Essen. Nach der Corona-Impfung ist wohl vor der nächsten, so legt eine Studie unter 100 Feuerwehrleuten nahe. Sie zeigt auch, wer sie besonders braucht.

Nicht mal zwei Drittel der Bevölkerung sind geimpft, und dass die Stadt Essen jetzt schon Kratzfüß machen muss, damit die Menschen ihre Ärmel hochkrempeln – für Professor Dr. Ulf Dittmer ist das „frustrierend“: „Ich hätte nicht gedacht, dass wir schon an dieser Stelle ins Stottern geraten.“ Dies zumal er als Direktor des Instituts für Virologie bei der Universitätsmedizin Essen in diesen Tagen noch eine andere schlechte Nachricht überbringen muss: „Zumindest ältere Menschen werden im Herbst eine Auffrischungs-Impfung brauchen.“

Dies jedenfalls legen nach seiner Expertise Studien nahe, die Essens Virologen unter die Lupe genommen haben: Daten aus der Partner-Uni im chinesischen Wuhan sind darunter, aber auch gemeinsam mit der hiesigen Feuerwehr vor Ort gewonnene Erkenntnisse, als zuletzt 100 Feuerwehrleute – sie alle Geimpfte der ersten Stunde –, auf ihren Immunstatus getestet wurden.

Über 130 Studien allein zu Covid 19

Schon seit November 2019 waren die Virologen der Essener Universitätsmedizin in Sachen Corona alarmiert. Der erste Patient wurde am 9. März 2020 behandelt. Seither zählte man in der Pandemie über 2.200 Erkrankte, von denen 790 intensivmedizinisch betreut werden mussten. Ein Labor der Sicherheitsstufe S3 erlaubt es, die Pandemie in Essen auch durch Forschungen zu begleiten. Seit März vergangenen Jahres wurden über 130 Studien zu Covid 19 gestartet. Eine enge Zusammenarbeit gibt es dabei nicht nur mit der Partner-Uni in Wuhan, auch in Nordrhein-Westfalen beteiligt Essen sich an einem Forschungsnetzwerk namens Viral NRW.

Je älter die Probanden, desto weniger Antikörper sind nachweisbar

Wen es tröstet: Sieben Monate nach ihrer Corona-Erstimpfung rund um Heiligabend 2020 hatten die Einsatzkräfte alle noch Antikörper im Blut – mit der Betonung auf „noch“. Denn deren Zahl nimmt mit der Zeit augenscheinlich ab, und zwar umso mehr, je älter die Probanden sind.

Was die Sache dabei so heikel macht: Niemand kann derzeit mit Bestimmtheit sagen, wie viele Antikörper jemand aufweisen muss, um gegen eine Covid 19-Erkrankung geschützt zu sein. „Wir wissen es schlicht nicht“, sagt Dittmer. Und selbst wenn man es für die ursprüngliche, die Alpha-Variante sagen könnte, muss dies für eine der folgenden Mutanten noch lange nicht in gleichem Maße zutreffen.

Wer keine oder kaum Symptome zeigte, ist hinterher weniger immun

Ein ähnlich differenziertes Bild gibt es auch bei jenen, die bereits eine Corona-Erkrankung hinter sich haben, wovon es allein in Essen über 26.200 Betroffene gibt: „Genesen ist nicht gleich genesen“, sagt der Virologe und bezieht sich dabei vor allem auf Daten aus Wuhan. Die zeigen: Ein Jahr nach der Genesung haben nur 43 Prozent von ihnen noch neutralisierende Antikörper, wovon nur noch 21 Prozent gegen die Beta-Variante wirken.

In engem Kontakt mit chinesischen Fachkollegen kommt der Chef-Virologe der Universitätsmedizin Prof. Dr. Ulf Dittmer zu dem Schluss, dass eine weitere Impfung nötig wird – zumindest bei den Älteren.
In engem Kontakt mit chinesischen Fachkollegen kommt der Chef-Virologe der Universitätsmedizin Prof. Dr. Ulf Dittmer zu dem Schluss, dass eine weitere Impfung nötig wird – zumindest bei den Älteren. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Also: „Wir haben es bei den Varianten mit einem neuen Gegner zu tun.“ Wer in seiner Krankheitsphase dabei keine oder kaum Symptome aufwies, ist nur vermeintlich besser dran. Bei diesen Patienten, so Professor Dittmer, scheint die Immunität deutlich schwächer und kürzer ausgeprägt als bei denen, die sich durch mittlere bis schwere Symptome kämpfen mussten.

Die Gleichung „Keine Antikörper – kein Schutz mehr“ geht allerdings auch nicht auf. Denn neben Antikörpern und sogenannten T-Zellen als Zeichen der Immunabwehr gibt es auch Gedächtnis-T-Zellen, die über Jahre und Jahrzehnte im Körper schlummern und dort zwar keine erneute Erkrankung verhindern. Wenn sie mit einem Erreger in Kontakt kommen, reagiert der Körper aber blitzschnell auf die „Bedrohung“ und baut einen Schutz auf.

Sinnvoll, wenn die Impfstoffe auf die Delta-Variante abgestimmt sind

Für Dittmer als Chef-Virologen der Universitätsmedizin ist aus alledem die Schlussfolgerung klar, auch wenn man die überschaubare Zahl der Probanden in weiteren Studien noch deutlich erhöhen könnte: „Wenn mich jemand fragt, würde ich jetzt schon sagen: Ja, wir werden diese Auffrischungs-Impfung im Herbst oder Winter zumindest für ältere Menschen brauchen. Das ist absolut sinnvoll.“ Sinnvoll vor allem, wenn die gezielt auf die Delta-Variante abgestimmten Impfstoffe verfügbar sind.

Dass die Impfung wie einst der Zaubertrank bei Asterix nur für eine begrenzte Zeit Wirkung entfaltet – das ist die schlechte Nachricht, die man erst all jenen noch wird beibringen müssen, die sich schon beim ersten mal so schwer tun.