Duisburg. Lärm, Müll und Böller-Attacken: Bewohner einer Duisburger Siedlung kämpfen mit Raser-Treffen auf einem Parkplatz. Jetzt rufen sie laut um Hilfe.
Die Motoren heulen, die Reifen quietschen und die Menge grölt – Wilfried Brücksken, seine Frau und Nachbarn fühlen sich manchmal wie Anwohner einer Rennstrecke. So suggerieren es ihnen zumindest die Geräusche, die sie in vielen Nächten um den wohlverdienten Schlaf bringen.
Dabei könnten sie es so ruhig haben in der Bergmannssiedlung Diergardt im Duisburger Westen. In der Siedlung ist Tempo 30 angesagt. Viele Bewohner haben einen weitläufigen Garten, der von Wilfried Brücksken und seinen Nachbarn an der Hüttenstraße grenzt sogar an ein Waldstück. Doch ausgerechnet dahinter lauert oft die Lärmhölle: der Parkplatz des EKZ Rheinhausen.
Lärm an Supermarkt-Parkplatz: „Ständig hört man laute Musik und Geschrei“
„Da treffen sich junge Leute, um zu driften und Rennen zu fahren. Oft wird Fußball gegen die Mauerwände gespielt oder gegen Blech geschlagen, ständig hört man laute Musik und Geschrei“, erzählt Brücksken. „Hier kommen gefühlt 120 Dezibel an, und bei 85 müsste man schon einen Gehörschutz tragen.“
Neben dem Krach stören die Anlieger auch die Hinterlassenschaften. Oft würden die Beteiligten ihren Müll ins kleine Waldstück werfen. „Seitdem sich mein Labrador zweimal die Füße an Glasscherben aufgeschnitten hat, sammle ich jeden Sonntag die Flaschen im Wald ein. Teils liegen hier hunderte.“ Er finde auch viele Essensreste, die Ratten anlocken.
Brücksken wohnt seit 62 Jahren an der Hüttenstraße und meint, früher sei es ruhiger gewesen. Manche Anlieger kennen die Gegend aber nur mit den regelmäßigen Ruhestörungen. So geht es zum Beispiel Anne Rosinski, die vor vier Jahren in die Bergmannssiedlung gezogen ist: „Seitdem war nebenan immer Lärm, meine Hunde drehen ständig durch.“
Viele Anlieger sind betroffen – „manche schlafen jetzt auf der Couch“
Dass sich das Problem in den vergangenen vier, fünf Jahren verschlimmert hat, bestätigt Uwe Marten, der an der Hüttenstraße aufgewachsen ist. Er weiß, dass es sich längst nicht mehr um Einzelfälle handelt: „Ein ruhiges Wochenende ist vor allem im Sommer die Seltenheit.“
„Wir haben hier ältere Menschen in der Nachbarschaft, die schon ihr Schlafzimmer Richtung EKZ-Parkplatz aufgegeben haben und jetzt auf der Couch schlafen, weil sie dort weniger vom Lärm mitbekommen.“
Sogar unter der Woche würden die Raser anrücken, teilweise mehrmals – und immer spätabends oder nachts, wenn die Läden geschlossen sind und die Anwohner ihre Ruhe haben wollen. „In einer Luftlinie von 300 Metern bekommt das jeder mit, wenn hier die Motoren heulen“, sagt Marten. Es betrifft also längst nicht nur die Bewohner der Hüttenstraße.
Kinder könnten nicht schlafen, obwohl sie am nächsten Morgen zur Schule müssen. Haustiere würden aufgeschreckt. Auch die Erwachsenen leiden massiv unter der Situation, berichtet Marten: „Wir haben hier ältere Menschen in der Nachbarschaft, die schon ihr Schlafzimmer Richtung EKZ-Parkplatz aufgegeben haben und jetzt auf der Couch schlafen, weil sie dort weniger vom Lärm mitbekommen.“
Anwohner ruft 30 Mal die Polizei – zwei Extremfälle
Ganz schlimm sei es in einer Nacht Ende November 2023 gewesen, als mehrere Jugendliche sogar Böller gezündet und Feuerwerkskörper ins Wäldchen geschossen hätten. Auch der Ostersonntag im März ist den Rheinhausern noch gut in Erinnerung, als sich die Raserszene mit rund 30 Autos getroffen habe: „Ein junger Mann stand an der Einfahrt und hat sie reingewunken. Die waren also richtig organisiert.“
Allein dieses Jahr habe Uwe Marten schon über 30 Mal bei der Polizei angerufen. Oft bringe das nichts: „Ich habe schon mehrfach zu hören bekommen, dass die Polizei nicht vorbeikommen kann, weil andere Fälle eine höhere Priorität haben. Und wenn sie vorbeikommen, sprechen sie mit den Leuten, fahren wieder und dann geht das Treiben munter weiter.“
EKZ-Parkplatz liegt zwischen Einzelhändlern versteckt
Marten gibt dabei zu, dass das Grundstück schwierig zu kontrollieren ist. Zur Asterlager Straße hin liegen das EKZ mit dem Edeka-Center und das Gebäude des Möbelgeschäfts Jysk, an der Ecke zur Homberger Straße befinden sich ein Aldi-Markt und der Sportladen Reiner Frütel, weiter hinter ein Toom-Baumarkt und eine Fressnapf-Filiale.
Der große Parkplatz ist von den Märkten eingekesselt und von den Straßen aus kaum zu sehen. Außerdem gibt es fünf verschiedene Zufahrten zum Gelände. „Die Leute hören die Polizei schon von weitem und haben dann mehrere Ausgänge, um abzuhauen“, meint Marten.
„Hilferuf“: Anwohner ziehen Mieter und Eigentümer in die Pflicht
Die Geschäft-Betreiber und Eigentümer am EKZ-Gelände seien aber nicht unschuldig an den unerlaubten Treffen nach Ladenschluss. Oft würden die Anwohner sehen, wie die Schranken zum Parkplatz über Nacht hochgeklappt sind oder zumindest nicht abgeschlossen werden. „An der Toom-Schranke ist gar kein Schloss. Wir haben schon mal selbst ein billiges Schloss draufgesetzt, nach einer Stunde war es direkt wieder geknackt“, berichtet Uwe Marten.
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Er, Wilfried Brücksken und andere Anwohner seien schon seit Jahren mit den Filialleitungen der Märkte in Kontakt. Sie fordern, dass die Schranken abgeschlossen, das Gelände kontrolliert und Schilder aufgestellt werden, die auf das Betretungsverbot nach Ladenschluss hinweisen. Gebracht hat dies bisher offenbar wenig.
Die Anlieger östlich der Asterlager Straße in Hochemmerich sind inzwischen so verzweifelt, dass sie im Juli einen „Hilferuf“ per Post und Mail verschickt haben – ein ausführliches Schreiben mit knapp 90 Unterschriften, das an alle Gewerbe rund um das EKZ adressiert war, aber auch an Parteien, Medien und die Stadt gesendet wurde.
Parkplatz-Eigentümer will Kameras und verstärkte Beleuchtung prüfen
Es scheint, als habe das Schreiben zumindest die Suche nach Problemen noch einmal angestoßen. Fast das komplette Gelände gehört der HIH Invest Real Estate GmbH aus Hamburg. Das Unternehmen habe bis vor kurzem nichts von den Problemen gewusst, sich danach aber „direkt an den zuständigen Verwalter gewendet und um Aufklärung gebeten“, sagt Pressesprecher Philipp Strauß unserer Redaktion.
Die Schranken zu schließen sei Aufgabe der Mieter. Trotzdem wolle das Unternehmen nun mit den Mietern und der Verwaltung nach einer Lösung für das Problem suchen. Es werde nun untersucht, wie das Schließsystem der Schranken verbessert werden kann. „Des Weiteren wird das Anbringen von Sicherheitskameras sowie die Verstärkung der Beleuchtung geprüft“, so Strauß.
Edeka und Toom wollen als Mieter nach einer Lösung suchen
Ein aktueller Grundbucheintrag zeigt, dass auch Aldi Süd Mit-Eigentümer des Geländes ist. Dem Unternehmen gehört die Aldi-Filiale neben dem EKZ, es ist also nicht nur Mieter. Eine Anfrage der Redaktion blieb von der Mülheimer Discounterkette jedoch unbeantwortet.
Stattdessen teilen Toom und Edeka Rhein-Ruhr mit, dass sie als Mieter im Areal nun nach einer Lösung suchen wollen. Erste Gespräche hätten ergeben, dass der Vermieter zum Beispiel das Beleuchtungskonzept anpasst, meint Edeka-Sprecherin Simone Erkens. „Parallel wird mit der Feuerwehr eine Lösung zur Zufahrt erarbeitet, damit sie auch bei geschlossenen Schranken Zugang zum Gelände bekommt.“ Zudem habe der Markt Schilder angebracht, wie der Parkplatz benutzt werden darf und wie nicht.
Anwohner meint: Nur abschließbare Schranken helfen langfristig
Uwe Marten ist optimistisch, dass es rund um den EKZ-Parkplatz irgendwann ruhiger wird. Neben den Einzelhändlern hätten ihm Lokalpolitiker zugesagt, das Problem nun auf die Agenda bringen zu wollen. Auch das Hinweisschild, das der Edeka montiert hat, sei ein erster Schritt.
Zumindest unter der Woche hätten sich die Raser in den vergangenen zwei, drei Wochen nicht mehr getroffen. „Dafür habe ich am letzten August-Wochenende schon wieder zweimal die Polizei gerufen, weil es laut war und sogar Böller gezündet wurden“, sagt Marten. Er meint: „Das Problem wird sich nur lösen, wenn Schranken installiert werden, die man abschließen kann und dann auch nachts immer geschlossen sind.“
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>> Lärm am EKZ-Parkplatz: Das sagen Stadt und Polizei
- Die Polizei Duisburg war im vergangenen Jahr 65 Mal wegen den Raser-Problemen am EKZ-Parkplatz im Einsatz, sagt Sprecherin Ronja Baerecke. Wie oft Bußgelder oder andere Strafen für Vergehen in diesem Bereich verhängt wurden, werde nicht statistisch erfasst.
- „Generell ist das Phänomen der ‚Raser, Poser und Dater‘-Szene der Polizei bekannt“, meint Baerecke. Die Polizei führe regelmäßig Schwerpunkteinsätze gegen die Szene durch, auch im Gebiet rund um die Asterlager Straße.
- Im vergangenen Jahr habe die Polizei 13 Schwerpunktkontrollen „an den bekannten Hotspots in den Abendstunden bis tief in die Nacht“ durchgeführt. Die Einsatzkräfte hätten 83 Anzeigen wegen des Verdachtes eines verbotenen Autorennens geschrieben.
- Die Stadt Duisburg teilt unserer Redaktion mit, sie habe bislang nichts von den geschilderten Problemen am EKZ-Parkplatz gewusst. Der Bereich werde im Rahmen täglicher Präsenzstreifen kontrolliert. Einsätze des Bürger- und Ordnungsamtes habe es dort aber nicht gegeben.