Duisburg. Die Anwohner einer Siedlung leben im Schatten von Thyssenkrupp. Sie sagen, der begrünte Wall habe sie vor Lärm und Dreck geschützt. Was nun?

Die Bewohner der Elpersiedlung in Walsum leben im Schatten des Werks von Thyssenkrupp Steel. Nur ein Wall trennt die Wohnhäuser vom Stahlriesen. Der sorgt in dem Viertel gerade für erhöhten Puls: Bis vor Kurzem war der Wall bewaldet, nach einer Rodungsaktion sind Teile komplett vom Grün befreit. „Bis alle Bäume gefällt wurden, hat uns der Wall vor Lärm und Emissionen geschützt“, sagt Folkert Schulze-Kraasch. Jetzt hätten sich die Lebensbedingungen im Quartier verschlechtert. Außerdem kritisieren die Anwohner eine mangelnde Transparenz.

Anwohner ärgern sich darüber, dass der Wall im Duisburger Norden gerodet wurde

Der Grund für die Rodung ist der Bau der Querspange Walsum. Die Anwohner sagen, dass sie von der Aktion total überrascht worden seien, zumal sie auch noch in der Schonzeit passiert sei. „Für alle Rodungsarbeiten im Rahmen der Baumaßnahme, also auch für die auf dem Wall, liegen Genehmigungen der Unteren Naturschutzbehörde vor. Außerdem werden alle Rodungs- und Wiederaufforstungsarbeiten durch eine ökologische Baubegleitung eines externen Büros begleitet“, sagt ein Sprecher der Duisburger Infrastrukturgesellschaft (DIG), die von der Stadt mit der Planung und dem Bau der Umgehungsstraße beauftragt wurde.

Der Sprecher erklärt, was genau am Elperwall passiert: Die neue Umgehungsstraße durchschneide den bisherigen Wall und „trennt damit die Zuwegung auf den nördlichen Wartungsweg ab“. Bedeutet: Damit der bereits vorhandene Wartungsweg auf der Wallkrone angefahren werden kann, muss auf der anderen Seite des Walls, an dem sich die Elpersiedlung befindet, ein neuer Weg gebaut werden.

So sieht der Putzlappen aus, wenn Familie Beckmann über Flächen im Garten wischt.
So sieht der Putzlappen aus, wenn Familie Beckmann über Flächen im Garten wischt. © Claudia Beckmann

Es muss eine neue Zufahrtsstraße für den Wirtschaftsweg auf dem Wall gebaut werden

Bisher hatte sich dieser Weg auf der Seite von Thyssenkrupp befunden, dort sei aber kein Platz mehr. Die DIG versichert, im Bereich des Wendeparkplatzes Elperstraße Richtung Ackerstraße wären auf dem Wall genau so viele Bäume und Sträucher beseitigt worden, wie es nötig ist, damit sich die Baumaschinen sicher bewegen können.

Die Anwohner sagen, seit gerodet wurde, sei es in ihrer Siedlung lauter geworden. Außerdem beklagen sie einen verstärkten graphitartigen Niederschlag. Gegen beides sei der Wall enorm wichtig. Mario Bergmann wohnt mit seiner Familie seit 2018 in seiner unmittelbaren Nähe: Ihr Garten endet am Wall. „Im Augenblick können wir ständig putzen. Wenn die Kinder draußen rumlaufen, haben sie schwarze Füße“, berichtet er, wischt mit der Hand über eine Fensterbank und zeigt die schwarze Innenfläche: „Dabei haben wir erst gestern drübergewischt.“

Anwohner in Walsum beschweren sich über Rodungen
Gestern noch die Fensterbank geputzt, ist heute schon wieder graphitähnlicher Belag drauf. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

Bergmann hat bisher von seinem Haus auf den begrünten Wall geguckt, jetzt sieht er nur noch braune Erde. „Ich hoffe nicht, dass es noch schlimmer wird“, sagt er und schaut besorgt nach links, wo der Wall noch so aussieht, wie er immer war. Da kann die DIG beruhigen: Sobald der neue Weg fertig sei, wird „die Wallfläche wieder modelliert und unter Aufsicht der Fachabteilung der Stadt hochwertig aufgeforstet.“

Wahrscheinlich werde das schon im Frühjahr der Fall sein. Dann wird die Fläche rund um die etwa vier Meter breite Straße neu bepflanzt. In diesem Punkt sein man im Gespräch mit Thyssenkrupp, der Eigentümerin des Walls. „Hier läuft hier gerade die letzte Abstimmung. Vorgeschlagen sind unter anderem schnell wachsende Hecken und Heister. Die Bepflanzung erfolgt unter Aufsicht einer ökologischen Baubegleitung“, so der DIG-Sprecher.

Anwohner in Walsum beschweren sich über Rodungen
Der Garten der Bergmanns endet am Wall. Hier war vor wenigen Wochen noch alles grün. © FUNKE Foto Services | Alexandra Roth

„Die Bäume auf dem Wall waren sicher 40 Jahre alt“, sagt Anwohner Folkert Schulze-Kraasch, „es wird lange dauern, bis die alte Situation wieder da ist.“ Wie schlimm die Rodung wirklich für sein Viertel sei, könne er nicht abschätzen, aber „im Sommer, wenn Blätter an den Bäumen waren, war es hier immer schön ruhig. Es ist definitiv lauter geworden.“

Inzwischen hat es eine Informationsveranstaltung für die Anwohner gegeben. Die sei sehr emotional gewesen, berichtet Mario Bergmann. Einige seien nun etwas beruhigter, andere nicht. Ein Thema, das viele noch umtreibt, ist die Lärmbelästigung durch die Umgehungsstraße. „Tagsüber ist ein Schwellenwert von 59 dB zulässig. Das ist so laut wie ein Rasenmäher“, sagt Folkert Schulze-Kraasch. Davor graut es ihm.

>> Die wichtigsten Fakten zur Querspange Hamborn/Walsum

  • Die Querspange Hamborn/Walsum ist rund fünf Kilometer lang. Sie soll die A59 mit dem Logport VI und anderen Gewerbegebieten verbinden und Lkw im Duisburger Norden aus den Wohnvierteln heraushalten.
  • Der erste, 1100 Meter lange Abschnitt zwischen Autobahnabfahrt Fahrn (A59) und Weseler Straße ist mit der Fertigstellung der Fritz-Schupp-Straße bereits seit Juni 2023 befahrbar.
  • Der zweite Bauabschnitt ist etwa vier Kilometer lang. Eine der größten Herausforderungen bei dessen Umsetzung ist die Verlegung von Tor 5 von Thyssen Krupp im laufenden Betrieb. Dieses befindet sich in Nachbarschaft der Elpersiedlung.
  • 2027 soll das Projekt abgeschlossen sein. Umgesetzt wird es von zwei Firmen: der IHT Ingenieur-, Hoch- und Tiefbau GmbH aus Bochum und der Fonteyne Tief- und Straßenbau GmbH Bauunternehmung aus Geldern.
  • Die Baukosten werden sich voraussichtlich bei etwa 38 Millionen Euro einpendeln. Dazu kommen die Ausgaben für den Abbruch und die Ersatzpflanzungen. Weitere Infos: www.querspange-walsum.de