Duisburg. Ein Haus in Duisburg wird bei Arbeiten auf dem Nachbargrundstück beschädigt. 24 Mieter müssen plötzlich ihre Wohnungen verlassen und können nicht zurück.
Seit dem 18. Oktober ist für Familie Schmidt aus Duisburg-Wanheimerort nichts mehr, wie es war. Helga und Hans Schmidt (Name von der Redaktion geändert) kamen nachmittags nach Hause, als vor ihrer Tür das Ordnungsamt stand.
Die Mitarbeiter teilten ihnen mit, dass das Mehrfamilienhaus an der Düsseldorfer Straße 466 nicht mehr bewohnbar sei. Der Grund: Bei Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück für das Nikolaieck soll etwas mächtig schiefgelaufen sein. Die Statik des LEG-Wohnhauses sei gefährdet, es bestehe akute Einsturzgefahr. Alle Mieter müssten sofort raus. Betroffen sind 24 Personen, die von einer Stunde auf die andere ihre Bleibe verloren haben. Für die Senioren ist die Situation so belastend, dass sie lieber nicht mit ihrem Namen genannt werden möchten.
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30 Minuten blieben den beiden 83-Jährigen an dem Oktobertag, um ein paar Sachen zusammen zu raffen. Drei Taschen konnten sie packen. „Wir dachten ja, dass sich alles schnell klären und regeln lässt“, erklärt die Tochter Elke Schmidt. Zwar habe sich die Stadt ihre Daten notiert und auch bei dem Vermieter, der LEG, liegen diese vor. Allerdings gab es bisher keine Auskunft darüber, wie es nun weiter gehen soll.
Betroffene Duisburger leben im Hotel oder bei Verwandten
Die Schmidts wohnen derzeit in einem Hotel in Wanheimerort, andere Nachbarn sind bei Verwandten untergekommen. „Das Hotel ist ok und der Besitzer wirklich freundlich und hilfsbereit, aber wir würden gerne wissen, ob wir uns um eine neue Wohnung oder eine Ferienwohnung kümmern müssen“, sagt Elke Schmidt. Eine andere Nachbarin erklärt den Tränen nahe: „Ich musste mir erstmal eine dicke Jacke kaufen, ich habe ja kaum etwas mitgenommen.“ Andere trugen nur Pantoffeln. Die Bewohner verstehen nicht, warum die LEG ihnen keine Ersatzwohnung anbiete. Leerstand gebe es genug.
„Das Hotel ist ok und der Besitzer wirklich freundlich und hilfsbereit, aber wir würden gerne wissen, ob wir uns um eine neue Wohnung oder eine Ferienwohnung kümmern müssen.““
Die Situation sei außerdem noch kritischer geworden, weil die LEG anfangs noch die Kosten für die Notunterkünfte übernommen habe. Seit einer Woche sollen die Schmidts nun das Geld für die Hotelunterbringung selbst zahlen. „Wie sollen wir das auf Dauer machen? Keiner fühlt sich zuständig, das ist eine menschliche Katastrophe“, findet Elke Schmidt.
Vermieter LEG will „schnelle, pragmatische“ Lösung
Auf Nachfrage unserer Redaktion erklärt Mischa Lenz, Sprecher des Wohnungsunternehmens LEG: „Wir tun unsererseits alles dafür, eine schnelle pragmatische Lösung im Sinne aller Beteiligten, insbesondere unserer Kunden, zu finden und umzusetzen.“ Dafür setze man sich mit einem Team vor Ort ein und gehe direkt auf alle Betroffenen und Beteiligten zu. „Gleichzeitig bitten wir alle um Verständnis dafür, dass diese Situation ein absoluter Einzelfall ist, den wir bislang in dieser Form noch nicht erlebt haben.“ Die Situation sei auch für die LEG „herausfordernd“, denn man sei auch selbst Geschädigter. „Wir erhalten bislang keine Unterstützung und Lösungsvorschläge von Seiten des Schadenverursachers.“
„Die LEG ist der zweitgrößte Vermieter, ein börsennotiertes Unternehmen und entsprechend potent. Die LEG macht sich einen schlanken Fuß.““
Peter Heß vom Mieterschutzbund Duisburg, sieht die LEG dennoch in der Verantwortung, „Die LEG ist der zweitgrößte Vermieter, ein börsennotiertes Unternehmen und entsprechend potent. Die LEG macht sich einen schlanken Fuß, indem sie die Fälle alle einzeln betrachtet.“ Es sei Sache des Vermieters, den Betroffenen möglichst schnell Ersatzwohnraum zur Verfügung zu stellen. Und dass die Informationen die Mieter nur spärlich erreichen, sieht Heß ebenfalls kritisch. Elke Schmidt bestätigt: „Unser letzter Kontakt zur LEG bestand am 8. November, als sie ankündigte, die Kosten nicht mehr zu übernehmen.
„Wohnen in Harmonie und Komfort“ in Wanheimerort
An dem Bauzaun an der Düsseldorfer Straße/Ecke Nikolaistraße hängt noch die Werbung für das Nikolaieck. „Wohnen in Harmonie und Komfort“ verspricht die Baufirma. 15 stilvolle Eigentumswohnungen und drei Penthouse-Wohnungen sollen hier entstehen. Allerdings ziehen sich die Bauarbeiten schon länger hin. Zwischendurch wurden sogar der Kran und andere Baufahrzeuge wieder entfernt.
2023 kamen Gerüchte auf, dass damals schon Risse in Nachbarhäusern entstanden sein sollen. Dies wurde von den Verantwortlichen allerdings dementiert. Gestiegene Baukosten seien der Grund, warum die Baustelle pausierte. Projektverantwortlich ist laut Impressum die Firma „Syo Bau“ aus Meiderich. Auch an einem anderen Gerücht scheint nichts dran zu sein. In Wanheimerort munkelt man, dass die Syo längst Pleite sei und Insolvenz angemeldet habe. Rolf Rausch, Sprecher des Duisburger Amtsgerichts, erklärt: „Uns liegt nichts vor, auch kein laufendes Insolvenzverfahren.“
Stadt Duisburg: Bewohner dürfen das Haus nicht mehr betreten - auch nicht kurz
Ein Sprecher von Syo meldet sich auf Nachfrage und betont: „Ich stehe definitiv im Austausch mit der LEG zu dem Problem auf der Düsseldorfer Straße 466. Diese wurden allerdings nicht durch mich verursacht, sondern durch eine Bauunternehmung, die mit den Unterfangungsarbeiten beauftragt wurde. Schäden wurden bis jetzt von niemanden festgestellt, es handelt sich lediglich um Vorsichtsmaßnahmen der Stadt Duisburg.“
Stadtsprecher Falko Firlus erklärt allerdings, dass die Vorsichtsmaßnahme gerechtfertigt sei. „Zur Beurteilung der Standsicherheit des Gebäudes hat die Untere Bauaufsicht der Stadt Duisburg einen staatlich anerkannten Sachverständigen hinzugezogen. Dabei stellte sich heraus, dass die Giebelwand und das Gebäude nicht mehr ausreichend standsicher sind, da die benachbarte Baugrube die Fundamente des Hauses soweit freigelegt hat, dass sie nicht ausreichend gegen Abrutschen oder Setzung bei Erdarbeiten gesichert sind.“
Die Stadt Duisburg habe nur obdachlosen Personen gegenüber eine Unterbringungspflicht, nicht für die geräumten Mieter dieses Gebäudes. Bei drohender Obdachlosigkeit könne den Mieterinnen und Mietern aber eine kostenpflichtige Unterbringung in Notunterkünften in Form einer Wohnung oder Ferienwohnung angeboten werden. „Bislang wurde dieses Angebot nicht angenommen, weil der Wunsch nach Rückkehr in die bisherige Wohnung im Vordergrund steht.“
Schlechte Nachrichten: Lösungssuche zieht sich hin
Es sei nun der Schadensverursacher in der Pflicht, Sicherungsarbeiten durchzuführen und gutachterlich klären zu lassen, was konkret umgesetzt werden müssen. Die Zeitschiene zu bestimmen, obliege somit dem Verursacher und dem Eigentümer. „Die Stadt arbeitet mit Hochdruck an einer Lösung, insbesondere der Umsetzung der Sicherung des Gebäudes. Wenn der für das Gebäude verantwortliche Eigentümer die Sicherung nicht kurzfristig selbst umsetzt, wird seitens der Unteren Bauaufsicht ein Verfahren zur Ersatzvornahme eingeleitet“, so Firlus.
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Für Familie Schmidt und die anderen Nachbarn sind das keine guten Nachrichten. Auch eine „zeitweise Nutzung“ des Gebäudes sei laut Stadt nicht möglich. Die Mieter können also keine weiteren Klamotten und Habseligkeiten aus ihren Wohnungen holen. Der Slogan „LEG. Gewohnt gut“ klingt mittlerweile wie Hohn in ihren Ohren.