Duisburg. Über 1800 Euro für die Entfernung eines Wespennestes: Eine Firma kassiert bei einem Duisburger ab. Was jetzt über das Unternehmen ans Licht kommt.

1874,01 Euro, um ein Wespennest entfernen zu lassen? Ja, Mark Beuth aus Duisburg hat diese Summe tatsächlich bezahlt und ärgert sich bis heute maßlos darüber. Der Redaktion erzählt er, wie es gelungen sein soll, ihn zu überrumpeln.

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Vor einigen Wochen sucht der Familienvater aus Vierlinden über Google einen Kammerjäger, weil es unter seinem Dach ordentlich summt und sich ein veritables Wespennest gebildet hat. Sehr weit oben bei den Suchergebnissen entdeckt Beuth die Seibel GmbH & Co KG. Ein kurzer Anruf unter einer 0800-Nummer und eine gute Stunde später erscheinen zwei Kammerjäger der Haus- und Gebäudetechnik Nörenberg aus Gelsenkirchen, die über Seibel vermittelt worden sind.

Rechnung über 1800 Euro: Duisburger ärgert sich nach Kammerjäger-Einsatz

„Mich hätte schon stutzig machen sollen, dass die beiden mit einem privaten Pkw gekommen sind und nur einer in Arbeitskleidung, der andere im Jogginganzug“, sagt der Duisburger. „Schutzkleidung haben sie jedenfalls nicht bei der Arbeit getragen.“

Die Kammerjäger hätten das Wespennest zunächst begutachtet und dann mitgeteilt, dass es nicht umgesiedelt werden könne. Das Nest müsse mit Gift abgetötet und dann mit Schaum versiegelt werden. „Nach meiner Frage nach den Kosten sind mir schnell verschiedenste Zahlen an den Kopf geworfen worden“, sagt Beuth. „Ich hab das Ganze grob im Kopf überschlagen und bin auf 400 bis 500 Euro gekommen.“

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Er willigt ein, den Auftrag habe er auf dem Handy des Kammerjägers unterschrieben. „Ich muss zugeben: Was ich da genau unterschrieben habe, weiß ich leider nicht“, erklärt der Duisburger. „Nach gut 50 Minuten hat man uns mitgeteilt, dass die Arbeiten nun abgeschlossen seien und uns die Rechnung in Höhe von 1874,01 Euro präsentiert.“ Sie liegt der Redaktion vor. Die größten Kostenposten sind demnach die Arbeitszeit (insgesamt 499,09 Euro), die je angefangene Viertelstunde berechnet wird, und sechs Dosen eines K.o.-Wespensprays (570,49 Euro).

Bezahlung per Sofortüberweisung

„Die Rechnung hatte keine Steuernummer und die Mail dazu war in niederländischer Sprache verfasst, obwohl auf der Rechnung ja eine Firma aus Gelsenkirchen stand“, sagt Beuth. „Dies hätten alles weitere Alarmsignale sein müssen.“ Aber es sei alles so schnell gegangen. „Wir sollten sofort bezahlen und wurden dermaßen unter Druck gesetzt, dass wir schließlich per Sofortüberweisung bezahlt haben“, sagt er.

Doch ein schlechtes Gefühl bleibt. „Die Kammerjäger waren gerade raus, da habe ich meiner Frau gesagt, dass wir da sehr wahrscheinlich einen großen Fehler gemacht haben.“

Ein Eindruck, der sich in der Folge immer mehr bestätigt. Es fängt damit an, dass am nächsten Tag schon wieder reges Treiben im Wespennest ist. Der Duisburger versucht daraufhin, die Kammerjäger zu kontaktieren und schreibt der Firma Seibel eine Mail, bringt seinen Unmut zum Ausdruck – am Ende ohne zählbares Ergebnis, sagt er. Beuth schaut sich daraufhin die Haus- und Gebäudetechnik Nörenberg aus Gelsenkirchen bei Google noch mal genauer an. „Ich gehe mittlerweile davon aus, dass diese Firma nicht existiert.“

Wucher-Verdacht: Polizei leitet Strafverfahren ein

Eine Einschätzung, die die Duisburger Polizei, bei der Beuth schließlich den Fall anzeigt, auf Nachfrage der Redaktion teilt. Nach kriminalistischer Bewertung des vom Geschädigten geschilderten Sachverhalts gebe es zudem den begründeten Anfangsverdacht einer Straftat, in diesem Fall Wucher. Es sei deshalb ein Strafverfahren eingeleitet worden.

Nun hat die Redaktion eine Mail an die Adresse geschrieben, die auf der Rechnung steht, und um eine Stellungnahme zum aktuellen Fall gebeten. Und siehe da – kurz darauf gibt es tatsächlich eine Antwort per Mail: Die Firma „Haus und Gebäudetechnik Nörenberg“ sei seit dem 18. Juli 2024 ordnungsgemäß beim Gewerbeamt registriert, heißt es da.

Und weiter: „Es ist uns daher unverständlich, warum die Polizei dies in ihrer Recherche nicht nachvollziehen konnte. Wir sind bereit, diesbezüglich mit den Behörden zusammenzuarbeiten, um Missverständnisse aufzuklären und den Sachverhalt korrekt darzustellen.“

Reaktion auf Vorwürfe

Herr Beuth sei demnach vor Ort vor Beginn der Arbeiten ausführlich über die Vorgehensweise und die entstehenden Kosten informiert worden. Er habe den Einsatz und die Kosten in Höhe von 1874,01 Euro ausdrücklich akzeptiert, „bevor wir mit der Arbeit begonnen haben“. Und: „Unser Unternehmen legt großen Wert auf Transparenz und Klarheit bei der Preisgestaltung, insbesondere bei Notfalleinsätzen.“

Die Höhe der Kosten erkläre sich aus dem Umfang des Einsatzes, der Dringlichkeit, wobei Mark Beuth betont, dass er nie von einem Notfall gesprochen habe, sowie dem notwendigen Materialeinsatz. „Wir sind ein 24/7-Notdienst, der jederzeit für unsere Kunden verfügbar ist, was sich ebenfalls auf die Preisgestaltung auswirkt. Einsätze außerhalb der regulären Arbeitszeiten oder bei akuten Notfällen erfordern oft mehr Aufwand und spezielle Materialien. Dies wurde Herrn Beuth vor Ort detailliert dargelegt, und er hat dem Verfahren und den Kosten zugestimmt“, heißt es in der Mail weiter.

Die Firma Seibel teilt mit, „dass wir auf die Preisgestaltung der von uns vermittelten Handwerker vor Ort keinen Einfluss haben“. Darüber hinaus treffen Nachfragen der Redaktion aber „diesseits auf Verwunderung“, heißt es in der Antwortmail. Die Haus- und Gebäudetechnik Nörenberg existiere, sie habe eine Webseite.

Plötzlich taucht eine Webseite auf

Dies stimmt, allerdings hatte die Redaktion lange nach einer solchen gesucht und zunächst keine gefunden. Im Laufe der Recherche und nach Anfragen taucht die Webseite plötzlich bei entsprechenden Begriffen ganz oben bei den Suchergebnissen auf. Und siehe da: Online sei sie erst seit dem 30. September 2024, wie das Unternehmen Cohesity, einem nach eigenen Angaben weltweit führenden Anbieter für KI-getriebene Datensicherheit, nach einer schnellen Suche mit „Wayback Machine“ mitteilt.

Die Redaktion hatte die Cohesity-Experten gebeten, sich die Homepage mal genauer anzuschauen. Demnach nutzt sie ein gültiges Google-Trust-Services-WE1-Zertifikat, das am 30. September 2024 ausgestellt worden ist und bereits am 30. Dezember 2024 abläuft.

Aufschlussreicher Testanruf

Außerdem interessant: Auf der Homepage ist eine Handynummer als Kontakt zu finden, die bei einem Anruf nicht zur Firma Nörenberg führt, wie ein Mann am anderen Ende der Leitung gegenüber der Redaktion bei einem Test bestätigt.

Auch ist das Unternehmen offenbar zumindest nicht im Gewerberegister in Gelsenkirchen verzeichnet. Eine Suche über die entsprechende elektronische Auskunft der Stadt läuft jedenfalls ins Leere. Wer die auf der Firmenhomepage und auf Beuths Rechnung angegebene Adresse „Eppmannsweg 30“ in Gelsenkirchen über Google Maps eingibt, stößt auf ein Bild eines Mehrfamilienhauses, das der LEG gehört.

Stellungnahme der LEG

In dem Gebäude gibt es fünf Mieteinheiten und ein Gewerbe, teilt das Wohnungsunternehmen auf Nachfrage mit. Eine Firma namens Haus- und Gebäudetechnik Nörenberg sei der LEG dort allerdings nicht bekannt.

Harald Rahlke von der Verbraucherzentrale in Duisburg spricht über „Notdienst-Abzocke“.
Harald Rahlke von der Verbraucherzentrale in Duisburg spricht über „Notdienst-Abzocke“. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Die Verbraucherzentrale in Duisburg sieht im Fall Beuth „einen klassischen Fall der Notdienst-Abzocke“. Auch die Grenze zum sittenwidrigen Rechtsgeschäft dürfte demnach hier erreicht sein – „einmal auf der finanziellen Seite“, sagt Harald Rahlke von der Beratungsstelle. „Der einfache Einsatz, um ein Wespennest zu entfernen, sollte zwischen 100 und 150 Euro kosten. Sollten Hilfsmittel wie zum Beispiel eine Hebebühne notwendig sein, so fallen natürlich Extrakosten an.“ Grundsätzlich seien im aktuellen Fall aber die Kosten um mehr als 100 Prozent höher als der übliche Marktpreis.

Klartext zum Geschäft der Vermittlungsfirmen

Es handele sich in solchen Fällen um Vermittlungsfirmen. „Oftmals stehen in den Web-Adressen Zahlen wie 24 oder 365, was die jederzeitige Erreichbarkeit abbilden soll“, erklärt der Experte der Verbraucherzentrale. „Die Firmen-Adressen sind zumeist Schein-Adressen, und es existiert ein wahres Firmengeflecht zu Verschleierung.“

Mark Beuth hatte die Hoffnung so gut wie aufgegeben, sein Geld wieder zurückzubekommen. Dies sei grundsätzlich auch schwierig, sagt Rahlke, weil „die beauftragten Sub-Firmen regelmäßig ihre wahre Identität verschleiern“. Durch Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden könne jedoch durchaus „ein Anspruchsgegner ausfindig gemacht werden“. Die Polizei betont, dass entsprechende Vorfälle immer angezeigt werden sollten.

Der Duisburger hat zu seiner großen Überraschung und Freude nun am Ende tatsächlich einen Großteil der Summe erstattet bekommen – und zwar über den Google-Käuferschutz. Die Seibel-Homepage war mit einem solchen Hinweis versehen. Dann können Kunden auf eine Erstattung hoffen, wenn sie mit einer Dienstleistung nicht zufrieden sind.

„Ich habe dem Google-Käuferschutz meinen Fall geschildert und 1450 Euro erhalten“, berichtet Beuth. „Dadurch tut das Ganze nicht mehr ganz so weh.“

 >> POLIZEI UND VERBRAUCHERZENTRALE: SO LÄSST SICH ABZOCKE VERHINDERN

  • Die Verbraucherzentrale Duisburg gibt wichtige Tipps, um nicht bei der Entfernung eines Wespennestes abgezockt zu werden. So sollte ein Anbieter mit Festnetznummer aus der Region gewählt werden. Dazu bei der Internetrecherche auf das Impressum der Seiten klicken.
  • Ist nur eine 0800-Nummer oder eine Handynummer angegeben, sollten alle Alarmglocken schrillen.
  • Fach- und Berufsverbände können bei der Suche nach Experten aus dem Umkreis helfen.
  • Die Polizei rät, vor der Dienstleistung den Preis zu erfragen (Arbeitslohn pro Stunde, Materialkosten, Anfahrtskosten). Sollten Sie hier bereits Bedenken haben, nehmen Sie Abstand vom Angebot.
  • Und wird nach erbrachter oder auch erfolgloser Leistung ein hoher Geldbetrag an Ort und Stelle eingefordert, sollten Sie sich nicht unter Druck setzen lassen. Zahlen Sie niemals sofort. Sie haben das Recht, die Rechnung überprüfen zu lassen, zum Beispiel bei der Verbraucherzentrale.
  • Die Polizei betont: Verständigen Sie uns unmittelbar, wenn Sie sich unsicher oder eingeschüchtert fühlen und holen Sie gegebenenfalls einen Zeugen hinzu.