Duisburg. Im Duisburger Süden sind Keller und Grundstücke seit Monaten überflutet. Die Anwohner sind verzweifelt. Auch der OB gibt zu: Die Situation ist „tragisch“.
Der Duisburger Süden steht unter Wasser. Seit Monaten kämpfen Anwohner mit vollgelaufenen Kellern, ein Ende ist nicht in Sicht. Denn: Der Grundwasserspiegel sinkt einfach nicht. Betroffene müssen zehntausende Euro zahlen, wenn sie ihr Haus schützen wollen – oder das Wasser in Kauf nehmen. Was aber, wenn sich die Lage weiter verschärft?
Über ihre Ängste und mögliche Lösungsansätze wollten Anwohner bei einer Veranstaltung mit der Stadt sprechen. Der Andrang zeigt, wie groß der Kreis der Betroffenen ist. Der Raum der Kanugilde am Wolfsee ist am Dienstagabend zum Brechen voll, viele stehen draußen und versuchen, über die offenen Fenster mitzuhören.
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Grundwasser: Der Boden im Duisburger Süden ist gesättigt
„Eine Situation, die ich so noch nie erlebt habe“, sagt Sebastian Beck, Geschäftsbereichsleiter Stadtentwässerung bei den Wirtschaftsbetrieben Duisburg (WBD). Zwar sei es normal, dass der Grundwasserspiegel ansteigt, aber in der Regel sinke er nach wenigen Tagen wieder. In diesem Jahr sei das nicht der Fall: Es hat zu viel geregnet. An einigen Orten liegt das Wasser mittlerweile über den Grundwassermessstellen – zum Beispiel am Wambachsee und in Großenbaum.
Die WBD überprüfen jeden gemeldeten Fall. Bisher seien die Abwasseranlagen aber nirgendwo das Problem gewesen. „Bei uns waren die Rohre voll, das Wasser kam hoch gesprudelt“, wirft eine Frau ein. „Es geht hier um Extremereignisse“, erwidert Beck. Für diese Wassermengen sei kein Kanal geschaffen. Wie denn der Zustand der Kanäle allgemein sei, will ein Bürger wissen. Die Antwort: „Geht so.“
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Schnelle Lösungen gibt es nicht
Die Anwesenden kommen aus Wedau, Rahm, Großenbaum – und sie haben viele Fragen mitgebracht. Was ihnen vor allem Sorgen bereitet: der Dickelsbach. Der führt noch immer Hochwasser. „Überall im Wald haben sich kleine Seen gebildet“, schildert ein Anwohner die Situation. Er fordert, auch Ratingen und Mülheim mit ins Boot zu holen, schließlich würden diese Städte Wasser in den Bach leiten. Mittlerweile haben Eigentümer an der Großenbaumer Allee sogar einen kleinen Notdeich bauen müssen, um sich vor dem Wasser zu schützen.
Johannes Schmid, Leiter der Unteren Wasserbehörde, erklärt, er habe nur wenig Möglichkeiten, die Situation im Süden zu verbessern. Die Behörde habe keine besonderen Pflichten im Süden, weil die Region kein Bergsenkungsgebiet ist– im Norden sei das teilweise anders. Die Behörde könne daher nur prüfen, wo man das ganze überschüssige Wasser hinleiten könne.
Fazit: Eine schnelle Lösung gibt es nicht. Der Aussage pflichtet auch Oberbürgermeister Sören Link (SPD) bei. Er zeigt sich in seiner Ansprache betroffen, die Situation sei „tragisch“. Als Kommune könne man hier aber leider nur wenig tun. „Haben wir einen Fehler gemacht? Die bittere Antwort ist: nein.“ Daher unterstütze er den Vorschlag von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), eine bundesweite Pflichtversicherung für solche Fälle einzuführen. So sei man wenigstens finanziell besser gerüstet.
„Das Thema wird uns die nächsten Wochen und Monate beschäftigen.“
Link bleibt nur kurz, er muss zum nächsten Termin. Zum Gespräch mit ihm haben die Anwesenden keine Möglichkeit – viele gehen deswegen mit dem OB. „Das sorgt jetzt natürlich für Unmut“, ruft einer der Anwesenden.
Dickelsbach, Sanierungskosten, Grundwasserpegel: Anliegen der Bürger kommen zu kurz
Auch andere sind verärgert: „Das war viel zu viel Vortrag und jetzt ist keine Zeit mehr für Diskussion.“ Nur wenige können am Ende ihre Fragen und Sorgen loswerden. Leonard Herzer aus Wedau will wissen: „Wurde schon untersucht, wie das Wasser aus dem Dickelsbach besser abfließen könnte? Wohin wird das Wasser umgeleitet, das künftig nicht mehr auf der Brachfläche des Neubaugebiets 6-Seen-Wedau versickern kann?“
Das beschäftigt auch Holger Schrader, Vorsitzender des Duisburger Segelclubs: „Warum kann nicht mehr Wasser aus den Seen abgeleitet werden?“ Das Hochwasser habe vieles beschädigt – nicht nur für die Segler ein Problem. Wegen des hohen Wasserspiegels konnte das Freibad Großenbaum in diesem Jahr nicht öffnen.
Lösungsansätze gibt es bisher nicht. „Wir nehmen den Aspekt mit“, verspricht Irma Lababidi, Vorsitzende des SPD-Ortsverbands Sechs-Seen. Klar sei laut Beck aber: an den Abflussrohren liegt es nicht. Der Duisburger Michael Günther wird wütend: „Das hier ist alles ausgewiesenes Überschwemmungsgebiet!“ Irgendwann werde hier alles unter Wasser stehen, wenn es so weitergeht – sei es jetzt oder in drei Jahren.
Auch er habe Anfang des Jahres drei Wochen lang das Wasser aus seinem Keller pumpen müssen. Jetzt hat er drei Wassersensoren installiert, über eine Kamera kann er unterwegs sehen, ob sein Keller wieder vollläuft. Ohne diese Maßnahmen wolle seine Frau schon gar nicht mehr in den Urlaub fahren.
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Grundwasser: Schutz und Sanierung kostet viel Geld
Wer seinen Keller hingegen komplett sanieren will, muss tief in die Tasche greifen: Die Kosten können weit über 50.000 Euro liegen. „Oder man muss damit leben, dass das Wasser immer wiederkommt“, sagt Architekt Dieter Düster. Ob das nicht Auswirkungen auf das Mauerwerk habe, wenn es immer wieder feucht wird? „Es tut ihm nicht gut, aber so 100 Jahre hält es schon.“
Gibt es keine anderen Möglichkeiten? „Wir suchen auch in unserer Siedlergemeinschaft nach einer Lösung“, berichtet der Wedauer Leonard Herzer. Aber die Stadt könne nicht immer sagen, sie kann nichts tun, findet Günther: „Man muss nur wollen.“ Man sehe es ja in Dinslaken: Die Stadt hat bei der Landesregierung Unterstützung nach der Richtlinie für regionale Naturkatastrophen beantragt. Sagt das Land zu, bekommen Betroffene immerhin mindestens 2000 Euro Soforthilfe.
Abseits von den hohen Sanierungskosten hält es eine Wedauerin für eine Frechheit, dass man zahlen muss, um Auskünfte zum Grundwasser auf seinem Grundstück zu bekommen. Viele bemängeln, dass der Grundwasserpegel nicht öffentlich einsehbar sei. „Es ist fatal“, fasst Günther zusammen. Die Vorträge an diesem Abend hätte man sich „sparen können“. „Die Diskussion kam wesentlich zu kurz“, pflichtet Herzer ihm bei.