Duisburg. Duisburger Philharmoniker haben für Menschen mit Demenz gespielt. Die besonderen Konzerte zeigen die Macht der Musik – und rühren Zuschauer zu Tränen.
Herzmusik heißt die beliebte Konzertreihe mit Musikerinnen und Musikern der Duisburger Philharmoniker für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Die kleinen, aber feinen Konzerte im hellen Foyer der Mercatorhalle mit den großen Panoramafenstern gibt es seit zwölf Jahren und sie eignen sich besonders gut für Menschen mit demenziellen Veränderungen.
Unter dem Titel „Es weihnachtet“ bringen im zweiten Konzert der Saison die sieben Orchestermitglieder und die Sopranistin Maria Portela Larisch glanzvolle, barocke Advents- und Weihnachtsmusik auf historischen Instrumenten zu Gehör. Über 60 Menschen lauschen den festlichen Klängen des Cembalos und der Viola da Gamba und ein so aufmerksames Publikum wünscht sich jedes Orchester.
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Musik gegen Demenz: Gesichtszüge glätten sich zusehends
„Da, ich höre die Nachtigall“, flüstert eine Zuhörerin glücklich ihrer Begleiterin zu, als der Flötist Stephan Dreizehnter sein Instrument im Stück „Lieb Nachtigall wach auf“ trillern lässt. Angespannte Gesichtszüge glätten sich zusehends. Hände, die zu Beginn der Musik noch ängstlich ihre Rollstuhllehnen umklammert hatten, lockern sich, bewegen sich im Takt und finden sich zum Applaus.
„Sie hat früher selber im Chor gesungen und wenn sie klassische Musik hören kann, dann lächelt sie und wirkt irgendwie entspannter“, sagt eine Tochter, die ihre an Demenz erkrankte Mutter begleitet.
Ausgerichtet und moderiert wird die Konzertreihe von der Musikgeragogin Anja Renczikowski. Die Fachfrau für Musikvermittlung an alte Menschen freut sich besonders, dass inzwischen auch Familien mit kleinen Kindern und Menschen mit mehrfachen Behinderungen die Konzerte für sich entdeckt haben. „Da überschneiden sich die Bedürfnisse“, sagt sie, „ein barrierefreier Nachmittagstermin, nach dem man im Hellen nach Hause kommt, ein überschaubarer Raum, eine entspannte Atmosphäre, in der man auch mal husten oder aufstehen kann, das kommt den Kleinen und den Alten zugute.“
Musik und Demenz: Plötzlich singen viele den Liedtext mit
Sie stellt in ihren Moderationen Kontakt zu einzelnen Musikern her und hält ihre Beiträge dabei kurz und verständlich. Francesco Savignano erläutert zum Beispiel, dass er seine siebensaitige Viola da Gamba häufig nachstimmen muss und sie besonders liebt, gerade weil sie sich nicht für den normalen Konzertbetrieb eignet.
Zum Abschluss des einstündigen Musikvergnügens wird gemeinsam gesungen. Bei dem bekannten Weihnachtslied „Es ist ein Ros` entsprungen“ tun sich auch die Münder auf, die sonst meistens fest geschlossen bleiben. Nicht jede fröhliche Sängerin trifft den Ton, aber hier wird aus voller Seele gesungen. Erstaunlich viele der Anwesenden haben alle drei Strophen des Textes im Kopf, ohne auf ihr Liedblatt zu schauen.
Wer in diesen Momenten eine Träne der Rührung im Auge hat, fühlt sich in guter Gesellschaft. Auch Anja Renczikowski ist nahe am Wasser gebaut, wenn sie dieses Lied hört. „Dann denke ich, meine verstorbene Großmutter steht neben mir in der Kirche und singt ganz laut und ein bisschen falsch mit“, sagt sie.
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„Jetzt gehen wir noch auf den Weihnachtsmarkt einen heißen Kakao trinken“, sagt eine Begleiterin bei der Verabschiedung und bindet ihrem Freund den warmen Schal um den Hals, „das ist ihm eigentlich zu aufregend da, aber nach der schönen Musik ist er richtig locker geworden, da wagen wir es einfach.“
Sehr angenehm aufgefallen sind die Ordnungskräfte der Mercatorhalle mit den orangen Krawatten, die sich das ganze Konzert über ausgesprochen einfühlsam um die Konzertgäste gekümmert haben. Vom Einparken der Rollstühle und Rollatoren bis zur freundlichen Begleitung zu den Waschräumen, trugen sie viel zu der besonders einladenden Atmosphäre der Veranstaltung bei.
>> „Herzmusik“: Das nächste Konzert ist am 15. Mai 2025
- Das nächste Herzmusikkonzert „Phantasiestücke“ mit Musik von Beethoven, Schubert und Brahms, gibt es am 15. Mai 2025, um 15 Uhr, im Foyer der Mercatorhalle.
- Nähere Informationen und Anmeldung geht direkt bei Anja Renczikowski, per E-Mail a.renczikowski@t-online.de, oder telefonisch: 0160/94910410.