Essen. Das Aus für acht weitere Sparkassen-Filialen und gestutzte Öffnungszeiten folgen dem Kundenverhalten, heißt es. Die Musik spiele längst woanders.
Für solche Gelegenheiten wurde wohl die Formulierung von der „kleinen Ewigkeit“ erfunden: März dieses Jahres war’s, als die Sparkasse Essen ihr Sparprogramm in eigener Sache beendete und die letzte von 13 Filialen schloss – Ende eines fünfjährigen geordneten Rückzugs. Darüber hinaus, so hieß es damals, gebe es keine Pläne, das Filialnetz weiter auszudünnen, aber eben auch keine Ewigkeitsgarantie. Sieben Monate später ist jetzt klar: Die Schließungswelle geht weiter. Und übers Stadtgebiet schwappt sie schneller denn je.
Schließlich nimmt sich die Sparkasse als Marktführer unter den örtlichen Kreditinstituten nur zwei Jahre Zeit, ihr Filialnetz von jetzt 35 auf dann noch 27 Standorte zu stutzen. Davon sollen 17 Filialen „perspektivisch“ nur noch von 9 bis 13 Uhr öffnen, wer keinen Beratungsbedarf hat, steht dann nachmittags vor verschlossener Tür.
Mitarbeiter sollen ihren Arbeitsplatz bei der Sparkasse behalten
Glaubt man dem Geldinstitut, dürfte dieser neuerliche Rückzug bei den allermeisten Kunden allenfalls ein Achselzucken auslösen. Denn jeweils benachbarte größere Filialen würden gestärkt, und statistisch gesehen schauen die Inhaber der 245.000 Privat- und 31.000 Geschäfts-Girokunden ohnehin nur noch einmal im Jahr vorbei, um sich beraten zu lassen. Dagegen rennen sie der virtuellen Filiale im Internet buchstäblich die Bude ein: Hier stieg die Zahl der Besuche binnen zwei Jahren von 45,6 auf 65 Millionen, während die Banking-App allein im vergangenen Jahr 52 Millionen Mal zum Einsatz kam – zwei Jahre zuvor lag der Wert erst bei 33 Millionen. Ein Boom, nicht zuletzt dank Corona.
Wahr ist aber auch: Das engmaschige Filialnetz über die Stadt zu spannen („Das ist unsere DNA“), ist für die Sparkasse hier wie andernorts ein teures Unterfangen. Für die Sparkasse geht es beim Rückzug deshalb um einen Spagat: Einerseits will sie keine Infrastruktur vorhalten, wo diese nicht gefragt ist. Anderseits will man den Trumpf der Kundennähe nicht leichtfertig preisgeben. Vorstandschef Helmut Schiffer versichert denn auch, dass „die Filialen ein Rückgrat im Vertrieb der Sparkasse sind und bleiben“. Und mit künftig 27 Geschäftsstellen, 13 Selbstbedienungs-Standorten und rund 100 Geldautomaten könne die Sparkasse immer noch „mehr bieten als alle anderen relevanten Mitbewerber in Essen zusammen“.
Einzig National-Bank und Geno Bank können in der Fläche noch Paroli bieten
Was nicht zuletzt daran liegt, dass vor allem Großbanken wie Deutsche und Commerzbank, aber auch die Sparda-Bank West sich inzwischen auf wenige Standorte konzentrieren. Einzig National-Bank und Geno Bank können in der Fläche noch Paroli bieten, wenngleich auch dort ein Sparprogramm läuft. So beschränkt die National-Bank mit Ausnahme der Innenstadt-Filiale die Öffnungszeiten inzwischen auf 9 bis 14 Uhr, ein willkommenes Überbleibsel aus dem Corona-Lockdown. Und bei der Geno Bank betreuen sechs Teams die Außen-Filialen, die je nach Standort nur ein bis fünf Tage geöffnet sind.
Das Filialsterben wird wohl weitergehen
Fürs eigene Haus mag das noch keiner vorhersagen, schon, um die Kundschaft nicht zu verschrecken. Doch in der Banken-Landschaft wird das Filial-Sterben wohl weitergehen, davon geht auch die Sparkasse Essen aus. Vor fünf Jahren habe es noch bundesweit 34.000 Filialen gegeben, heute seien es noch 25.000, und bis zum Jahr 2030 erwarteten Markt-Experten nur noch knapp 16.000 Niederlassungen: „Die digitale Revolution stellt alte Geschäftsmodelle in Frage.“Die Sparkasse reagiert, will ihre 2018 eingerichtete „mediale Filiale“, in der per Mail, Chat, Telefon und Video beraten wird, deutlich ausbauen. Mit 56 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist sie jetzt schon die größte Filiale der Stadt.
Nicht schlimm für eine digital bewanderte Kundschaft, die sich ihr Bargeld im Zweifel bei Rewe, Lidl oder Netto holt und für kleine wie größere Überweisungen nur Paypal und ein paar Fingertipps benötigt. Ärgerlich ist der Rückzug aus der Fläche vor allem für alte Menschen, die den persönlichen Kontakt am Schalter schätzten und mit dem Internet – erst recht bei Bank-Geschäften – eher auf Kriegsfuß stehen.
Welche Filialen betroffen sind, mag die Sparkasse noch nicht preisgeben
Wie viele das sind, ist unklar. Bei der Sparkasse liegt der Anteil der über 60-Jährigen in der Kundschaft bei knapp 32 Prozent, aber viele sind bis ins hohe Alter durchaus firm am Smartphone. Als Indiz für eine wachsende Kundenferne könnte allenfalls die Entwicklung des Bargeldbringservices dienen, den die Sparkasse im Rahmen ihrer ersten Filial-Schließungsrunde einführte. 2020 wurde das Angebot insgesamt 1.201 Mal von Kunden in Anspruch genommen – bequem, aber nicht billig: Fünf Euro Gebühr kostet der Service.
Welche Filialen von der neuen Schließungs-Runde betroffen sind, mag die Sparkasse noch nicht preisgeben. Und selbstredend gibt es keine Pläne, danach eine neue Sparrunde einzuläuten. Aber, man ahnt es, eine Ewigkeits-Garantie ist das nicht.