Duisburg. Eine Wasserstoffleitung von Dorsten nach Duisburg-Hamborn ist geplant. Naturschützer kämpfen gegen eine „Riesenschneise“ durch den Driesenbusch.

Deutschlands größter Gas-Transporteur Open Grid Europe (OGE) will zusammen mit Thyssengas in Duisburg den Stahlkonzern Thyssenkrupp als Großabnehmer mit Wasserstoff versorgen. Die dafür geplante Leitung soll gut 39 Kilometer lang werden und von Dorsten über Oberhausen nach Hamborn verlaufen. Im Stadtbezirk Walsum möchte die OGE ihre neue Wasserstoffleitung quer durch den Driesenbusch verlegen. Gegen diese Trassenführung wehren sich Naturschützer entschieden.

„Grundsätzlich ist die Notwendigkeit der Leitung für die Energiewende zweifellos gegeben“, schickt Dr. Johannes Meßer, Vorsitzender des Beirats der Unteren Naturschutzbehörde, vorweg. Das Gremium und ebenso der BUND Duisburg, der Meßer als Umweltexperten in den städtischen Beirat entsandt hat, werfen Open Grid Europe vor, bei der Trassenplanung unnötig viel Wald zu opfern. Diese sehr wichtige Wasserstoffleitung befreie die OGE nicht davon, den Eingriff in die Natur zu minimieren. Daran ändere auch nicht, dass die Leitung mithelfen soll, Deutschland bis 2035 von Erdgas zu trennen.

„Gigantischer Eingriff in den Waldbestand“: Wasserstoffleitung bedroht den Driesenbusch in Walsum

„Grundlage des Raumordnungsverfahrens war, dass Waldflächen geschont werden sollen. Dies wird mit dem Vorgehen auf dem Duisburger Abschnitt in besonders krasser Weise missachtet“, führt Meßer in einer Stellungnahme des Beirats aus, die an die Bezirksregierung in Düsseldorf gerichtet ist. Dies ist eine offizielle Einwendung im laufenden Planfeststellungsverfahren für die Wasserstoff-Pipeline.

„Das ist ein gigantischer Eingriff in den Waldbestand“, erläutert der Beiratsvorsitzende die Einwände im Gespräch mit der Redaktion. Der 50 Hektar große Wald werde durch die aktuellen Planungen zweigeteilt, weil diese „eine Riesenschneise“ durch den Driesenbusch vorsehen. Die OGE benötigt eine Arbeitsschneise von 21 Metern, um die Leitung zu verlegen. Diese Schneise soll in das Walsumer Landschaftsschutzgebiet gerodet werden und circa 2,4 Hektar Wald vernichten.

Die fertige, unterirdische Wasserstoffleitung bekommt dann einen zehn Meter breiten Schutzstreifen, auf dem zwar wieder Pflanzen wachsen dürfen, aber nie wieder Bäume. Deren Wurzeln könnten die Leitung beschädigen. Durch den Schutzstreifen, der dann über einen Kilometer durch den Driesenbusch führt, sollen der Pipeline dauerhaft 0,6 Prozent des Baumbestandes geopfert werden.

Diese von Open Grid Europe vorgelegte Trassenplanung durch den Driesenbusch empfindet Johannes Meßer als „unfassbar“ und „haarsträubend“. Damit spricht er vielen Duisburger Umweltschützern aus der Seele. Geradezu wütend ist der Beirat über die Aussage von OGE im Erläuterungsbericht zu dem Mammutprojekt, es habe sich „keine alternative Trasse aufgedrängt“.

Tatsächlich wägt Open Grid Europe die Eingriffe in die Natur mit weiteren Faktoren ab. Dabei spielen auch die Kosten für das Bauprojekt eine Rolle. Für die Wasserstoff-Pipeline von Dorsten bis Hamborn, die wegen ihrer Endpunkte auch „DoHa“-Leitung genannt wird, sind mindestens 100 Millionen Euro eingeplant.

Trassenplaner beteuert: „Den Eingriff in den Driesenbusch können wir nicht verhindern“

Stets hat das Unternehmen aus Essen betont, dass ihm geringe Eingriffe in die Natur wichtig seien. „Den Eingriff in den Driesenbusch können wir nicht verhindern“, erläuterte bereits im Frühjahr ein OGE-Trassenplaner und erklärte Konflikte mit einem am Driesenbusch geplanten Umspannwerk. Somit müsse die Leitung quer durch den Wald.

Den Streckenverlauf beeinflussen sogenannte Raumwiderstände. Fachleute bezeichnen damit, wie schwierig es ist, ein Infrastrukturprojekt durchzusetzen und berücksichtigen geologische, ökologische, bautechnische und soziale Belange. Behörden können dabei andere Kriterien anlegen und andere Bewertungen vornehmen als die Antragsstellerin OGE. So auch die Bezirksregierung Düsseldorf.

Bezirksvertretung in Duisburg-Walsum missfällt die Pipeline mitten durch Landschaftsschutzgebiet

Fest steht bereits: Der Bezirksvertretung Walsum missfällt ebenfalls, dass die Pipeline mitten durch den Driesenbusch führen soll. Schon im März hatte das Gremium Open Grid Europe bei einer Projektvorstellung im Walsumer Bezirksrathaus gebeten, das „Wegenetz bestmöglich zu nutzen“, um möglichst wenig Bäume zu opfern.

Dieser Bitte aus dem Stadtteilparlament wollte die OGE nach eigenen Angaben nachkommen. Jedoch bewerten die Naturschützer in Duisburg diese Aussage jetzt mit Blick auf die eingereichten Unterlagen als Lüge. Die Trasse orientiere sich keineswegs am Wegenetz.

Naturschützer legen Alternativvorschlag für die Wasserstofftrasse vor

Anders als ein alternativer Vorschlag, den der Beirat der Unteren Naturschutzbehörde kürzlich in seiner Stellungnahme vorlegt. Dieser Gegenvorschlag nutze „nahezu vollständig vorhandene Wege“ und führt durch den südlichen Waldteil, wo gebietsfremde Robinien stehen, die eine geringe Wertigkeit besäßen als der übrige Baumbestand in dem Wald. Dadurch minimiere diese alternative Trassenführung gleich mehrfach den Eingriff in die Natur. Im Gegensatz zu dem OGE-Plan, eine Schneise diagonal durch den Driesenbusch zu roden.

Duisburgs Naturschützer fordern, dass sich die neue Wasserstoffleitung mehr an den Wegen orientierten muss. So sollen viele Bäume gerettet werden.
Duisburgs Naturschützer fordern, dass sich die neue Wasserstoffleitung mehr an den Wegen orientierten muss. So sollen viele Bäume gerettet werden. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

„In 40 Jahren hat sich noch niemand getraut, quer durch den Wald zu pflügen“, ärgert sich Johannes Meßer gegenüber der Redaktion. Außerdem berücksichtige die OGE den Artenschutz nicht. So brüten drei Waldkauz-Pärchen im Diesenbusch, die keine Ausweichmöglichkeiten haben, wenn ihr Brutplatz wegfällt. Das Risiko, dass diese Brutpaare durch die geplante Rodung beeinträchtigt werden, sei „sehr groß“.

Doch der Driesenbusch ist nicht das einzige Walsumer Landschaftsschutzgebiet, in dem für die Wasserstoffleitung Bäume gerodet werden sollen. Betroffen ist auch der Ruloffsbusch westlich der A59. Darin sollen für den Waldarbeitsstreifen vor allem ältere Stieleichen gerodet werden. Der Baumbestand werde dadurch, rechnet Meßer vor, um gut zehn Prozent schrumpfen. In der Stellungnahme an die Bezirksregierung heißt es dazu: „Auch hier wird auf Teilstrecken ausdrücklich nicht der vorhandene Weg genutzt, sondern die Trasse in den Wald gelegt.“

Umweltschützer sind verärgert: Kahlschlag in Duisburgs Wäldern soll im Münsterland ausgeglichen werden

Die Zornesröte jagt aber ein weiterer OGE-Vorschlag den Naturschützern ins Gesicht. Open Grid Europe möchte den großen Kahlschlag im Driesenbusch und im Ruloffsbusch zwar ausgleichen. Die Waldkompensation soll jedoch nicht in Duisburg geschehen, sondern im Münsterland.

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„Duisburg ist eine der waldärmsten Kommunen und benötigt dringend mehr Wald“, betont Johannes Meßer und fordert zusammen mit dem Beirat der Unteren Naturschutzbehörde, dass die Kompensation in Duisburg erfolgt. Außerdem kämpft das Gremium dafür, dass der Eingriff in den Waldbestand so klein wie möglich wird. Dafür müsse sich die Trasse tatsächlich am bestehenden Wegenetz orientieren. Damit das geschieht, müssen die Behörden die OGE erst dazu zwingen.

Projektleiter stützt seine Trassenplanung auf Gutachten

Denn Projektleiter André Graßmann ist sich durchaus bewusst, dass es große Widerstände bei Trassen durch Wälder gibt. „Bei einer Wasserstofftrasse schreit niemand juhu“, sagte er der Walsumer Bezirksvertretung, betonte aber zugleich, dass „alle Auflagen von uns eingehalten“ werden und dass es für Natur- und Artenschutz entsprechende Gutachten gibt, die die Trassenführung ermöglichen. Außerdem formulierte er als Ziel, „möglichst wenige Einwände“ gegen die Trassenplanung zu erhalten.

Damit scheint der Widerstand der Naturschützerinnen und Naturschützer in Duisburg eingepreist zu sein.

>> Baubeginn ist für Frühjahr 2027 geplant

  • Der Baubeginn für die Wasserstoffleitung im Gebiet der Bezirksregierung Düsseldorf ist derzeit für März oder April 2027 geplant.
  • Der erste Wasserstoff soll dann Ende 2027 durch die „DoHa“-Leitung zu Thyssenkrupp im Duisburger Norden fließen.