Duisburg. Hat die Polizei im Mordfall Duisburg-Rahm folgenschwere Fehler gemacht? Die Staatsanwaltschaft bestätigt Ermittlungen – wegen fahrlässiger Tötung.

  • Überraschende Entwicklung im Mordfall Duisburg-Rahm: Die Staatsanwaltschaft Duisburg ermittelt wegen fahrlässiger Tötung – gegen Polizeibeamte
  • Der Sohn der erschossenen Frau erhebt schwere Vorwürfe gegenüber den Einsatzkräften
  • Hat das Verhalten der Polizisten strafrechtliche Relevanz?

Überraschende Entwicklung im Mordfall Duisburg-Rahm: Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat bestätigt, dass sie gegen Polizeibeamte wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Laut Staatsanwaltschaft werde aktuell geprüft, ob das Verhalten der mit den Einsätzen befassten Beamten strafrechtliche Relevanz aufweist. Zuvor hatte der Sohn des 69 Jahre alten Todesopfers den Einsatzkräften schwere Vorwürfe gemacht.

Denn Fakt ist: Am 1. Oktober, drei Tage bevor die Rahmerin mit zwei Schüssen von ihrem Ehemann in der gemeinsamen Wohnung an der Straße Am Weidengraben erschossen wurde, hatte sie ihren Mann bei der Polizei wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Beleidigung und Bedrohung angezeigt. Beide waren seit circa zehn Jahren verheiratet, hatten Kinder aus früheren Beziehungen.

Mord in Duisburg-Rahm: brisante Neubewertung durch Polizisten

Der Sohn der getöteten Duisburgerin hatte der Redaktion schon die Vorgeschichte zur Eskalation offenbart. In der Handtasche seiner Mutter hatte er die Anzeige gegen den Ehemann (68) gefunden. Den Einsatz vom 1. Oktober hatte auf Nachfrage schließlich auch die Duisburger Polizei bestätigt.

Unerwähnt blieb seitens der Duisburger Polizei aber die Tatsache, dass gegen den Ehemann, einen registrierten Waffenbesitzer, zunächst eine Wohnungsverweisung mit Rückkehrverbot verhängt wurde. „Nach erneuter Bewertung der Verhältnisse vor Ort und der Erforderlichkeit dieser Maßnahme durch weitere Polizeibeamte wurde auf die Verhängung und Vollstreckung schließlich jedoch verzichtet“, sagt Staatsanwältin Duygu Dişçi-Semer.

Am Tattag rückte die Duisburger Polizei mit einem Spezialeinsatzkommando aus.
Am Tattag rückte die Duisburger Polizei mit einem Spezialeinsatzkommando aus. © WAZ

Wann genau diese Neubewertung der eingesetzten Beamten stattgefunden hat, teilt die Staatsanwaltschaft Duisburg nicht mit. Genauso wenig bestätigt die Polizei einen Einsatz in der ruhigen Wohngegend vom 3. Oktober. Hat die „Neubewertung des Sachverhaltes“ demnach einen Tag vor dem Mord und dem anschließenden Selbstmord des 68-jährigen Ehemannes stattgefunden?

Weiter offen bleibt auch die Frage, warum dem Mann die Schusswaffen nicht entzogen wurden. Laut Aussage des Sohnes sei die Wohnung voller Schusswaffen samt Munition, die im Keller selbst hergestellt wurde.

Polizisten machten Neubewertung aktenkundig

Die Staatsanwältin erklärt, dass nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung Polizeibeamte verpflichtet seien, im Rahmen der Gefahrenabwehr verhängte Maßnahmen jederzeit stets aktuell zu bewerten und ihre dabei zu treffende Ermessenserwägung – auch nachträglich – auf ihre Aktualität hin zu überprüfen. „Auch in diesem Fall ist es nachträglich zu einer Neubewertung des Sachverhaltes durch die Polizeibeamten vor Ort gekommen“, so die Staatsanwältin weiter. Diese Neubewertung hätten die eingesetzten Beamten auch unmittelbar aktenkundig gemacht.

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Für den Sohn der Ermordeten ist diese Entscheidung nicht nachzuvollziehen. „Meine Mutter hatte große Angst vor ihrem Mann, wie kann man dann darauf verzichten, ein Rückkehrverbot zu vollstrecken? Meine Mutter wollte doch Schutz, sonst hätte sie ihn doch nicht angezeigt.“

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Ob das Verhalten der Polizeibeamten strafrechtlich relevant ist und ob es „(alternative) Maßnahmen“ gegeben hätte, ist aktuell Gegenstand der noch andauernden Ermittlungen.