Duisburg. Mit Anfang 20 führen zwei Duisburgerinnen Traditionsbetriebe im Handwerk. Sie berichten von Vorurteilen, fiesen Sprüchen – und wie sie reagieren.

Sie verhandeln mit Großkunden, stellen Mitarbeiter ein und werden laut, wenn es sein muss. Isabel Bongartz und Elena Rentzsch zeigen älteren Kollegen schon mit Anfang 20, wo es langgeht. Sie sind Chefinnen in ihren Betrieben, mit bald drei Berufsabschlüssen in der Tasche. Und doch, es hapert häufig mit dem Respekt des (meist männlichen) Gegenübers.

„Manche Kunden denken, mit einer so jungen Frau könne man doch keinen Vertrag abschließen“, greift Isabel Bongartz, 23 Jahre alt, ein Vorurteil heraus. „Wenn mein Vater danebensteht, spricht überhaupt keiner mit mir.“ Ein Phänomen, das auch die 21-jährige Elena Rentzsch kennt: „Es ist oft schwer, von Männern ernst genommen zu werden.“

Zwei junge Frauen führen Handwerksbetriebe im Duisburger Westen

Als hätten es Frauen in Führungspositionen nicht schon schwer genug, gehen die beiden jungen Duisburgerinnen einen besonders harten Weg. Sie übernehmen die Unternehmen ihrer Väter, keine hippen Digital-Start-ups, sondern Handwerksbetriebe mit jahrzehntelanger Tradition im Duisburger Westen.

Isabel Bongartz führt den Malerbetrieb der Familie aus Rumeln-Kaldenhausen – bald sogar als alleinige Geschäftsführerin.
Isabel Bongartz führt den Malerbetrieb der Familie aus Rumeln-Kaldenhausen – bald sogar als alleinige Geschäftsführerin. © FUNKE Foto Services | Daniel Attia

Mit dem Namen Bongartz verbinden viele Menschen aus Rumeln-Kaldenhausen den gleichnamigen Malerbetrieb, den es schon seit 1887 gibt. Isabel Bongartz führt das Unternehmen in der fünften Generation. Inhaber Johannes-Peter Bongartz gibt die Firma in den kommenden Jahren komplett an seine Tochter ab, „auch um den Kunden zu zeigen, dass ich jetzt die Chefin bin“, sagt die 23-Jährige.

Im kommenden Jahr wird Elena Rentzsch Geschäftsführerin der Zimmerei und Dachdeckerei, die ihr Großvater vor 51 Jahren in Rumeln gegründet hat. Bislang deutet im Firmennamen „Günter Rentzsch & Sohn“ zwar noch nichts auf die erste Frau an der Betriebsspitze hin. „Aber wir überlegen schon, wie wir das ändern“, erzählt die 21-Jährige.

Junge Chefinnen haben den Beruf selbst gewählt

Dass sie heute Chefinnen in Branchen sind, die von Männern dominiert werden, haben sie sich beide selbst ausgesucht. Die Väter hätten weder Druck ausgeübt noch viel Mitspracherecht gehabt. „Mein Vater war sogar dagegen, dass ich eine Dachdecker-Ausbildung mache und den Betrieb übernehme“, sagt Rentzsch. Sie selbst wollte lange zur Polizei oder zum Zoll, entschied sich aber um, als es Richtung Studium ging.

„Anfang 20, eine Frau und dann auch noch die Tochter vom Chef – damit hatte ich schon oft zu kämpfen.“

Elena Rentzsch
Chefin einer Zimmerei und Dachdeckerei

So war es auch bei Isabel Bongartz, die früher Architektin werden wollte. „Bei einem Architekturstudium hätte ich bei null anfangen müssen. Deswegen wollte ich lieber den Familienbetrieb übernehmen.“ Die Berufe seien immerhin ähnlich: „Auch Malermeister können zum Beispiel großen Einfluss auf die Inneneinrichtung nehmen.“

„Die hat doch ihre Tage“ – So kontern Duisburgerinnen fiese Sprüche

Für die beiden ist es ein harter Kampf in der Männerdomäne. „Anfang 20, eine Frau und dann auch noch die Tochter vom Chef – damit hatte ich schon oft zu kämpfen“, berichtet Elena Rentzsch. Schon in der Ausbildung hätten Jungs bei ihr viel strenger nach Fehlern gesucht als bei anderen Jungs.

Auch Kunden oder ältere Kollegen seien ihr gegenüber schon mal skeptischer als im Gespräch mit ihrem Vater. „Ich versuche, in solchen Fällen mit fachlicher Kompetenz zu punkten. Auf Fragen gebe ich lückenlose, gefühlt stundenlange Antworten, wenn es sein muss.“

Dachdeckerin Elena Rentzsch leitet einen Familienbetrieb aus Rumeln-Kaldenhausen. Auch im Firmennamen soll die Chefin bald auftauchen.
Dachdeckerin Elena Rentzsch leitet einen Familienbetrieb aus Rumeln-Kaldenhausen. Auch im Firmennamen soll die Chefin bald auftauchen. © FUNKE Foto Services | Daniel Attia

Malermeisterin Isabel Bongartz stellt dasselbe fest, und zwar auch schon seit der Ausbildung. „Die Jungs mochten mich, aber handwerklich hat mich niemand ernst genommen.“ Bei praktischen Prüfungen hätten ihr ihre Mitschüler nie mehr als eine Note drei zugetraut. „Am Ende habe ich die Meisterprüfung als Kursbeste bestanden. Die Gesichter der anderen zu sehen, war einer der schönsten Momente überhaupt.“

Doch die Vorurteile enden nicht mit der abgeschlossenen Ausbildung. Bongartz nennt eine Situation auf der Baustelle als Beispiel: „Wenn der Bauleiter mal laut wird, sagen viele: ‚Jetzt hat er sich durchgesetzt.‘ Wenn ich im selben Ton laut werde, bin ich plötzlich zickig.“ Ein Satz, den beide bereits hörten: „Die hat doch ihre Tage.“

Hartes Studium – „Wir sind nicht einfach so in den Vaterbetrieb reingerutscht“

Es sei schwer gewesen, sich den Respekt der Jungs und Männer zu erarbeiten. Davon berichten beide Chefinnen, obwohl sie den männlichen Kollegen mit Blick auf die Qualifikationen in nichts nachstehen und obendrauf eine Menge Freizeit für die Firma opfern. „Viele glauben nicht, wie viel Stress dahintersteckt. Wir sind nicht einfach so in den Vaterbetrieb reingerutscht“, stellt Bongartz klar.

Nach dem Abi am Albert-Einstein-Gymnasium in Rumeln starteten die beiden ein sogenanntes triales Bachelorstudium an der Hochschule Niederrhein. Zweieinhalb Jahre Ausbildung, dann die Meisterprüfung, parallel zehn Semester Studium – so kommen sie auf drei Abschlüsse in fünf Jahren. Bongartz ist damit praktisch durch, Rentzsch zieht nächstes Jahr nach.

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Über fünf Jahre hatten sie montags bis freitags eine Vollzeit-Ausbildung auf der Baustelle. Freitagnachmittags ging’s zur Uni, samstags standen Seminare an. Und am Sonntag wurden die Aufträge der kommenden Woche vorbereitet oder gelernt. „Studentenpartys kennen wir aus der Zeit nicht“, meint Isabel Bongartz.

Chefinnen wünschen sich mehr Frauen im Handwerk: „Man muss sich nicht verstellen“

Dass deutlich mehr Männer als Frauen ins Handwerk wollen, haben sie mehrfach gemerkt. Bongartz traf auf zwei weitere Frauen im Ausbildungsbetrieb und auf eine Studentin im ersten Semester. Rentzsch hatte eine Kollegin in der Ausbildung und drei Kommilitoninnen im ersten Semester. Die beiden Duisburgerinnen sind aber die einzigen Frauen aus ihren Jahrgängen, die das Studium durchziehen.

„Man muss sich nicht verstellen. Die empathische Art, die viele Frauen mitbringen, wird oft wertgeschätzt.“

Isabel Bongartz
Chefin eines Malerbetriebs

Sie wünschen sich, dass sich mehr junge Frauen in die Männer-Branchen trauen und dort auch Führungspositionen übernehmen. „Man muss sich nicht verstellen. Die empathische Art, die viele Frauen mitbringen, wird oft wertgeschätzt“, findet die Malermeisterin. Sie habe in ihrer Firma festgestellt, dass jeder der 20 Mitarbeiter einen anderen Führungsstil, aber vor allem ein offenes Ohr der Chefin braucht.

Auch Dachdeckerin Elena Rentzsch kommt in ihrer Firma mit fünf Angestellten mit einem freundlichen Ton weiter. „Ich selbst hätte auch gar keine Lust darauf, nur herumkommandiert zu werden.“ Ihr Tipp an junge Kolleginnen: „Wir sollten den Männern ruhig öfter sagen, wie es geht, denn gerade die Feinarbeit können wir meistens besser.“

>> Handwerk: In wenigen Betrieben haben Frauen das Sagen

  • Frauen sind in vielen Handwerksberufen in Deutschland deutlich in der Unterzahl, wie aktuelle Zahlen zeigen. 2023 machten sie nur gut zehn Prozent aller Erwerbstätigen im Handwerk aus. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts hat sich dieser Anteil seit den 1990ern nur wenig verändert.
  • Auch in den Spitzenpositionen sind Frauen eine Seltenheit. Das zeigen Zahlen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH).
  • Zwar wird durchschnittlich jeder vierte Handwerksbetrieb in Deutschland von einer Frau (mit)geführt. Doch Berufe wie die Kosmetikerin, Friseurin und Reinigungskraft ziehen diesen Schnitt deutlich nach oben.
  • Im Bauhaupt-, Ausbau- und Kfz-Gewerbe liegt der Geschäftsführerinnen-Anteil jeweils deutlich unter zehn Prozent. In nur gut sechs Prozent sowohl aller Dachdecker- als auch Maler- und Lackierer-Betriebe haben Frauen das Sagen.