nach Abstimmung mit den Gastronomen deren Reinigungskräfte eingesetzt. Viele Scherben habe er auch selbst eingesammelt, sagt der Vorsitzende. Für den Sommer überlege man momentan, mit Hilfe einer Umlage einen Reinigungsdienst zu finanzieren. Weiterhin fordert Krane einen zusätzlichen Reinigungstag auf der Rü durch die Essener Entsorgungsbetriebe (EBE) und vor allem eine Säuberung am Montag. Zu bedenken gibt Krane, dass in puncto Müll und Lärm die Probleme insbesondere auch durch Kioske verursacht würden, die rund um die Uhr geöffnet hätten.