Duisburg. Seit Jahren treffen sich Raser nachts in einer ruhigen Wohngegend in Duisburg. Polizeieinsätze bringen nichts. Die Anwohner sind verzweifelt.
Raser, Poser, Autotuner: Nachts wird die beschauliche Wittlaerer Straße zur Rennstrecke. Dicke Karren mit jungen Männern hinter dem Steuer rauben den Anwohnern Schlaf und Nerven. Mehrfach haben sie schon die Polizei gerufen. Doch es ändert sich: nichts.
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So schildern es übereinstimmend mehrere Nachbarn. „Junge Leute halten sich dort auf, und wo es frei ist, geben die Gas und testen ihre Autos aus“, schildert ein Mann die Situation.
„Die geben Gas und testen ihre Autos aus.“
Wie auch die übrigen Betroffenen möchte er anonym bleiben. Die Anwohner haben Angst, fürchten zerstochene Reifen oder andere Racheaktionen. Der Grund steht in einem Schreiben an die Polizei, das 20 Wanheimer unterschrieben haben: „Gespräche mit den Verursachern waren bisher nicht von Erfolg gekrönt, im Gegenteil – man wird verbal bedroht und beschimpft.“
Raserszene am Duisburger Rheinufer: junge Männer in dicken Autos
„Fast täglich“ in den vergangenen vier bis sechs Wochen sei nahe dem Rheinufer die Raserszene unterwegs gewesen, sagt ein anderer Nachbar. Mit Kennzeichen nicht nur aus Duisburg: „Die kommen aus Köln, Dortmund, Bottrop, Essen.“
Abends um 19 Uhr gehe es los, bis 2 Uhr morgens werde gefahren, oft auch länger. Dabei bleibe es nicht nur beim festen Tritt aufs Gaspedal: „Die bleiben unterm Schlafzimmer stehen, mit lauter Musik, in den Kurven wird gedriftet. Die machen alles, was Lärm macht.“
„Die machen alles, was Lärm macht.“
Die Fahrer: jung, nach den Schätzungen der Wanheimer zwischen 18 und 30 Jahren alt, größtenteils Männer. Die Autos: dick. Und „gut motorisiert: Mercedes, Audi, BMW; getunte 3er sind beliebt.
Mit bis zu 80km/h, so die Schätzung eines Anwohners, fahren die Raser über die Wittlaerer Straße. Erlaubt sind 30km/h. Nach einer Runde über Atroper, Wanheimer und Kalkumer Straße kämen die Autos wieder zurück. „Die setzen sich dahin, quatschen – und drehen die nächste Runde.“
Raserszene in Duisburg: Anwohner rufen Polizei – aber es ändert sich nichts
Seit fünf Jahren bestehe die Raser-Problematik nahe dem Rheinufer nun schon, erzählen die Nachbarn. Immer wieder rufen sie die Polizei. „Ich bin schon bei der Polizei bekannt, weil ich da immer wieder auftauche“, sagt einer der Männer. Die Polizei komme auch, und das „recht zügig“. Aber: „Die scheucht die weg – und nach 20 Minuten geht‘s wieder von vorne los.“ Bußgelder würden kaum verhängt. „Zu großen Teilen werden die nur weggescheucht.“
13 Einsätze zählt die Polizei Duisburg allein zwischen August und Mitte September dieses Jahres. Siebenmal waren die Raser schon weg, als die Beamten eintrafen. Sechsmal allerdings trafen sie die Ruhestörer an. Das Ergebnis laut Polizeisprecherin Julia Schindler: „Sieben Verwarngelder, eine Ordnungswidrigkeitenanzeige, zwei Platzverweise.“ Sie verweist darauf, dass „vor allem in den Sommermonaten“ Schwerpunkteinsätze gegen die Raser-, Poser- und Dater-Szene „regelmäßig“ stattfänden.
Auch dem Ordnungsamt ist das Raser-Problem an der Wittlaerer Straße bekannt. Entsprechend hat die Stadt dort schon geblitzt, Ende August gingen dabei zehn Autos in die Radarfalle. „Das schnellste Kfz wurde hier mit 54 km/h erfasst“, sagt Stadtsprecher Falko Firlus. Bei einer weiteren Geschwindigkeitskontrolle an einer anderen Stelle seien fünf Autos zu schnell gewesen.
Raser-Probleme in Wanheim: Stadt Duisburg will handeln
Damit diese Zahl steigt, erwägt die Stadt, künftig in der Wanheimer Wohnsiedlung auch den sogenannten Enforcement Trailer einzusetzen. Ein Vorteil des Blitzeranhängers: Er kann über einen längeren Zeitraum messen, und das auch nachts.
Auch eine andere Maßnahme wird bei der Stadt geprüft, um den lärmgeplagten Anwohnern Ruhe zu verschaffen: Die Wittlaerer Straße könnte umgebaut werden. So würde ein breiterer Gehweg die Straße schmaler und damit weniger Raser-tauglich gestalten, die Straße selbst könnte kurviger geführt werden. Auch das Parken im Versatz, also mal links, mal rechts, werde geprüft – die parkenden Autos würden so zu Hindernissen, die die Raser vom Gas zwingen würden. Firlus sagt: „Mit ersten Prüfungen wurde bereits begonnen.“
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Bis die Prüfungen sich konkret auswirken, fühlen sich die Anwohner hilflos dem nächtlichen Krach ausgesetzt. Ein Vorschlag, mit Bodenschwellen auf der Straße die Raser auszubremsen, sei in der Bezirksvertretung Süd abgelehnt worden; die Feuerwehr sprach sich wegen der Hilfsfrist dagegen aus. Dann vielleicht Pflanzkübel? „Wir würden die auch selbst bepflanzen“, sagen die Anwohner. Der Vorschlag sei „in Arbeit“.
Fast sind die Anwohner froh, dass der Herbst kommt. Erleichtert jedenfalls, denn mit dem schönen Wetter verschwinden auch die Raser. „Herbst und Winter sind sehr beruhigend“, sagt ein Nachbar. Doch das nächste Frühjahr, der nächste Sommer kommt bestimmt. Und mit ihm die Raser. Den Wanheimern bereitet diese Aussicht schon jetzt Kummer. Ihr Schreiben an die Polizei ist ein Hilferuf: „Wir sind ratlos und am Ende unserer Kräfte.“