Duisburg. Eine Duisburgerin (85) soll nach 60 Jahren durch den Autobahnausbau ihren geliebten Kleingarten verlieren. Die Trauer ist groß – der Frust auch.

Sie gehört zu den Frauen der ersten Stunde im Duisburger Kleingartenverein (KGV) Ruhrdeich, der im Oktober 1966 gegründet worden ist. Seitdem hat Ingeborg Krause (85) ihre Parzelle, die sie mit ihrem früh verstorbenen Mann in liebevoller Arbeit nach und nach in ein kleines Paradies verwandelt hat. Doch nach fast sechs Jahrzehnten soll die Duissernerin Abschied nehmen – und dies ganz und gar nicht freiwillig. „Ich bin empört und tieftraurig“, sagt die 85-Jährige.

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Der Hintergrund: Nach aktuellem Stand sollen durch den geplanten Ausbau der A40 und A59 in Duisburg insgesamt über 70 Kleingärten in mehreren Vereinen wegfallen (wir berichteten). Der KGV Ruhrdeich ist mit 22 von insgesamt 55 Parzellen von der A59-Erweiterung betroffen. Zwar sind Entschädigungen und neue Gärten in Aussicht gestellt worden, „aber mit 85 Jahren habe ich nicht die Kraft, noch mal von vorne anzufangen“, sagt Ingeborg Krause.

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Duisburgerin (85) verbindet mit ihrem Kleingarten schönste Erinnerungen

Im vergangenen Frühjahr musste sie mitansehen, wie ihre Parzelle vermessen wurde. Zwei kleine Holzpflöcke im Boden erinnern die Duisburgerin seitdem daran, dass sie ihren geliebten Kleingarten bald verlassen muss. Mit ihm verbindet die ganze Familie schönste Erinnerungen. Die Söhne, heute 62 und 58 Jahre alt, sind dort aufgewachsen.

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„Das war für uns wie ein großer Abenteuerspielplatz. Hier hatten wir eine riesige Kinder-Clique, alle in einem Alter. Mit einigen habe ich heute noch Kontakt“, erzählt Jörg Krause, der seine Mutter zusammen mit seinem Bruder tatkräftig bei der Kleingartenarbeit unterstützt. „Irgendwas ist immer zu tun“, sagt die 85-Jährige, während im Hintergrund die Autobahn deutlich zu hören ist. „Das nimmt man irgendwann nicht mehr wahr und gerne für einen solchen Traumgarten in Kauf“, stellt sie klar.

Rosen und Herbst-Anemonen blühen

Aktuell blühen die prächtigen Rosen und Herbst-Anemonen. Es gibt Beete zum Kartoffelanbau, einen Kirsch- und einen Apfelbaum sowie einen kleinen Teich, den Ingeborg Krause erst vor drei Jahren neu angelegt hat. An den Rändern liegen von ihr selbst kreierte Blattplatten in Rhabarberform. Auch die Terrasse mit Bruchsteinen und Hollywoodschaukel oder die Laube mit eingebauter Küche – alles wurde in Eigenregie geschaffen.

Ingeborg Krauses prächtiger Garten: Aktuell blühen Rosen und Herbst-Anemonen.
Ingeborg Krauses prächtiger Garten: Aktuell blühen Rosen und Herbst-Anemonen. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

„Der Garten ist mein Leben und meine Freiheit. Hier konnte ich immer machen, was ich will. Er hat mich geprägt, jung gehalten und mir über manche schwere Zeit hinweggeholfen“, sagt Ingeborg Krause. „Als mein Mann vor 30 Jahren starb, hab ich in jenem Sommer wie wild überall gearbeitet, um mich abzulenken. Das tat gut.“

„Ich habe schon öfter geweint, denn so habe ich mir den Abschied von meinem Garten nicht vorgestellt.“

Ingeborg Krause (85)

Sie ist sichtlich bewegt, wenn sie davon erzählt. Tränen schießen ihr in die Augen. „Ich habe schon öfter geweint, denn so habe ich mir den Abschied von meinem Garten nicht vorgestellt. Dabei weiß ich ja noch nicht mal, wann es so weit ist. Die Stadt informiert uns ja nicht. Die Ungewissheit ist schlimm.“

Große Abschiedsparty geplant

Eins steht für Ingeborg Krause fest: „Wenn die Bagger anrollen, werde ich nicht da sein. Vorher werde ich noch eine große Abschiedsparty schmeißen“, sagt sie fast ein bisschen trotzig. Danach bleibt der 85-Jährigen ihre 63 Quadratmeter große Wohnung in Duissern – mit Balkon. „Das ist nicht das Gleiche, aber ich kann es ja nicht ändern.“

Ihr Trost: „Ich habe so viele schöne Jahre in meinem Kleingarten erlebt. Die kann mir niemand mehr nehmen.“

19 von 55 Parzellen sollen beim KGV Ruhrdeich durch den Autobahnausbau in Duisburg wegfallen.
19 von 55 Parzellen sollen beim KGV Ruhrdeich durch den Autobahnausbau in Duisburg wegfallen. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

>> AUSBAU A40 UND A59 IN DUISBURG – DER AKTUELLE STAND

  • Die Stadt Duisburg hat bisher auf Nachfrage der Redaktion nur bestätigt, dass mehrere Kleingartenvereine vom Ausbau der A40 und A59 betroffen sind. Die Vereine seien über den Verband der Duisburger Kleingartenvereine informiert worden.
  • Das Umweltamt habe zudem bereits teilweise Gespräche mit Vereinsvorständen zu den konkreten Auswirkungen geführt. Es sei angedacht, die notwendigen Arbeitsbereiche für den Ausbau der Autobahnen kleiner zu gestalten. Dadurch könnten unter anderem ein Vereinsheim und einige Kleingartenparzellen erhalten bleiben, heißt es vage.
  • Zum Zeitplan äußert sich die Stadt nicht, dafür aber Karl-Ernst Steinwerth, der Vorsitzende des Kleingartenverbands, der sich bei der Autobahn GmbH schlau gemacht hat. Demnach soll die Erweiterung der A40 zunächst auf der südlichen Seite im Herbst 2025 beginnen und anderthalb bis zwei Jahre dauern.
  • Um den Ausbau der A59 zwischen dem Kreuz Duisburg und der Anschlussstelle Marxloh gibt es Streit zwischen der Stadt und der Autobahn GmbH und dem Bundesverkehrsministerium. Wann die Bagger hier rollen, ist derzeit noch offen.