Duisburg. Die Duisburger Friseur-Innung wird 150 Jahre alt. Viel hat sich gewandelt. Mit diesen zwei Problemen kämpfen die Friseure aktuell.
„Als wildfremde Person dringe ich die Intimsphäre von Menschen ein und muss dafür sorgen, dass sie sich dabei wohl fühlen.” Das ist laut Irene Panse, Obermeisterin der Friseur-Innung Duisburg, die größte Herausforderung ihres Handwerks.
Außerdem benötigt man Kenntnisse über Mathe und Chemie. Vor allem wenn es um das Mischen und das Auftragen von Haarfärbungen geht. „Wenn man mit den Chemikalien hantiert, kann es schon bei kleinsten Fehlern zu Verätzungen kommen”, so Panse.
Und obendrauf muss man auch noch gut Haare schneiden können. Das Friseurhandwerk ist aus dem Alltag vieler Menschen nicht wegzudenken. Schon seit Jahrhunderten haben Menschen das Bedürfnis, die Schönheit ihrer Haare nach außen zu präsentieren. So kann auch die Friseur-Innung Duisburg in diesem Jahr ihr 150. Jubiläum feiern. Im Gespräch mit Obermeisterin Irene Panse wird deutlich, wie sehr sich der Beruf über die Zeit gewandelt hat.
Duisburger Friseur-Innung: Wie 1874 alles begann
Im Jahr 1874 schlossen sich mehrere kleinere Interessenvertretungen der Friseure auf dem Duisburger Stadtgebiet zur Friseur-Innung zusammen. Heutzutage ist die Innung Ansprechpartnerin für rund 100 Mitgliedsbetriebe. Insgesamt gibt es in Duisburg aktuell um die 350 Betriebe, so Panse.
Damals sei der Zusammenschluss eine Folge der schlechten Kranken- und Altersvorsorge im Handwerk gewesen. Heute beschränkt sich die Arbeit der Innung hauptsächlich auf die Aus- und Weiterbildung sowie rechtliche Beratung. Lange Zeit war der Besuch beim Friseur den Vermögenden vorbehalten. Für die eleganten Hochsteckfrisuren verbrachten die Frauen den ganzen Tag im Salon. Stundenlang musste Strähne für Strähne um ein Drahtgerüst geflochten werden. „Das war damals schon ein echter Knochenjob”, stellt Panse fest.
Als sich ab den 1920er-Jahren für die Frauen nach und nach der Weg in die Berufswelt öffnete, veränderte sich auch die Arbeit der Friseure. Der Bubikopf als Ausdruck der Emanzipation war fortan die beliebteste Haarmode. Einerseits war die Frisur für Trägerinnen deutlich pflegeleichter. Andererseits bedeutete dieser Wandel für die Friseure, dass sie mehr als eine Kundin pro Tag bedienen konnten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden schöne Haare endgültig zum „Massenprodukt“. Für eine Dauerwelle war mit der neu aufgekommenen Kaltwellen-Technik nur zwei bis drei Stunden Arbeit nötig. Außerdem drangen ab den 1950er-Jahren die ersten Haarfärbungen auf den Markt. Auch die Männer legten mit der Zeit immer mehr Wert auf Frisuren. Das hatte zur Folge, dass die Geschlechtertrennung bei den Friseuren einsetzte. „In meinem Ausbildungsbetrieb wurden extra Kabinen für die Frauen eingerichtet”, erinert sich Irene Panse, die ihre Lehre 1967 begann.
Hippies zeigten Abneigung gegenüber einem professionellen Haarschnitt
Die Zeit der strikten Trennung empfand die Obermeisterin als sehr unangenehm. Denn für sie zeichnet sich ein Friseursalon dadurch aus, dass er ein „Kommunikationszentrum“ ist. „Als Friseur ist man Teilzeit-Seelsorger”, sagt sie. Mit manchen Kunden pflegt man eine gute Freundschaft und andere wiederum genießen es, sich mit ihren Problemen an jemanden zu wenden, der nicht involviert ist.
Seitdem die Barber-Shops im Kommen sind, würde es allerdings wieder eine Tendenz in Richtung Geschlechtertrennung geben, so Panse. So schnell wie der Besuch beim Friseur zur Normalität wurde, kam es schon zu Gegenbewegungen. Die Hippies in den 1960er-Jahren zeigten als erstes ihre Abneigung gegenüber einem professionellen Haarschnitt. Nach dem Erfolg des Minipli in den 1980er-Jahren, seien die Frisuren der Männer immer einfacher und kürzer geworden. „Heute wollen viele, dass man nur einmal mit dem Rasierer drüber geht”, erzählt Panse.
Aber: In den letzten Jahren, nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie, würden auch lange Haare bei Männern wieder in Mode kommen, so die Expertin. „Die Leute haben gemerkt, dass sie nicht unbedingt alle zwei Wochen zum Friseur müssen”, sagt sie. Das gilt auch für die Frauen. Die dadurch entgehenden Einnahmen würden sich bemerkbar machen. Außerdem werde Haarfarbe seit der Pandemie viel weniger nachgefragt. „Während der Lockdowns haben sich viele die Farbe rauswachsen lassen”, erzählt Panse. Normalerweise sei die Haarfärbung eine gute und sichere Einnahmequelle gewesen. So scheint es, dass die Folgen von Corona für das Friseurhandwerk langfristig nachwirken werden.
Barber-Shops wollen nicht in die Innung
Die Obermeisterin spricht über weitere Probleme, welche die Duisburger Friseur-Betriebe aktuell belastet. So offenbart der Fachkräftemangel auch hier seine Folgen. Während vor 25 Jahren noch rund 100 Azubis pro Jahrgang geprüft wurden, sind es derzeit nur noch zwischen zehn und 20, so Panse. Auch die fehlenden Mathe- und Chemie-Kenntnisse bei den Auszubilden seien ein Problem. Mindestens die Hälfte würde deshalb durch die Ausbildung fallen. Dabei sieht sie das Problem vor allem in der mangelnden Schulbildung.
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Außerdem habe die Innung damit zu kämpfen, die Barber-Shops mit ins Boot zu holen. Obwohl der Jahresbeitrag für die Mitgliedschaft nur 250 Euro kostet, scheinen viele Betriebe nicht daran interessiert zu sein, in die Interessenvertretung einzutreten. “Vielleicht hat mein Nachfolger mehr Glück bei dem Thema”, so Panse. Sie wird Ende des Jahres als Obermeisterin zurücktreten. Doch eines ist für sie sicher: „Friseure wird es immer geben, weil die Menschen schön sein wollen.