Duisburg. Felix Banaszak will Vorsitzender der Grünen im Bund werden. Was das für seinen Wahlkreis in Duisburg bedeutet. Über Verluste. Und Gewinne.

Er grinst übers ganze Gesicht, ist bester Laune. Wenn alles nach Plan läuft, ist Felix Banaszak in drei Wochen Parteivorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, zusammen mit Franziska Brantner. Das bundesweite Medieninteresse am 35 Jahre alten Bundestagsabgeordneten ist groß. Färbt das ab auf seine Heimat Duisburg? Die Stadt wäre noch stärker als ohnehin schon in Berlin vertreten, wo sie auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, die Abgeordneten Mahmut Özdemir, Lamya Kaddor und Christian Leye repräsentieren. Was bedeutet das neue Amt für Banaszak persönlich, für Duisburg und seinen Wahlkreis?

Was hat Duisburg durch Ihren Karrieresprung zu gewinnen - und was zu verlieren?

Wenn ich gewählt werden sollte, werde ich Zeit für Duisburg verlieren, weil ich dann deutschlandweit im Einsatz bin. Aktuell bin ich „nur“ zwischen Berlin und Duisburg unterwegs und kann mich tief in Themen einarbeiten, die für Duisburg relevant sind, etwa die Problematik bei Thyssenkrupp Steel. Ich hoffe, dass ich so viel wie möglich davon beibehalten kann. Aber ich bekomme schon jetzt Anfragen aus dem ganzen Land, insbesondere für den Wahlkampf.

Gewinnen kann Duisburg einen Vertreter, der weiß, was eine Stadt, eine Region braucht, um im Strukturwandel erfolgreich zu sein. Ich habe mich in den letzten Jahren bemüht, Duisburg eine starke Stimme zu geben. Wenn die Duisburger Perspektive so prominent in einer Partei vertreten ist, bedeutet es, dass auch die Anliegen der Menschen dieser Stadt gehört werden. Deshalb haben sich auch außerhalb der SPD viele gefreut, dass Bärbel Bas Bundestagspräsidentin geworden ist. Duisburg hat in der Bundespolitik dadurch eine andere Rolle bekommen. Wenn es künftig eine weitere Person gibt, die eine herausgehobene Position hat, kann das der Stadt nur guttun.

War die Kandidatur eine Familienentscheidung? Ihre Frau arbeitet ebenfalls bei den Grünen, Ihr berufliches Engagement und der nächste Karriereschritt könnten aber Folgen haben für Ihr Zeitmanagement, für die Kinderbetreuung.

Ich kandidiere, weil es um uns Grüne nicht gut bestellt ist. Unser Ziel, unseren Kindern und Enkeln einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen, ist aktuell in der Defensive. Das Doofe beim Klima ist, dass es sich nicht dafür interessiert, ob wir darüber reden. Ich will Klimaschutz wieder nach vorne stellen – auch, damit meine eigene Tochter davon profitieren wird und ich mit meiner Arbeit auch etwas für ihre Zukunft tun kann. Klimaschutz ist das größte Gerechtigkeitsprojekt unserer Zeit. Aber ja, durch meine Entscheidung für das Amt verliere ich gleichzeitig auch Zeit mit ihr. Das war die schwierigste Abwägung von allen.

Weil das Berufsfeld Politik nicht familienfreundlich ist?

Oftmals leider nicht. Die Frage ist doch aber: Wollen wir nur Menschen in politischen Ämtern haben, die nicht wissen, was es heißt, Kinder zu haben, wochenlang einem Kinderarzttermin hinterherzutelefonieren, die Betreuung zu organisieren? Politik wird besser, wenn verschiedene Perspektiven zusammenkommen. 

Es gibt also nicht viel zu verlieren?

Es gibt vor allem viel zu gewinnen. Es ist eine Chance, die Geschichte dieses Landes, dieser Partei, in eine neue Richtung mitzuschreiben. Meine Erfahrungen werden mir helfen. 

„Diesmal gibt es keine Schonfrist“

Was macht Sie so optimistisch?

Ich bin Landesvorsitzender geworden, als wir unser Wahlergebnis halbiert hatten und fast aus dem Landtag geflogen wären. Die Frage stand im Raum, ob man die Grünen überhaupt noch braucht. Meine erste Amtshandlung war, in der Landesgeschäftsstelle zu gucken, welche Etagen wir vermieten müssen, um unseren Haushalt zu konsolidieren. Die Lage wurde zum Glück schnell besser. Das zeigt mir, dass man aus einem Tal schneller herauskommen kann, als man manchmal denkt. Es ist das Ergebnis harter Arbeit, aber auch eines Gespürs für Themen, für Sprache. Der Unterschied zwischen damals und jetzt ist: Wir waren in der Opposition, hatten vier Jahre Zeit, uns neu aufzustellen. Diesmal gibt es keine Schonfrist.

Felix Banaszak, designierter Vorsitzender der Partei Bündnis 90 die Grünen
Felix Banaszak, designierter Vorsitzender der Partei Bündnis 90 die Grünen, sagt, dass es ein gesellschaftliches Problem ist, wenn Politiker mit ihrem Engagement ihre Sicherheit gefährden. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Als neuer Parteivorsitzender müssen Sie direkt in den Wahlkampf springen. Wird Duisburg bis zur Bundestagswahl auf der Prioritätenliste auf Platz 2 rutschen?

Ich bin und bleibe gewählter Bundestagsabgeordneter für Duisburg. Und so wie Bärbel Bas Duisburger Abgeordnete geblieben ist, werde ich das auch bleiben. Duisburg ist meine Basis, politisch, menschlich. Ich nehme ganz viel Duisburg mit nach Berlin und in dieses Amt. Aber vierteilen kann ich mich nicht. Daher werde ich meine Wahlkreisarbeit dieser neuen Aufgabe anpassen. Gut ist, dass wir mit Lamya Kaddor und mir - anders als in anderen Städten - zu zweit im Bundestag vertreten sind. Ich werde wie beim letzten Mal Haustürwahlkampf machen und mich auf den Hamborner Altmarkt stellen.

Vertreter der Grünen wurden in letzter Zeit massiv angegangen, auf politischer Bühne, vor allem aber auch in den sozialen Netzwerken. Hat das Folgen für ihre Sicherheit und die Ihrer Familie?

Menschen, die mir in der Vergangenheit Morddrohungen geschrieben haben, mussten ziemlich hohe Strafen zahlen, da ich alles an die Polizei weitergebe. Es ist nicht hinnehmbar, dass sich Politiker aller Parteien fragen müssen, ob sie mit ihrem Engagement ihre Sicherheit gefährden. Das ist kein individuelles Problem, das ist ein gesellschaftliches Problem. Es kann keinen Demokraten, keine Demokratin kaltlassen, wenn sich in Teilen des Landes Menschen aus Sorge um ihre Sicherheit nicht mehr aufstellen lassen.

Folge seines künftigen Jobs: Keine Souveränität mehr über den Kalender

Durch das neue Amt, das Sie anstreben, werden Sie persönlich auch immer bekannter, erkennbarer.

Ich habe bei meiner Kandidatur gesagt, dass ich „all-in“ gehe. Ich mache es in dem Bewusstsein, dass ich Freiheit verliere, die Souveränität über meinen Kalender, Freiheit über Wochenenden und Abende, die Freiheit, anonym im öffentlichen Raum unterwegs zu sein. Das ist der Preis, den ich zahle, um eine spannende Aufgabe zu übernehmen. Es ist auch ein bisschen verrückt: Vor zehn Jahren hätte ich gelacht, wenn mir jemand diese Perspektive beschrieben hätte, selbst vor zehn Wochen. Aber jetzt bin ich klar entschieden und freue mich darauf.

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Was treibt Sie an, die Partei führen zu wollen?

Ich mache gern Politik und bin überzeugt, in der richtigen Partei zu sein. Mir wird Angriffslust und Freude an der politischen Auseinandersetzung, der zugespitzten Argumentation attestiert. Aber ich achte sehr darauf, in der Sache klar und unmissverständlich zu sein, aber nie unter die Gürtellinie zu gehen. Ich will mit dazu beitragen, dass die Grünen sich bei Angriffen nicht wegducken, sondern das Selbstbewusstsein haben, das ihnen zusteht.

Politische Kommunikation ohne Phrasen: „No Bullshit!“

Sie sind auf Instagram sehr aktiv, haben auch auf TikTok einen Kanal. Wie viel Banaszak steckt in diesen Profilen?

Ich wähle die Themen, schreibe alle Texte selbst. Mein Team schneidet die Videos. Mir geht es um ehrliche, aufrichtige und verständliche Sprache, und die will ich auch in mein neues Amt einbringen. Menschen haben ein feines Gespür dafür, ob sie für voll genommen werden oder nicht. Als Leitmotiv habe ich mir vorgenommen: „No Bullshit” – erzähl den Leuten keinen Scheiß. Das versuche ich im Netz genauso wie beim „Bier mit Banaszak“. Ich werbe für eine politische Kommunikation, die wegkommt von Phrasen und Allgemeinplätzen. Und zu TikTok: Die App habe ich auf einem separaten Handy installiert, damit die kommunistische Partei Chinas nicht meine Bundestagskorrespondenz mitliest. Aber wenn dort die jungen Menschen sind, dann müssen wir da auch sein.

Felix Banaszak, designierter Vorsitzender der Partei Bündnis 90 die Grünen
Abgerockt hat er schon länger nicht mehr, aber beim Bier in Duisburger Kneipen findet man ihn schon. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Sie waren DJ in der Tanzschule Oezer, waren Turniertänzer. Wann haben Sie das letzte Mal so richtig abgerockt?

Das ist eine gemeine Frage! Neben der Arbeit hat meine Familie oberste Priorität. Aber der letzte längere Abend im Graefen ist zum Glück nicht so lang her.

Haben Sie in Duisburg mehr als einen Koffer stehen?

Na klar. Duisburg ist ein zentraler Teil meines Lebens, meines Alltags. Ich habe meine Wohnung hier, der Großteil meiner Familie lebt hier. Eines der schönsten Geschenke für meine Tochter war übrigens ein Duisburg-Wimmelbuch. Schimanski erkennt sie darin sofort.

All-in haben Sie gesagt bei der Ankündigung für die Kandidatur, ist das Ihr Lebensmotto?

Ich bin keiner, der an der Seitenlinie steht. Ich bringe mich mit allem ein, was ich habe.

Und wie groß ist die Gefahr, dabei auszubrennen? Zuletzt hat sich Kevin Kühnert aus Gesundheitsgründen zurückgezogen.

Klar, Fälle wie der von Kevin Kühnert stimmen mich nachdenklich. Politik ist ein hartes, manchmal brutales Geschäft. Da ist es wichtig, bei sich zu bleiben. Ich habe eine große Resilienz, mein Umfeld begleitet mich kritisch-solidarisch und sagt mir auch: Felix, da bist du gerade auf dem falschen Weg. Das gibt mir Zuversicht und Kraft für das, was kommt. 

Ihr Karriereweg ist steil. Was kommt als Nächstes?

Ganz ehrlich? Vielleicht mache ich irgendwann ein Restaurant auf. Ich werde nicht in der Politik in Rente gehen. Aber jetzt kümmere ich mich erst mal um den kommenden Job.

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