Duisburg. Arbeitssklaven aus Polen lebten in Bruchbuden und bekamen nur 50 Euro im Monat: Was im Prozess gegen eine Duisburger Bande ans Licht kommt.
Menschenhandel mit Gewalt nennt das Strafgesetzbuch das, wofür sich vier Männer und eine Frau vor dem Landgericht am König-Heinrich-Platz verantworten müssen. Das klingt weit weniger dramatisch als das, was es tatsächlich gewesen sein soll: In einer Vielzahl von Fällen sollen die Angeklagten in Duisburg Männer und Frauen aus Polen als Arbeitssklaven missbraucht haben (wir berichteten).
Die beiden Haupttäter, ein 36-jähriger Duisburger und ein 51-jähriger Mann aus Gelsenkirchen, sollen im Jahr 2022 auf die Idee gekommen sein, auf ebenso kriminelle wie skrupellose Weise, die Arbeitskraft von Menschen und ihren Wunsch nach einem bessern Leben auszunutzen. Mit Hilfe eines 34-jährigen Duisburgers, der mehrere Scheinfirmen gegründet und mit Strohmännern besetzt haben soll, sollen sie ihre Aktivitäten verschleiert haben.
Arbeiter aus Polen sollen in Duisburg und im Ruhrgebiet nur Taschengeld bekommen haben
In Polen sollen die Haupttäter ab Sommer 2022 über soziale Netzwerke, Anzeigen im Internet und durch Mundpropaganda Leute angeworben haben. Ihnen wurden Jobs mit guter Bezahlung und angemessene Unterkünfte versprochen. Die Freiwilligen wurden dann per Kleinbus nach Duisburg gebracht. Dort meldete man sie ordnungsgemäß bei der Stadt an und verschaffte ihnen Bankkonten. Die Anklage geht davon aus, dass für diesen Teil eine polnischsprachige 40-Jährige aus Duisburg zuständig war, die ebenfalls auf der Anklagebank sitzt.
Über eine Zeitarbeitsfirma, die nichts mit dem kriminellen Plan zu tun gehabt haben soll, wurden die Menschen auf diversen Baustellen am Niederrhein und im Ruhrgebiet eingesetzt. Auch für die eigenen Firmen der kriminellen Organisation mussten sie als Bauhelfer oder Reinigungskräfte arbeiten. Bis auf 50 Euro Taschengeld sollen die Geschädigten jedoch nie etwas von ihrem Lohn gesehen haben. Ihre Post wurde abgefangen, wirkliche Kontogewalt sollen sie nie gehabt haben.
Quartiere sollen Bruchbuden gewesen sein
Stattdessen sollen die Angeklagten nahezu den gesamten Lohn einbehalten haben, insbesondere als Miete für die Unterbringung der Arbeitssklaven in von den Scheinfirmen angemieteten Wohnungen. In drei schäbigen Quartieren in Wanheimerort, Rheinhausen und Neudorf soll es keine Möbel und kein warmes Wasser gegeben haben, dafür aber Kakerlaken. Mindestens 125.000 Euro sollen die Angeklagten auf diese Weise von 49 Personen kassiert haben.
Den Polen wurden die Personalpapiere abgenommen, ohne Erlaubnis durften sie ihre Quartiere nicht verlassen, wurden beinahe lückenlos – auch am Arbeitsplatz – überwacht. Wer sich darüber beschwerte oder gar nachfragte, was eigentlich mit seinem Lohn sei, wurde laut Anklage bestraft. Frauen sollen als Strafmaßnahme dazu gezwungen worden sein, bei einem weiteren Angeklagten, einem 34-jährigen Duisburger, zu übernachten. Für kleinere Vergehen sollen Geldstrafen verhängt worden sein, nicht selten sollen vor allem die Hauptangeklagten auch zugeschlagen haben.
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Am ersten Verhandlungstag wurde lediglich die lange Anklageschrift verlesen. Drei Angeklagte, darunter die seit Mai 2023 in Haft sitzenden Hauptangeklagten, kündigten an, sich gar nicht zu den Vorwürfen äußern zu wollen. Zwei weitere wollen sich zu einem späteren Zeitpunkt einlassen. Zeit haben sie genug. Bis zum Oktober sind acht weitere Sitzungstage geplant.
>>Razzia im Mai 2023
Seit Anfang 2023 ermittelten Polizei und Staatsanwaltschaft gegen die Bande. Im Mai 2023 durchsuchten Einsatzkräfte dann neun Objekte und stellten Bargeld, geringe Mengen an Betäubungsmitteln, über 5000 Schachteln mit unversteuerten Zigaretten sowie umfangreiche Unterlagen sicher.