Duisburg. Wut auf Konzernvorstand und die Krupp-Stiftung prägen die Stimmung der Duisburger Stahlkocher. Warum die Unsicherheit nun noch weiter wächst.

Die Hütte brennt! Als Symbol dafür brennt am Donnerstagmorgen das Feuer in Blechtonnen vor dem Eingang zur Hauptverwaltung in Duisburg-Bruckhausen. Dort tagt um 15 Uhr der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp Steel Europe (TKSE). Am Mittwoch wurde bekannt, dass Stahlchef Bernhard Osburg, Arbeitsdirektor Markus Grolms und Vorständin Heike Denecke-Arnold gehen müssen. Die Stimmung der Duisburger Belegschaft könnte schlechter kaum sein.

Duisburger Betriebsrat empört über die Ablösung des Vorstands

Sigmar Gabriel und Detlef Wetzel treffen bereits um 11.30 Uhr ein, grüßen kurz die rund 500 Beschäftigten, die schon an der Mahnwache stehen. Wenig später macht die Nachricht die Runde, auch der Aufsichtsratsvorsitzende und sein Stellvertreter würden nach der Sitzung ihre Ämter niederlegen. Die Gerüchte sollten sich nach der Sitzung um 18 Uhr bestätigen.

Auf einer improvisierten Bühne sprechen Ali Güzel, der Betriebsratsvorsitzende und Karsten Kaus, 1. Bevollmächtigter der IG Metall. Sie sehen ihre Befürchtung bestätigt, Konzernchef López strebe eine Halbierung der Hütte an. Das sei, so rechnen sie, aus technischen Gründen die Folge einer Absenkung der Produktion unter die von Stahl-Vorstand Bernhard Osburg angepeilte Schwelle von 9,5 Millionen Tonnen. „Die Politik muss jetzt handeln, darf nicht aus Berlin mit dem Fernglas zuschauen“, fordert Güzel.

Der Zorn der Beschäftigten richtet sich gegen Konzernchef Miguel López. Seinen Rücktritt fordern die Beschäftigten von Thyssenkrupp Steel auch per Online-Petition.
Der Zorn der Beschäftigten richtet sich gegen Konzernchef Miguel López. Seinen Rücktritt fordern die Beschäftigten von Thyssenkrupp Steel auch per Online-Petition. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Junge Beschäftigte: „Wollen keine Angst um unsere Jobs haben“

„Man hat die Vorstände zum Rücktritt gezwungen. Das ist eine Sauerei“, ruft Dirk Riedel, der stellv. Leiter des Vertrauenskörpers in die Menge. „López raus“-Rufe schallen zurück. Die Scheiben der Zentrale sind gepflastert mit dem Konterfei des Konzernchefs und dem Hinweis auf die Online-Petition „LopezNotMyCEO“ (López nicht mein Vorstandsvorsitzender).

Zielscheiben der Kritiker sind einmal mehr auch Siegfried Russwurm, Aufsichtsratschef der AG und die Vorsitzende der Krupp-Stiftung, Ursula Gather. „Sie stellen sich vor López.. Ein Rheinhausen 2.0 werden wir nicht akzeptieren“, kündigt Riedel einen Kampf um jeden Arbeitsplatz an.

Wünscht sich eine Zukunft ohne Angst um den Job: Luca Domnick (23) ist Industriemechaniker bei Thyssenkrupp Steel.
Wünscht sich eine Zukunft ohne Angst um den Job: Luca Domnick (23) ist Industriemechaniker bei Thyssenkrupp Steel. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Luca Domnick ist einer der vielen junge TKSE-Beschäftigten, die hier stehen. „Unsicherheit“, sagt er zu seiner Gefühlslage. Seit vier Jahren ist der Industriemechaniker bei TKSE, mit der Abteilung Sauerstoff ist er im gesamten Werk unterwegs. „Ich wünsche mir Sicherheit, um in einigen Jahren eine Familie gründen zu können“, sagt der 23-Jährige. „Wir brauchen sozialverträgliche Lösungen, damit wir Jungen keine Angst haben müssen.“

Eine „Angstkultur“ dürfe es nicht geben, betont auch Jens Burnicki. „Wir haben hier tolle Spezialisten und müssen als Arbeitgeber attraktiv bleiben, um sie nicht zu verlieren“, sagt der Sekretär des Betriebsrats, „leider ist die gute Stimmung, die noch vor einem Jahr herrschte, komplett dahin.“

Willi Segerath: „Brauchen Manager, die soziale Verantwortung spüren“

Auch Willi Segerath ist gekommen. „Dramatisch“ nennt der langjährige Vorsitzende von Gesamt- und Konzernbetriebsrat (bis 2018) die Lage von Thyssenkrupp Steel. „Es geht um die Zukunft der industriellen Wertschöpfung.“ Es brauche nun „Manager die nicht nur auf den Finanzmarkt schauen, sondern auch soziale Verantwortung spüren.“

Erfahrener Arbeitskämpfer: Auch Willi Segerath, langjähriger Vorsitzender des Gesamt- und Konzernbetriebsrats unterstützte am Donnertag den Protest der Belegschaft an der Mahnwache.
Erfahrener Arbeitskämpfer: Auch Willi Segerath, langjähriger Vorsitzender des Gesamt- und Konzernbetriebsrats unterstützte am Donnertag den Protest der Belegschaft an der Mahnwache. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

„López und Russwurm haben die Montan-Mitbestimmung gecrasht, aber sie ist kein Auslaufmodell“, glaubt der 71-Jährige. Es gebe nach den Erfahrungen bei Thyssenkrupp aber „Anlass, sich Gedanken über die Zukunft der Mitbestimmung in börsennotierten Konzernen zu machen“.

Rasmus C. Beck: Austausch des Managements ist unverantwortlich

Auch Rasmus C. Beck, Geschäftsführer von Duisburg Business & Innovation (DBI) meldet sich am Donnerstag zu Wort. „Mit großer Akzeptanz und klarem Plan hat Bernhard Osburg mit seinem Team die Zukunft des Stahls in Duisburg gestaltet. Gerade in der entscheidenden Phase der grünen Transformation, in der auch Investoren für ein tragfähiges Geschäftsmodell mit grünem Stahl gewonnen werden müssen, ist Vertrauen und personelle Kontinuität von größter Bedeutung“, so der Chef der Wirtschaftsförderung. Beck: „Das fachlich anerkannte und von der Belegschaft geschätzte Management komplett auszutauschen, ist eine unverantwortliche Strategie.“

>> OB SÖREN LINK FÜR BETEILIGUNG DER POLITIK: „GELD MUSS EINE STIMME HABEN“

  • Zu einem Solidaritätsbesuch kam Oberbürgermeister Sören Link am Donnerstag zur Mahnwache. Geplante Nachmittagstermine sagte er dafür ab. „Ich bin traurig und verunsichert, als OB, Stahlkind und Bürger diese Stadt“, so Link.
  • Er habe den Eindruck, dass der der AG-Vorstand „den mit Abstand größten Arbeitgeber in Duisburg fast zum Abschuss freigegeben hat“, so der OB. „Ich kann nur hoffen, dass Vernunft in Essen einzieht.“
  • Ihm seien „keine sachlichen Vorwürfe bekannt“ gegen das Konzept von Stahlchef Bernhard Osburg, so Link weiter: „Wenn es aber um persönliche Befindlichkeiten geht, habe ich andere Erwartungen an einen Konzernvorstand.“
  • Rund zwei Milliarden Euro Fördergeld für Thyssenkrupp für den Bau der DRI-Anlage im Duisburger Norden seien ein guter Grund für die Politik, einen Sitz im Aufsichtsrat zu beanspruchen, findet der OB. „Ich würde das sehr begrüßen. Das Geld sollte eine Stimme haben.“