Duisburg. Bitterer Abschied von St. Norbert in Duisburg: Beim letzten Gottesdienst fließen in der vollen Kirche viele Tränen. Menschen teilen intime Erinnerungen.

Es ist das Haus der schönen Erinnerungen, ein Stück Heimat für die Seele. Das alles bricht jetzt weg. Zur letzten Messe in St. Norbert in Obermarxloh zu gehen, zerreißt vielen das Herz. Die Duisburger Kirche stand für Trost, Freude und Gemeinschaft. Das alles ist jetzt Vergangenheit und treibt vielen die Tränen in die Augen. Jetzt schlossen sich die Pforten für die katholische Gemeinde für immer.

Auf dem Norbertuskirchplatz treffen sich schon weit vor Beginn der letzten Messe die Gläubigen. Es scheinen sich alle zu kennen. Ein freundlicher Gruß, Umarmungen, Erinnerungen werden wach. Auch viele, die längst nicht mehr in direkter Nähe wohnen, haben sich an diesem Novembernachmittag auf den Weg gemacht, um sich von ihrer Kirche, ihrer Heimat, zu verabschieden.

„Es ist bitter, in Duisburg gibt es immer mehr Moscheen und immer weniger katholische Kirchen. Aber, die Katholiken kämpfen ja auch nicht, die lassen alles mit sich machen“, sagt eine Kirchgängerin, die ihren Namen nicht nennen möchte. Die geborene Duisburgerin Wilma (83) ist Mitglied von St. Norbert seit 2009. „Wir hatten so eine tolle Gemeinde, so schöne Nachmittage zusammen. Diese Entwicklung ist ein Jammer“, stellt sie fest.

Letzte Messe in Duisburger Kirche St. Norbert: „Ich könnte kaputtgehen“

Auch Alfred Golombeck kann es kaum fassen. „Ich habe die Geschichte dieser Kirche hautnah miterlebt. Sie wurde ja nach dem Krieg 1956 wieder eröffnet. „Meine Großeltern wohnten noch hier. Meine Eltern sind 1945 von Schlesien hierhin geflüchtet“, erzählt er. Er hält eine Kopie der Urkunde in den Händen. Die hat er über alle Jahrzehnte wie ein Heiligtum aufbewahrt. „Heute, am XVI. Dezember, III. Adventsonntag, Gaudete, im Jahre des Heils 1956 legen wir den Grundstein unserer im Kriege zerstörten St. Norbertus-Pfarrkirche.“ Er hält das Papier wie einen Schatz in den Händen. „Vielleicht möchte es ja jemand sehen“, hofft er. Die Urkunde, die dann mit eingemauert wurde, habe er damals auf Pergament selbst geschrieben, erklärt er und kann es nicht fassen, dass wieder ein Stück Duisburger Geschichte wegbricht.

Rita Scheuer sagt bitter: „Ich könnte kaputtgehen.“ Auf dem Foto sind auch Oliver Keßler (mitte) und ihr Sohn Thomas (links) zu sehen.
Rita Scheuer sagt bitter: „Ich könnte kaputtgehen.“ Auf dem Foto sind auch Oliver Keßler (mitte) und ihr Sohn Thomas (links) zu sehen. © Eva Arndt


„Ich könnte kaputtgehen“, gibt Rita Scheuer zu, die mit ihrem Sohn Thomas zur letzten Messe gekommen ist. „Hier liegt mein ganzes Leben. Taufe, Kommunion, Firmung, Hochzeit – alles. Aber, es gab ja gar nichts mehr zu kämpfen, die Kirche hat ja alles beschlossen“, bedauert die 81-Jährige.

Auch Oliver Keßler kennen sie alle. Er steht an der schweren Holztür der Kirche und hält vielen älteren Besuchern, die körperlich nicht mehr so fit sind, die Türe auf. Dafür bekommt er immer mal einen kleinen Obolus. Auch für ihn ist der Ort ab sofort keine Anlaufstelle mehr.

Glocken läuten zum letzten Mal

„Es geht in Deutschland doch alles den Bach runter“, sagt Helene, die mit ihrer Freundin Gabriele Dittrich gekommen ist. Auch für sie hängen viele Erinnerungen an dem Gotteshaus. „Jetzt wird die Kirche der russisch-orthodoxen Kirchengemeinde gehören. Vielleicht kann man die Kirche dann ja noch mal besuchen“, hofft Helene. Das Problem seien ja auch die Gläubigen selbst, sagen viele. Wenn niemand mehr in die Kirche gehe, dann müsse man sich nicht wundern, wenn die Gebäude verkauft oder abgerissen würden.

Christel Tomczak, die jetzt in Laar wohnt, ist „einfach nur traurig.“ Auch die 86-Jährige hat in St. Norbert viele prägende Lebensstationen erlebt, wurde getauft und gefirmt, hat geheiratet. „Hier bleibt ein Stück meines Lebens“, sagt sie. Auch Ilona Wersdorfer (77) und Cäcilie Kurk (86) haben sich auf den Weg zur Kirche gemacht. „Ich fühle mich jetzt irgendwie verloren und muss mich neu orientieren. Es zieht einen runter, es bricht ein Stück meines Lebens weg“, bekennt Ilona Wersdorfer.

Der Kirchenchor stimmte am Samstagnachmittag das letzte Lied an.
Der Kirchenchor stimmte am Samstagnachmittag das letzte Lied an. © Eva Arndt

Auch für das Ehepaar Gisela (72) und Peter Harlozynski ist der Gang zur letzten Messe nicht einfach. Die beiden waren zwölf Jahre das Hausmeisterehepaar „Alle vier Kinder waren in St. Norbert Messdiener.“

Als am Samstag um 17 Uhr die Glocken läuten und der Kirchenchor die ersten Lieder anstimmt, fließen in der fast voll besetzten Kirche bei vielen die Tränen. St. Norbert ist für die katholische Kirche in Duisburg jetzt Geschichte.