Duisburg. Es ist heiß, stickig, die Fahrgäste sind aggressiv: Ein Selbsttest offenbart im Schienenersatzverkehr zwischen Duisburg und Essen viele Probleme.
Täglich grüßt das Murmeltier. Bahnreisende haben häufig mit Herausforderungen zu kämpfen. Doch wer aktuell den Schienenersatzverkehr (SEV) zwischen Duisburg, Mülheim, Essen und Oberhausen nutzt oder genutzt hat, hat mit noch unangenehmeren Bedingungen zu kämpfen, als es üblicherweise der Fall ist.
Seit Montag, 22. Juli, verkehren Züge am Duisburger Hauptbahnhof wegen Bauarbeiten an der A3-Brücke am Autobahnkreuz Duisburg-Kaiserberg nur noch eingeschränkt. Deshalb werden noch bis zum voraussichtlichen Ende der Einschränkungen am Freitagabend Busse eingesetzt. Doch einige Fahrgäste sind schockiert von der schlechten Planung und Umsetzung. Außerdem soll es zu Beleidigungen von Seiten eines Busfahrers gegenüber den Fahrgästen gekommen sein, wie Wolfgang Malkowski berichtet.
Ein Selbsttest zeigt: Gerade zu den Stoßzeiten am Morgen und am Nachmittag ist die Situation besonders prekär. Dicht aneinander gedrängt stehen dutzende Menschen im Schnellbus Richtung Essen. Bewegungsfreiheit ist so gut wie gar nicht vorhanden.
Schienenersatzverkehr im Ruhrgebiet: Rücksichtsloses Verhalten in Schnellbussen
Pendlerinnen und Pendler sind für die Fahrten mittlerweile gut ausgestattet und haben ihre Wasserflaschen griffbereit. Ansonsten ist die Hitze und schlechte Luft in den überfüllten Bussen kaum zu ertragen. Diejenigen, die nur auf der Durchreise sind, haben weniger Glück. Auf solche Situation haben sie sich bei ihrer Reiseplanung nicht eingestellt. Viele scheitern an dem Versuch, mit ihren Koffern oder Fahrrädern einen Platz im Bus zu finden. „Komm wir nehmen einfach den nächsten”, ruft eine Reisende mit zwei Koffern in der Hand zu ihrer Freundin beim Versuch einzusteigen.
Als ob das nicht schon unangenehm genug wäre, kommen entnervte Fahrgäste hinzu. „Pass doch mal auf, wo du hintrittst“, ruft ein Fahrgast dem anderen zu. Die Stimmung ist angespannt. Manch einem ist es nicht übel zu nehmen. Doch einige Menschen drängen rücksichtslos in die Busse hinein. Ohne andere Fahrgäste vorher aussteigen zu lassen. Viele ignorieren zudem die Aufforderung, zuerst Menschen mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer in den Bus einsteigen zu lassen.
„Manche Fahrgäste verhalten sich unmöglich“, sagt Christian Wahl. Er pendelt täglich zwischen Duisburg und Essen. „Als ich gestern einer gesagt habe, dass sie doch erstmal die Menschen rauslassen soll, hat sie angefangen, mich zu beleidigen“, erzählt er. „Ich bin auch genervt, dass ich im Moment um 4 Uhr aufstehe, damit ich um 7 Uhr pünktlich bei der Arbeit bin. Aber das kein Grund, sich so respektlos zu verhalten”, so Wahl.
SEV in Duisburg: Viel Kritik von Kunden
„Die haben hier schon so oft einen Ersatzverkehr eingerichtet und kriegen es einfach nicht hin”, sagt Roland Dickmann. Er pendelt in der Woche täglich von Essen nach Rumeln und wieder zurück. Normalerweise ist er knapp eine Stunde unterwegs. Mit dem SEV muss er aktuell mit über zwei Stunden pro Weg rechnen. Er findet, aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre hätte man lernen müssen, mehr Busse in den Stoßzeiten einzusetzen.
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„Das Problem ist auch, dass die Busse immer unpünktlich kommen”, sagt Dickmann. Dann versuchen sich Hunderte Menschen auf einmal in den Bus zu drängen. Dann muss er das Gespräch unterbrechen. Sein Bus ist endlich da. „Ich versuche mal mein Glück”, sagt er. Bereits jetzt tropft Schweiß von seiner Stirn an seinem Blaumann herunter.
Busfahrer sind ebenfalls gestresst von der Situation
Ein Busfahrer von Busunternehmen Haniqi, der für den aktuellen SEV im Einsatz ist, beschreibt die Zustände ebenfalls als chaotisch. Allerdings betrachtet er die Lage etwas differenzierter als die gestressten Fahrgäste. „Der Bus ist nun mal auf den Straßenverkehr angewiesen“, sagt er. „Wenn wir zu den Stoßzeiten selbst im Stau stehen, schaffen wir es nun mal nicht pünktlich da zu sein“, fügt er hinzu.
Dann würde man aber oft den Frust der Fahrgäste abbekommen, obwohl man nichts dafür kann. „Wenn wir mal keinen mehr in den Bus lassen, machen wir das nicht, weil wir böse Absichten haben“, sagt er. Für Busfahrer sei das Wohl der Fahrgäste oberste Priorität. „Wenn ich mit so einem überfüllten Bus eine Vollbremsung machen muss, bin ich morgen im Knast“, erklärt er. Das Einzige, was man machen könnte, wäre mehr Busse einzusetzen. Der Busfahrer verweist aber darauf, dass auch seine Branche mit Personalmangel zu kämpfen habe.
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Einen deutlichen Kritikpunkt, der auch leicht zu ändern wäre, äußert er trotzdem: „Die Beschilderung ist wirklich schrecklich.“ In Essen habe er mit weiteren Busfahrern aus Pappe und mit einem Kugelschreiber Schilder gebastelt, damit sich die Fahrgäste an der Haltestelle richtig platzieren. „So kann man dem chaotischen Gewusel ein bisschen entgegenwirken“, erklärt er. Was bei diesem Problem hinzukommt, ist, dass die LED-Außenanzeigen bei Bussen entweder nicht funktionieren oder ausgeschaltet sind.
Lediglich kleine Schilder in den Windschutzscheiben der Busse geben einen Hinweis auf die Route der Ersatzbusse. Außerdem sollen einige der Busfahrer kein Deutsch können, weshalb sie bei Fragen der Fahrgäste nicht weiterhelfen können.
Das sagt National Express zu der Kritik
Oliver Huß vom Bahnunternehmen National Express erklärt, dass eine höhere Taktung der Ersatzbusse aufgrund der Kapazitäten am Essener und Duisburger Hauptbahnhof nicht möglich sei.
Über eine unzureichende Beschilderung sei keine Beschwerde eingegangen. „Die Haltestellen wurden von den Busunternehmen aus Sicht von National Express sehr gut ausgeschildert“, so Huß. Einzelne Beschwerden über die eingesetzten Busfahrer seien an die beauftragten Busunternehmen weitergegeben worden. Außerdem erklärt er, dass bei einem solch umfangreichen SEV in den ersten Tagen immer mit Anlaufschwierigkeiten zu rechnen sei.
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