Duisburg. In welchen Duisburger Vierteln ist die Hitze zu groß? Ist der Großstadt-Lärm wirklich ungesund? Was muss besser werden? Diese Details enthüllt ein Bericht.

Kann man in Duisburg ein sozial- und klimagerechtes Wohnen gestalten? Ja, aber: Für den siebten Sozialbericht haben sich mehrere städtische Ämter, Vertreter aus Politik und Wohnungsmarkt mit Profis vom Gewos-Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung zusammengetan und diskutiert, was dafür zu tun ist.

Herausgekommen ist ein telefonbuchdickes Konvolut, das auf mehreren hundert Seiten Tabellen und Grafiken, Darstellungen und Analysen versammelt, nicht nur allgemein für Duisburg, sondern bis in die kleinsten Quartiere hinein. Darin steckt viel Arbeit und macht noch mehr Arbeit nötig: Projektgruppen haben in Workshops 42 konkrete Maßnahmen entwickelt. Der Rat der Stadt hat in seiner letzten Sitzung einstimmig beschlossen, mit diesen in die Umsetzung zu gehen.

Maßnahmen für ein besseres Wohnen in Duisburg identifiziert

Dafür hat der Sozialbericht verschiedene Leitziele aufgestellt. 2010 kreisten die Verantwortlichen noch um die Sorge, dass der Bevölkerungsrückgang Duisburg zum Handeln zwingen würde. Durch die Zuwanderung einerseits und ein geringeres Wachstum auf dem Wohnungsmarkt andererseits ergeben sich nun aber neue Probleme.

Im Angerbogen in Duisburg-Huckingen lebt es sich teuer, aber klimatisch angenehmer als im dicht besiedelten Norden der Stadt.
Im Angerbogen in Duisburg-Huckingen lebt es sich teuer, aber klimatisch angenehmer als im dicht besiedelten Norden der Stadt. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Logische Ziele deshalb: Die Wohnraumversorgung soll „nachfrageorientiert“ sichergestellt werden. Außerdem soll der Wohnungsbau klimaneutral werden. Problematische Immobilien sollen reduziert, Brachflächen revitalisiert werden. Gleich 17 Maßnahmenvorschläge wurden herausgearbeitet, um das Leitziel „Wohnen in Duisburg ist gesund und sozial gerecht“ zu erreichen, darunter: Wohnungslosigkeit vermeiden, mehr Gründächer für Bereiche mit Hitzeinseln, mehr Wohnen an Schienennahverkehr, mehr Wohnen in zentralen Lagen.

Politik wird bei Interessenkollisionen entscheiden müssen

Die Autoren des Gewos-Instituts bekennen aber auch, dass Maßnahmen für bestimmte Leitziele mit anderen kollidieren können. Beispiel Nachverdichtung in Ballungsräumen: Sie würden zwar den gewünschten Wohnraum schaffen, zugleich aber auch das Aus für Frischluftschneisen bedeuten. Deshalb müsse jeder Einzelfall geprüft und politisch entschieden werden.

Dem Stadtrat werden einzelne Maßnahmen aus dem Sozialbericht in den kommenden Jahren daher immer wieder begegnen und zum Beschluss vorgelegt. Dabei geht es nicht nur um kreative Lösungsvorschläge, sondern auch ganz praktisch um Geld für Personal und Sachkosten. Was das alles kosten könnte, steht indes nicht im Sozialbericht. Vereinzelt werden Summen genannt, sie reichen von vierstelligen Beträgen bis zu Millionen-Summen, die „benötigt“ werden, für viele der Projekte gilt jedoch: „Finanzierung sicherstellen“. Aus welchen Töpfen das Geld kommen wird, ist daher an vielen Stellen noch offen.

Basis des Sozialberichts: Eine umfassende Datenanalyse

Die Analysten haben sich auf Zahlen aus den Jahren 2010 bis 2021 bezogen, weil hier die Statistiken vollständig vorliegen. Aus diesen Zahlen folgt:

  • In dieser Zeit starben mehr Menschen, als geboren wurden. Ohne Zuwanderung würde sich die Bevölkerung kontinuierlich reduzieren.
  • Zugleich wuchs die Bevölkerung durch den Zuzug Schutzsuchender aus Krisengebieten, aber auch durch Armutszuwanderung.
  • Armutshotspots: Die meisten Quartiere mit Menschen, die Mindestsicherung oder Wohngeld beziehen, sind in Marxloh und Obermarxloh. Im Dichterviertel erhalten demnach 45,6 Prozent entsprechende Unterstützung. Alle zehn Quartiere mit den höchsten Anteilen an Haushalten, die finanzielle Unterstützung erhalten, sind zugleich jene Quartiere, in denen über 63 Prozent Menschen mit Zuwanderungsgeschichte leben.
  • Mehr als die Hälfte aller Duisburger zwischen 15 und 65 Jahren (55,6%) sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
  • Durch Neubaugebiete konnten einerseits Familien gehalten werden, andererseits Zuziehende aus Düsseldorf gewonnen werden. Trotzdem verliert Duisburg mehr Einwohner an das Umland, als es hinzugewinnt.
  • Duisburg ist „von überdurchschnittlicher Armut geprägt“: Fast jeder fünfte Haushalt erhält Transfermittel zur Sicherung des Wohnens wie Leistungen zur Mindestsicherung oder Wohngeld. Duisburg gehört außerdem zu den fünf Kommunen „mit den höchsten Mindestsicherungsquoten in NRW“.

Lärm, Luft und Hitze belastet viele Menschen in Duisburg

Es ist keine Überraschung, dass in der Großstadt Gewerbe, Industrie und Stadtverkehr akut zur Belastung der Bevölkerung beitragen, schreiben die Autoren des Berichts. Im Detail nennen sie eine erhöhte Schadstoff- und Abwärmebelastung, ein Grünraumdefizit und einen hohen Versiegelungsgrad. Die Belastung mit Blick auf Klima und Umwelt ist im Stadtgebiet allerdings sehr unterschiedlich verteilt. Laut Sozialbericht sind vor allem ärmere Menschen und jene mit Zuwanderungsgeschichte stärker gesundheitsschädlichen Emissionen ausgesetzt.

„Je dichter und bebauter ein Raum, desto hitzeanfälliger ist er.“ Ein Großteil der Duisburger lebe auf hitzebelasteten Flächen. Quartiere mit besonders hoher Hitzebelastung gibt es vor allem in den Bezirken Mitte und Meiderich-Beeck. Hier wohnen besonders viele Menschen, die unter drei oder über 65 Jahre alt sind und deshalb als besonders vulnerabel gelten. Gesundheitsschädlich wirke sich auch die Lärmbelastung aus, die oft mit einer hohen Luftbelastung einhergehe. Die Vorschläge reichen von Baumscheiben-Begrünung über die Bepflanzung von Straßenzügen bis zur „Durchlüftung“ ganzer Siedlungen.

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Die Zahl der Menschen mit Wohnberechtigungsschein ist bis 2021 gesunken, von 3671 auf 2709. Wohnungsnotfälle, also die Gefahr der Obdachlosigkeit, ist auch dank des städtischen Wohnungsnotfallplans binnen zehn Jahren um fast ein Drittel gesunken auf 1681 in 2021, drei Viertel der Betroffenen sind männlich. Seither steigen die Zahlen allerdings wieder. Ein Problem: Für manche Gruppen, beispielsweise Schutzsuchende, sei es schwer, eine angemessene Wohnung zu finden. Deshalb gehört es zu den Maßnahmen, Vermieter für eine diskriminierungsfreie Vergabepraxis zu sensibilisieren. Geschult werden sollen aber auch angehende Mieter.

>>SOZIALBERICHTE FÜR DUISBURG

Die Abstände werden immer größer: Der erste Sozialbericht erschien 2007, damals noch ohne konkretes Thema. Seither widmete er sich alle paar Jahre verschiedenen Schwerpunkten, Kindern und Jugendlichen etwa 2012, Menschen mit Beeinträchtigungen und Behinderungen 2014. Vier Jahre später folgte ein Schwerpunkt zum Masterplan Integration.

Diesmal hat es sechs Jahre gedauert, der neue Schwerpunkt widmet sich dem Wohnen: „Eine sozial- und klimagerechte Entwicklung der Duisburger Wohnungslandschaft.“ Die bisherigen Sozialberichte können auf der Internetseite der Stadt Duisburg heruntergeladen werden. Der aktuelle Sozialbericht ist noch auf dem Gremienweg und deshalb im Ratsinformationssystem zu finden.