Duisburg. Bei einer ungewöhnlichen Aktion klären Muslimas in Duisburg über das Kopftuch auf. Warum sie sich bedecken – eine Burka aber nicht infrage kommt.
„Ich bin eine Muslima – haben Sie Fragen?“: Mitten in der Duisburger Innenstadt, auf der Königstraße, zieht ein großes Plakat die Aufmerksamkeit von Passanten auf sich. Daneben ein kleiner Tisch, überhäuft mit Broschüren, die den Islam erklären: „Erlaubtes und Verbotenes im Islam“ und „Der Weg zum religiösen Frieden“ steht auf den kleinen Heftchen.
Um den Tisch herum steht eine Gruppe Muslimas. Die jungen Frauen tragen alle ein Kopftuch. Ihr Ziel an diesem Tag: Mit den Menschen ins Gespräch kommen und Vorurteile abbauen. Hauptthema: das Kopftuch. Die Frauen erklären, was es wirklich mit Unterdrückung zu tun hat – und warum die Burka für sie keine Option ist.
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Muslimas beantworten in Duisburg Fragen zum Kopftuch
Die kleine Gruppe besteht aus Marwah Usman (18) und den Schwestern Nidda-Ul-Fateh (35) und Farrah Mubeen Malik (40). Unterstützt werden sie von weiteren Mitgliedern der islamischen Frauenorganisation „Lajna Imaillah Mülheim“. Die ist wiederum Teil der islamischen Gemeinschaft „Ahmadiyya Muslim Jamaat“.
Die Ahmadiyya Muslim Jamaat
Die Ahmadiyya bezeichnet sich selbst als Reformbewegung. Die Bewegung wird von vielen Muslimen stark kritisiert, in einigen Ländern werden Anhänger sogar vom Staat verfolgt. Hintergrund: Die Ahmadis sehen ihren Gründer als Propheten und Messias an. Das widerspricht dem Glauben vieler Muslime, dass Mohammed der letzte Prophet gewesen ist.
Abgesehen davon unterscheiden sie sich aber kaum von anderen Muslimen. Religionswissenschaftler Peter Antes fasst zusammen: „Die Ahmadis praktizieren ihren Glauben ebenso wie andere Muslime auch: Sie haben ihre Moscheen, sie beten, sie fasten im Ramadan und betrachten den Koran als von Gott geoffenbartes Wort.“
Burka statt Kopftuch? „Zu extrem“
Wie viele andere Muslimas bedecken auch Marwah, Nidda-Ul-Fateh und Farrah Mubeen Körper und Haare – um ihre „Schönheit und Reize“ vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Freiwillig, wie sie betonen, und um Keuschheit zu symbolisieren. Warum dafür die Haare bedeckt sein müssen? Nidda-Ul-Fateh erklärt: Es gehe dabei nicht zwingend um die Haare. Für sie gehören die Haare aber zum Körper, das Kopftuch somit zur Körperbedeckung: „Ich will damit das Wohlwollen von Gott erlangen. Das ist mir am allerwichtigsten.“
Eine Burka, also die vollständige Verschleierung von Körper und Gesicht, finden die Frauen für sich aber trotzdem „zu extrem“. Das sei das Schöne am Kopftuch, erklärt Nidda-Ul-Fateh, dass man sich ausreichend bedecken könne, ohne sich etwa in der Bewegungsfreiheit einzuschränken. Burka-tragende Frauen verurteile sie aber nicht: „Vielleicht hat die Frau, die Burka trägt, das genauso gelernt und fühlt sich anders unwohl.“ Genau wisse man das natürlich nie – Spekulationen sorgen aber nur für noch mehr Vorurteile.
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Nach eigenen Angaben lehnen die Ahmadis Zwang und Verbote jeglicher Art ab: „Ich glaube, da sind wir uns alle einig: Wenn man etwas macht, dann sollte man das aus vollem Herzen machen. Und wenn man versucht, jemandem etwas aufzuzwingen, und sei es nur das Kopftuch – das geht nicht gut.“
Wenn Frauen im Iran zur Verschleierung gezwungen werden, habe das demnach auch nichts mit dem Islam zu tun, sondern mit dem Patriarchat. Trotzdem – oder gerade deshalb – werde das Kopftuch in westlichen Ländern oft mit Unterdrückung in Verbindung gebracht, was wiederum zu Angst vor Diskriminierung führe. Einige Muslimas verzichten aus diesem Grund sogar auf das Kopftuch.
Kritik am Kopftuch
Im Koran steht zwar, dass Frauen sich bedecken sollen, eine Kopftuch-Pflicht wird aber nicht explizit erwähnt. Auch wenn viele Frauen sagen, dass sie das Kopftuch aus freien Stücken tragen, meinen Kritiker, dass sie es dennoch in einem von Männern dominierten Umfeld tun.
So sagt Islamismus-Experte Ahmad Mansour zum Kopftuch: „Es ist ein Ausdruck von Tabuisierung der Sexualität, von Geschlechtertrennung, von Machtdemonstration der patriarchalischen Strukturen.“
Islam in den Medien: Muslimas kritisieren Darstellung
Negative Erfahrungen habe Nidda-Ul-Fateh bisher aber kaum gemacht. Ihr werde im Alltag meist mit Respekt begegnet: „Und das beziehe ich in erster Linie auf mein Kopftuch.“ Natürlich seien sie alle aber auch schon mit Vorurteilen konfrontiert worden. „Die meisten denken, dass wir kein Deutsch können“, sagt Farrah Mubeen lachend, „und dass wir Bürgergeldempfänger und ungebildet sind. Das sind Dinge, die mit dem Kopftuch verbunden werden.“
Die Frauen vermuten, dass das mit der negativen Presse zum Islam zusammenhängen könnte: „Irgendwann verankert sich dann das negative Bild in den Köpfen der Menschen.“ Das wiederum führe dazu, dass viele Menschen Angst vor dem Islam bekämen – vor allem solche, die am wenigsten Kontakt mit ihm haben.
„Die Menschen gehen oft mit einem positiven Bild vom Islam aus dem Gespräch.“
Dabei identifizieren die Muslimas sich ganz klar als Deutsche. Die beiden Schwestern kamen vor über 30 Jahren nach Deutschland, beide sind Mütter von vier Kindern. Farrah Mubeen studiert außerdem noch Soziologie mit dem Ziel, den Master zu machen. Marwah kam vor acht Jahren nach Deutschland, hat gerade ihr Abitur gemacht und möchte jetzt Medizin studieren.
Das Motto ihrer Frauenorganisation: „Mein Kopftuch, meine Wahl. Deutschland, meine Heimat.“ Die Organisation trage außerdem viel Positives zur Gesellschaft bei: Aufräumaktionen an Silvester, Baumpflanzungen, Besuche im Altenheim.
Und um darüber aufzuklären, sei es eben wichtig, mit Menschen ins Gespräch zu kommen: „Man muss nicht von der Meinung des Gegenübers überzeugt sein. Aber wenigstens offen für ein Gespräch.“ Marwah, Nidda-Ul-Fateh und Farrah Mubeen finden: Was das angeht, laufe es in Duisburg sehr gut.