Duisburg. Duisburg-Ungelsheim sei ein „verwaister“ Stadtteil, sagt ein Duisburger. Er greift die Stadt scharf an – und hat diesen ungewöhnlichen Wunsch.
Das ist mal eine Ansage. Was wünscht sich dieser Duisburger, dieser langjährige Ungelsheimer, für seinen Stadtteil? Für einen Stadtteil, der in Duisburg als abgehängt, überaltert, gar als „tot“ gilt? Die Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen. „Ungelsheim in den Düsseldorfer Norden eingemeinden.“ Kein Lachen, nicht einmal ein Schmunzeln. Dieser Wunsch ist todernst gemeint.
Und er ist gereift, über 30 Jahre, die der gebürtige Duisburger, der anonym bleiben möchte, nun in Ungelsheim lebt. Woher kommt dieser Wunsch für den geschichtlich jüngsten Stadtteil Duisburgs? „Die Stadt tut nichts für Ungelsheim“, sagt er, „das ist hier ein verwaister Stadtteil.“ Er erinnert sich daran, dass Bärbel Bas (SPD) einmal auf dem Marktplatz Wahlkampf gemacht hat. „Aber sie ist bestimmt nicht Bundestagspräsidentin geworden, weil sie sich in Ungelsheim so gut verkauft hat.“ Ein bisschen Galgenhumor im Angesicht der Misere.
Düsseldorf würde mehr für Ungelsheim tun, meint ein Duisburger
„Wenn wir zum Düsseldorfer Norden gehören würden, dann würde mehr im Stadtteil getan werden“, ist er sich sicher, und erzählt von maroden Buckelpisten in Ungelsheim: „Solche Straßen habe ich in Düsseldorf noch nie gesehen.“ Außerdem, sagt er, würde es die Immobilienpreise stabilisieren oder gar steigen lassen, hieße der Stadtteil plötzlich Düsseldorf-Ungelsheim.
Von der Lokalpolitik und den Lokalpolitikern fühlt er sich als Ungelsheimer „verlassen“, die würden sich dort nämlich nicht zeigen. Dabei hat er beinahe so etwas wie Verständnis. „Ungelsheim bringt der Politik nichts“, sagt der Duisburger. Tatsächlich ist Ungelsheim, Stand 2019, mit 3017 Einwohner der bevölkerungsärmste Stadtteil Duisburgs.
Warum ein Duisburger gerne in Ungelsheim lebt – trotz aller Probleme
Aber Vorsicht, nicht falsch verstehen: Der Duisburger hängt an Ungelsheim, lebt gerne dort. Eine Dorfgemeinschaft gebe es schon, sagt er, nach 30 Jahren im Stadtteil kenne er mittlerweile jeden. Dass der Stadtteil einst für die Angestellten der Hüttenwerke Krupp-Mannesmann (HKM) gebaut wurde, spüre man heute noch. „Das prägt unser Dorf hier sehr, die Mannesmänner sind ein eigener Menschenschlag. Viele kennen sich ja auch von der Arbeit. Und vor allem haben die meisten von ihnen das Herz am rechten Fleck.“
Doch seit einigen Jahren tue sich etwas im Dorf, „die erste Generation stirbt so langsam weg“, sagt der Duisburger, und sofern keine Nachfahren ins Elternhaus ziehen, werden die Immobilien verkauft. „An Fremde“, sagt er, und das ist gar nicht so negativ gemeint, wie es vielleicht klingt. Im Gegenteil. „Jetzt kommt frisches Blut ins Dorf, junge Familien, die mit HKM gar nichts zu tun haben. Das tut dem Stadtteil richtig gut.“
Sorge um junge Familien in Duisburg-Ungelsheim
Denn wenn Ungelsheim in Duisburg für eine Sache bekannt ist, dann, das „Altenheim der Stadt“ zu sein. Immerhin, für die Senioren werde eine Menge getan, sagt er – aber nicht von der Stadt. „Die Awo und Rheinwohnungsbau sind hier sehr aktiv, das ist schön.“ Vor wenigen Tagen erst hat die Awo gemeinsam mit der Wohnbaugesellschaft den „Quartiertreff Ungelsheim“ eröffnet, ein Anlaufpunkt speziell für ältere, ausdrücklich aber für alle Ungelsheimer Bürger.
Ein wenig sorge sich der Duisburger um die neuen, jungen Familien. „Für Kinder gibt es hier ja absolut nichts, mit Ausnahme des XXL-Centers und des Sportvereins.“
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Ansonsten, sagt der Duisburger, sehe es aber eher trist aus im Stadtteil. „Die evangelische Kirche macht zwar viel, aber die katholische Kirche fährt auf Sparflamme.“ Einkaufsmöglichkeiten gebe es nicht, die Sparkasse wurde durch den Sparkassen-Bus ersetzt, der alle paar Tage kommt. „Für ältere Menschen eine Katastrophe“, sagt der Ungelsheimer.
Im Stadtteil gibt es noch einen Allgemeinmediziner, einen Tierarzt, eine Apotheke, einen Frisör, einen Imbiss und eine Kneipe. „Das ist ja schonmal nicht schlecht“, seufzt der Duisburger, „aber gut ist es auch nicht. Und der Markt ist auch keine Alternative. Der besteht aus zwei Ständen.“ Und da offenbart sich dann das nächste Problem: die Mobilität. „Ohne Auto geht hier nix“, sagt der Duisburger.