Duisburg. Thorsten Pietsch hat einen seltenen Käfer am Rhein in Duisburg entdeckt und spricht von einer Sensation. Doch der Fund macht ihn auch wütend.
„Da ist auch schon der erste“ – mit einer Hand hebt Thorsten Pietsch den großen Stein aus dem Matsch, mit der anderen versucht er, den flinken Käfer einzufangen, der sich hier ins feuchte Dunkel zurückgezogen hat. Ohne Erfolg – aber kein Problem. Dafür hat der 49-jährige Duisburger einen passenden Behälter im Rucksack, mit dem er das kleine Tier einfangen kann. Er ist schließlich Hobby-Koleopterologe.
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Heißt: In seiner Freizeit sucht, fotografiert und bestimmt er Käfer. „Ein bisschen nerdig“, gibt er zu, aber für den Logopäden ein entspannender Ausgleich. Das Hobby habe sich irgendwie ergeben, Natur und Käfer hatten es ihm schon in der Kindheit angetan. Also nimmt er sich in den Sommermonaten immer mal wieder Zeit für kurze Ausflüge in Wälder oder an den Rhein.
Vom Aussterben bedroht: Mehrere seltene Käfer in Duisburg entdeckt
„Da wird man dann auch schonmal komisch angeguckt, wenn man mit der Kamera auf dem Boden rumkrabbelt oder in Misthaufen wühlt“, erzählt er lachend. Will der Alt-Hamborner die kleinen Krabbeltiere vor die Linse kriegen, geht es aber manchmal eben nicht anders. In den vergangenen Jahren habe er schon „viele tausend Käfer“ fotografiert und sie unter anderem von Experten bestimmen lassen.
Dabei habe er mit Fotografie eigentlich nichts am Hut. Um die kleinen Tiere so zu fotografieren, dass man sie auch im Nachgang bestimmen kann, braucht es aber besondere Makro- und Supermakro-Objektive – ein teures Unterfangen also, die Käfersuche. Aber die Ergebnisse können sich sehen lassen. Ein ganzes Buch hat Thorsten Pietsch mal aus seinen Käferfotos zusammengestellt. Die Bilder begeistern nicht nur die kleinen Patienten in seiner Praxis, sie zeigen auch, wie vielfältig und bunt die Käferwelt ist.
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Das Problem: Das Bewusstsein für „die kleinen Krabbler“, wie Pietsch sie liebevoll nennt, sei nicht besonders hoch. „Insekten und das Insektensterben sind in den letzten Jahren immer mehr zum Thema geworden, wobei vor allem Bienen und Schmetterlinge im Fokus stehen. Dabei spielen Käfer in unserem Ökosystem eine ganz wichtige Rolle!“
In seiner Annahme sah sich der 49-Jährige vor kurzem noch einmal bestätigt. Im Juni machte er an der Kiesgrube in Homberg eine besondere Entdeckung: Er fotografierte den Gestreiften Ahlenläufer, ein hochgradig vom Aussterben bedrohtes Tier. Ein Fund, der von Experten – unter anderem vom Käferspezialisten Dr. Christoph Benisch – bestätigt worden sei und ihm „besonders am Herzen“ liege.
Der Gestreifte Ahlenläufer ist auf sandige Ufer angewiesen
Denn der Käfer steht auf der Roten Liste eins, bedeutet: Er ist so stark bedroht, dass er in absehbarer Zeit ausstirbt, „wenn die Gefährdungsursachen fortbestehen“. Der Gestreifte Ahlenläufer lebt in sandigen Uferbereichen. Doch durch Flussbegradigungen, Freizeitnutzung und Baumaßnahmen an Ufern verschwindet dieser Lebensraum zunehmend.
Neben dem Gestreiften Ahlenläufer fand Pietsch auch noch weitere seltene und gefährdete Käfer in Homberg. Auf den Fund habe trotz zweimaliger Nachfrage bei der Stadt niemand reagiert: „Das Desinteresse kann ich mir nicht erklären.“ 2016 entdeckten Forscherinnen und Forscher die Art an der neuen Lippemündung – einen „bedeutenden Fund“ nannten Experten das damals.
„Auf der einen Seite wird bei dem Fund des Käfers von einer Sensation gesprochen und auf der anderen Seite interessiert es in Duisburg scheinbar niemanden.“
Der Hobby-Käferexperte findet es bedauerlich, dass der Lebensraum der Käfer systematisch zerstört werde. Die Verwaltung sagt dazu: „Die Stadt Duisburg legt mit dem Landschaftsplan Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete und sogenannte ‚geschützte Landschaftsbestandteile‘ fest. Alle Tier- und Pflanzenarten, die in diesen Bereichen vorkommen, werden somit geschützt. Die Orte, an denen der Gestreifte Ahlenläufer in Duisburg beobachtet wurde, zählen bereits dazu.“
So zumindest die Theorie. Allerdings ist das Homberger Rheinufer ein beliebtes Ausflugsziel. Pietsch berichtet, dass es gerade an der Kiesgrube von Jahr zu Jahr voller werde. Es gebe hier keine konsequente Überwachung, obwohl das Betreten verboten sei – manchmal würden Menschen hier sogar schwimmen.
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Lebensraum des Ahlenläufers wird unwissentlich zerstört
Für die Käfer ist das eine Katastrophe. Laufen viele Menschen über den Sand, werden Eier und Larven des Ahlenläufers dabei unwissentlich zerstört. Pietschs Fazit: Die Kiesgrube müsse dringend stärker kontrolliert und geschützt werden.
Dabei ist der Stadt bekannt, dass hier gefährdete Insekten leben: „Seit dem Jahr 2020 wurden in Walsum und Homberg Gestreifte Ahlenläufer beobachtet“, teilt Pressesprecher Sebastian Hiedels mit. Das gehe aus den Meldungen auf observation.org hervor – einer Webseite, auf der Tierbeobachtungen hochgeladen werden können.
„Die Käferart kommt in Deutschland selten vor und diese Beobachtungen sind daher bedeutsam und positiv zu bewerten“, heißt es weiter. Insektenmonitoring, also eine Überwachung der Population, gebe es aber nicht.