Duisburg. Der Stellenabbau bei Venator in Duisburg läuft, der Konzern hat Kündigungen verschickt. So viele Mitarbeiter bleiben, so viele (müssen) gehen.
Allmählich ist klar, wer weiter im Duisburger Chemiewerk Venator arbeitet, wer freiwillig geht oder wem gekündigt wird. Zwar unterscheiden sich die genauen Zahlen zum Stellenabbau in Homberg je nachdem, ob man den Konzern oder Betriebsrat fragt. Klar ist jedoch: Durch die Umstrukturierung wird die Belegschaft etwa um die Hälfte schrumpfen.
Ende Juni haben sich die Venator-Führung und der Betriebsrat auf einen Interessensausgleich und Sozialplan geeinigt. Bis zum 5. Juli konnten sich die Beschäftigten entscheiden, ob sie das Werk gegen eine Entschädigung freiwillig verlassen. Bis Ende Juli wollte der Konzern per Sozialauswahl festlegen, wer darüber hinaus gehen muss.
Venator-Werk in Duisburg: 379 Stellen bleiben erhalten
Die Bilanz des Unternehmens: „Vor dem Beginn der Standortoptimierung arbeiteten etwa 726 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Duisburg. In der Zielorganisation werden es etwa 379 sein“, sagt Fried-Walter Münstermann aus dem Board des Konzerns gegenüber der Redaktion.
208 Beschäftigte hätten die Bedingungen des Sozialplans angenommen und das Werk freiwillig verlassen, „was den Übergang für alle Beteiligten erleichtert“, kommentiert Münstermann. 26 Mitarbeiter aus Duisburg hätten dabei eine neue Stelle in der Krefelder Venator-Fabrik bekommen.
Einige mussten sich jedoch unfreiwillig von der früheren Traditionsfirma Sachtleben verabschieden: „Bis dato hat der Konzern 76 Kündigungen verschickt, wobei die Bereiche der Titaniumdioxidproduktion, Schwefelsäureanlage sowie Instandhaltung besonders betroffen sind“, meint Münstermann.
Zahlen zum Stellenabbau: Venator-Betriebsrat rechnet anders
Der Betriebsrat zählt anders: „Wir sind immer von 822 Stellen ausgegangen, die teilweise mit Leiharbeitnehmern und Befristung besetzt waren“, erklärt der Duisburger Betriebsratsvorsitzende Uwe Sova. Nach dieser Rechnung würde sogar über die Hälfte aller Jobs gestrichen, wenn am Ende 379 übrigbleiben sollen, wie es der Konzern plant.
Im Februar 2023 habe der Konzern erstmals angekündigt, die Titandioxidproduktion in Duisburg einstellen zu wollen, sollte sich die finanzielle Situation nicht verbessern. „Ab diesem Zeitpunkt wurden keine neuen Mitarbeiter eingestellt, sondern frei werdende Stellen immer nur temporär besetzt.“ Jobs von Mitarbeitern, die 2024 das Werk verließen, seien gar nicht mehr vergeben worden.
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Betriebsrat: „Uns lagen im Juli 190 Kündigungen vor“ – Ergebnis unklar
Der Betriebsratsvorsitzende spricht auch davon, dass das Unternehmen deutlich mehr Beschäftigte kündigen wollten: „Uns lagen im Juli 190 Kündigungen vor. Der Arbeitgeber hat 37 Kündigungen zurückgezogen, weil sich Kollegen für das Freiwilligenprogramm entschieden haben. Für 74 Kündigungen haben wir einen Widerspruch verfasst.“
Wie viele Beschäftigte nun einen Kündigungsbrief erhalten haben, wisse Uwe Sova bis heute nicht: „Dazu schweigt der Arbeitgeber.“ Das ist ein Punkt, den er am Umgang des Konzerns mit dem Stellenabbau deutlich kritisiert: „Viele Informationen bekommt man verspätet oder gar nicht und man muss immer wieder nachbohren. Das ist keine gelebte Sozialpartnerschaft.“
Viele Mitarbeiter verlassen Venator – „kein attraktiver Arbeitgeber mehr“
Sova nannte den vereinbarten Interessensausgleich Ende Juni eine „einvernehmliche Lösung“. Auch jetzt betont er, der Betriebsrat habe „entsprechend der schlechten wirtschaftlichen Situation noch ein gutes Ergebnis vor der Einigungsstelle erreicht“. Viele Beschäftigte hätten beim Freiwilligenprogramm gerne zugegriffen, „denn Venator ist mit den ganzen Umstrukturierungen der letzten zehn Jahre kein attraktiver Arbeitgeber mehr“.
Er sagt aber auch, dass viele Mitarbeiter nun gar nicht wissen, wie es für sie weitergeht. „Es trifft zum Beispiel Schwerbehinderte oder Ältere, die jetzt kaum noch einen Job finden.“ Zudem hätten sich einige Quereinsteiger im Werk hochgearbeitet, ohne einen neuen Berufsabschluss zu machen – sie hätten es jetzt ebenfalls schwer auf dem Arbeitsmarkt.
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Während das frühere Kerngeschäft des Werks – die Titandioxidproduktion – komplett von Homberg nach Uerdingen verlagert wird, soll sich der Standort am Essenberger Rheinufer künftig auf das Geschäft mit funktionellen Additiven (FAD) konzentrieren. Uwe Sova meint, die Venator-Fabrik könnte damit durchaus erfolgreich sein, „aber falls es schiefgeht, liegt es auf jeden Fall an Managementfehlern und nicht an den Beschäftigten oder zu hohen Löhnen“.
Venator-Führung: Umstrukturierung sei für beide Seiten von Vorteil
Der Konzern blickt optimistischer in die Zukunft. Die Titandioxidproduktion sei zum 10. Mai in Duisburg gestoppt und seitdem nicht mehr hochgefahren worden. Die Verlagerung nach Uerdingen verlaufe nach Plan und sei technisch zum Jahresende abgeschlossen. „Darauf folgt die Markteinführung und Qualifikation beim Kunden“, meint Fried-Walter Münstermann.
Das Board-Mitglied sagt: „Wir sind dankbar für das Engagement und die Anpassungsfähigkeit unserer Mitarbeiter und sind zuversichtlich, dass diese Änderungen sowohl für unsere Mitarbeiter als auch für das Unternehmen insgesamt von Vorteil sein werden.“
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- Venator kürzt die Stellen und stoppt die Titandioxidproduktion in Duisburg-Homberg, weil der Konzern unter einem Nachfrage- und Preisverfall beim Titandioxid leide, während die Produktionskosten in Europa steigen, hieß es im Februar.
- Fried-Walter Münstermann erklärte gegenüber der Redaktion im Mai, dass die Fixkosten im Duisburger Werk jährlich bei rund 100 Millionen US-Dollar liegen, im Uerdinger bei etwa 70 Millionen US-Dollar. Die Anlagen an beiden Standorten seien nur zu jeweils 60 bis 65 Prozent ausgelastet.
- In Uerdingen ließen sich zwei Drittel der Titandioxid-Menge aus Duisburg zu deutlich geringeren Fixkosten produzieren, erläuterte der Konzern. Dafür sei im Duisburger Werk das Geschäft mit FAD-Produkten zukunftsfähig – und bereits jetzt profitabel.