Duisburg. Das Landfermann ist das älteste Gymnasium in Duisburg. Den alten Schulknast gibt es immer noch. Diese Absolventen sind keine Unbekannten.

Das Landfermann-Gymnasium ist die älteste Schule in Duisburg und gehört sogar mit zu den ältesten Bildungseinrichtungen der Bundesrepublik. Zum 465. Geburtstag haben sich die Schülerinnen und Schüler nun damit beschäftigt, wie der Schulalltag früher aussah, welche Fächer es gab, die inzwischen weggefallen sind und was mit dem so genannten Karzer, einer Arrestzelle für Aufmüpfige, auf sich hatte.

So viel sei verraten: Die meisten Jugendlichen sind ganz froh, dass sie heute den Unterricht besuchen und sich nicht mehr vor Strafen fürchten müssen. Die Lehrpläne waren Spiegel ihrer Zeit – und wurden mehrfach geändert.

Geschichte des Duisburger Landfermann reicht zurück bis ins Jahr 1280

Johannes Clauberg war der erste Rektor der alten Universität und des Landfermann-Gymnasiums.
Johannes Clauberg war der erste Rektor der alten Universität und des Landfermann-Gymnasiums. © Privat (Wikipedia)

Ein Blick in die Geschichtsbücher: Gegründet 1559 bekam das Gymnasium zwar erst im Jahr 1925 seinen heutigen Namen. Doch die Vorläufer-Schule, die so genannte Schola Duisburgensis, findet sich bereits in den Chroniken von 1280. Der Rektor stand im Dienst der Stadt. Ab 1512 wurde das Holzgebäude der Schola abgerissen und ein gemauertes Haus mit vier Klassenzimmern dort errichtet, wo sich heute etwa das Rathaus befindet. Am 20. Februar 1559 stellten Bürger, vor allem evangelische, einen Antrag an den Rat der Stadt, eine Höhere Schule zu errichten. Schon bald reichten die Räume nicht mehr aus und in der Verkaufshalle am Alten Markt und in der oberen Kapelle wurde unterrichtet.

Die Schule gliederte sich in zwei Abteilungen. In der Schola Grammatica wurde das ABC gelehrt und beispielsweise auch die Lektüre Ciceros. Das Gymnasium knüpfte an die „grammatischen Studien“ an. Zu den berühmtesten Lehrern gehörte übrigens Gerhard Mercator, der hier den Kindern von 1559 bis 1562 Mathematik, Astronomie, Vermessungslehre und Geografie beibrachte.

Auch Gerhard Mercator unterrichtete in den ersten Jahren am Landfermann.
Auch Gerhard Mercator unterrichtete in den ersten Jahren am Landfermann. © Stadtarchiv Duisburg | Stadtarchiv Duisburg

Doch die Katholiken blickten kritisch nach Duisburg und auf die Schule. Sie galt als ketzerisch, auch wegen ihrer Lehrer, die von Erasmus von Rotterdam ausgebildet wurden. Schließlich zog Papst Pius IV. die Errichtungsbulle im Jahr 1561 wieder zurück. Das brachte die Bildungseinrichtung in große Schwierigkeiten. Zeitweise bestand deshalb nur noch die alte Grammatikschule.

1637: Schüler büffelten 51 Stunden pro Woche

Ajna Alikadic und Esin Altinbay (v.li.) zeigten beim Projekttag, wie man sich früher gekleidet hat.
Ajna Alikadic und Esin Altinbay (v.li.) zeigten beim Projekttag, wie man sich früher gekleidet hat. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Spanische Besatzer versuchten ab 1614 insgesamt 15 Jahre lang die Bevölkerung wieder zum alten Glauben zurückzuführen. Zeitgleich setzten sich Lehrer und Duisburger ein, eine der letzten protestantischen Schulen des Rheinlands zu retten. Aus dem Jahr 1637 ist eine Schulordnung überliefert. Unter anderen sollte die „Schulzucht“ wieder hergestellt werden, zudem gab es religiöse, calvinistische, Vorgaben. Laut Stundenplänen hatten die Schüler satte 51 Wochenstunden Unterricht. Außerdem sollte nur lateinisch gesprochen werden. Die Landfermann-Gymnasiasten von heute haben außerdem notiert: „Die Lehrerinnen wurden früher mit Fräulein angesprochen!“ Auch war „neugieriges Umhergaffen im Unterricht“ verboten.

Unter Rektor Geusauff erreichte die Schule von 1638 bis 1645 eine Blütezeit. 229 Kinder wurden unterrichtet, davon 149 Auswärtige. 1652 übernahm schließlich Dr. Johannes Clauberg die Schulleitung. Er war ebenfalls erster Rektor der alten Duisburger Universität, die 1655 gegründet wurde. Ab 1672 brachen allerdings wieder schwierige Zeiten an. Unter der französischen Besatzung der Stadt erlebte die Schule einen Niedergang. Die Selbstverwaltung von Duisburg war in dieser Zeit aufgehoben, preußische Geheimräte entschieden über alle Ausgaben und die Anstellung der Lehrer.

Bürger der Handelsstadt Duisburg wünschten sich lebenspraktische Fächer

Nach dem Siebenjährigen Krieg wandelte sich Duisburg in eine gewerbereiche Handelsstadt, Die Bürger wollten nun keine Gelehrtenschule, sondern es wurden Fächer wie Deutsch, Englisch, Französisch oder Mathe gewünscht. Unter dem damaligen Rektor Nonne konnten die Kinder ab 1796 statt Griechisch auch Mathe wählen. Es gab ein paar Stunden Englisch und Französisch, Hebräisch wurde stattdessen gestrichen. Der Rektor legte zudem Wert auf eine seelisch-moralische Ausbildung, nicht nur auf Wissen - die Schule wird wieder beliebter.

Doch als die Preußen die Herrschaft am Rhein übernahmen, sollte der alte Lehrplan samt Griechisch und Latein wieder eingeführt werden. Die Kaufleute, die ihre Kinder bis dato zur Schule schickten, meldeten sie daraufhin wieder ab. Als 1818 die alte Universität aufgelöst wurde, ging das Stiftsvermögen und die Bücherei an die Schule. 1828 wurde schließlich am Salvatorkirchhof ein neues Gebäude errichtet, es folgte eine Erweiterung 1849. Außerdem wurde eine Realschule angegliedert, in denen die Kinder sieben Jahre Unterricht bekommen. Am Gymnasium waren es neun bis zehn.

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Die Realschule zog 1875 zur Düsseldorfer Straße und entwickelt sich zum Vorläufer des Steinbart-Gymnasiums. Pressesprecherin Gabi Priem klärt auf: „Die Anfänge des Steinbart-Gymnasiums liegen im Jahr 1831, die des Mercator-Gymnasiums im Jahr 1901. Das Hildegardis-Gymnasium, ursprünglich eine Mädchenschule, geht auf das Jahr 1898 zurück. Das Landfermann ist also die älteste Schule.“

Heutiger Namensgeber wurde 1835 Schulleiter

Der Namensgeber Dietrich Wilhelm Landfermann wurde im Jahr 1835 zum Schulleiter ernannt.
Der Namensgeber Dietrich Wilhelm Landfermann wurde im Jahr 1835 zum Schulleiter ernannt. © Stadtarchiv Duisburg | Stadtarchiv Duisburg

1835 übernahm der heutige Namensgeber Dietrich Wilhelm Landfermann die Schulleitung. Er wird von Experten noch heute als bedeutende Person der rheinischen Schulgeschichte gewürdigt, dabei wurde er nur mit „äußerster Vorsicht“ in den Schuldienst übernommen. Landfermann hatte in Göttingen und Heidelberg Philologie und Geschichte studiert, war Mitglied in der deutschen Turnerbewegung und der demokratisch gesinnten Burschenschaft, deren Sprecher er 1822 war. Doch obwohl er 1823 wieder aus der Vereinigung austrat, wurde er 1824 verhaftet und wegen „staatsfeindlicher Umtriebe“ zu 13 Jahren Haft verurteilt. 1829 wurde er vom preußischen König begnadigt. Während der Haft hatte Landfermann zum Glauben gefunden.

Als er 1830 seine Stelle in Duisburg antrat, sah er sich mit der sozialen Wirklichkeit der Stadt konfrontiert. Duisburg war schon damals klamm. So musste er zunächst auch privaten Unterricht erteilen, weil er, wie er vermutete, „dass niedrigste Direktorengehalt in der ganzen Region“ hatte. Das hielt ihn aber nicht davon ab, seine Ideale der preußischen Reformbewegung, der Turner und Humanismus im Schulalltag vorzuleben. Landfermann regte an, eine Schülerbibliothek einzurichten. In seinem Direktorengärtchen ließ er Turngeräte aufstellen, damit sich die Jugendlichen körperlich ertüchtigen konnten. Landfermann hatte Erfolg – die Zahl der Schüler stieg stetig. Doch als 1882 das Vermögen der Stiftungen nicht mehr ausreichte, übernahm der Staat die Schule.

Schulkarzer im Jahr 1909 eingerichtet

Marie Helena Nottebaum erklärte ihren Mitschülern am Projekttag, was es mit dem Karzer auf sich hat. Schon zu Zeiten der Weimarer Republik wurde die Nutzung verboten.
Marie Helena Nottebaum erklärte ihren Mitschülern am Projekttag, was es mit dem Karzer auf sich hat. Schon zu Zeiten der Weimarer Republik wurde die Nutzung verboten. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Zum 350. Jubiläum im Jahr 1909 wurde das Gebäude an der Mainstraße bezogen. Damit gab es zum ersten Mal eine räumliche Trennung von der Salvatorkirche. Beim Bau der Schule wurde auch ein so genannter „Karzer“ eingerichtet. In die Arrestzelle wurden Kinder zum Nachdenken geschickt, weil sie etwa unpünktlich waren oder sich garstig den Lehrern gegenüber verhalten haben. In dem Keller wird heute das Kopierpapier gelagert. An der Wand ist noch ein Spruch von Friedrich dem Großen zu lesen: „Immer auf dem Posten“, steht dort. Er wurde auch nicht überpinselt als der Raum einmal neu gestrichen wurde.

„Es gab zwei verschiedene Strafen. In besonders schweren Fällen musste man dort im Dunkeln sitzen“, weiß Schulleiter Christof Haering. Im so genannten Karzer-Buch wurde notiert, wer dort zur Strafe für eine Stunde einsitzen musste. „Es heißt, es gehörte zum guten Ton, einmal während der Schulkarriere im Karzer gesessen zu haben“, so Haering. Allerdings wurden Strafen dieser Art bereits zu Zeiten der Weimarer Republik wieder abgeschafft. Den Lehrern war es abr noch bis in die 1960er Jahre erlaubt, die Schüler zu züchtigen. Manchmal gab es Hiebe mit dem Lineal, auf die Finger oder auch auf den Hintern. In anderen Fällen wurde Kindern eine „Eselmaske“ verpasst. Heute legt Haering Wert darauf, dass am Landfermann ein angstfreies Klima herrscht. Bei leichten Vergehen wie wiederholtes Zuspätkommen, wird maximal eine schriftliche „Missbilligung“ an die Eltern geschickt. In massiveren Fällen können Schüler für Tage oder Wochen suspendiert werden und müssen ihre Aufgaben zu Hause erledigen.

Kinderlandverschickung während des Zweiten Weltkriegs

„In den 1920er Jahren beeinflussen die Weltwirtschaftskrise und der Nationalsozial in den 1930er Jahren das Schulleben negativ“, heißt es in der Chronik. Der damalige Schulleiter Keßler bemühte sich zwar den alten Geist zu bewahren, allerdings wurden von 1938 bis 1945 zwei nationalsozialistische Direktoren eingesetzt. Ab 1939 gab‘s Schichtunterricht, die Keller dienten als Luftschutzräume für die Nachbarn. Um 1943 wurde das Gebäude bei Fliegerangriffen zerstört. Wichtige Unterlagen kamen abhanden. In der Folge löst sich die Schule fast auf. Kinder der fünften und sechsten Klasse wurden nach Österreich verschickt, die Jahrgänge 1926 bis 1928 erhalten Unterricht am Niederrhein. Ab Oktober 1945 begann der Schulbetrieb wieder, doch die Räume reichten bei weitem nicht. Der vollständige Wiederaufbau wurde erst 1953 abgeschlossen.

1959 wurde der 400. Schulgeburtstag gewürdigt. 
1959 wurde der 400. Schulgeburtstag gewürdigt.  © Stadtarchiv Duisburg | Stadtarchiv Duisburg

1959 feiert das Landfermann seinen 400. Geburtstag. Es gehör zu dieser Zeit zu den wenigen reinen altsprachlichen Gymnasien in Nordrhein-Westfalen. „Um die Schule besuchen zu dürfen, musste man einen Test machen“, erinnert sich Dr. Wolfgang Send, der vor 60 Jahren sein Abi-Zeugnis überreicht bekam. Doch in den 1960er Jahren gingen die Schülerzahlen zurück, Griechisch und Latein waren nicht mehr so angesagt. Ab 1971 wird deshalb alternativ zu Griechisch auch Französische als dritte Fremdsprache eingeführt. Außerdem werden erstmals Jungen und Mädchen gemeinsam unterrichtet. 1985 kommt Spanisch als weitere Fremdsprache hinzu. Seit 1991 gibt es einen bilingualen Zweig, in dem etwa auch Geschichte, Politik und Erdkunde auf Englisch unterrichtet werden.

Bekannte Absolventen des „Landfermann“

Inzwischen sind noch weitere Sprachen hinzugekommen. Die Klassiker Griechisch und Latein werden zwar noch immer angeboten. Spanisch, Französisch und Englisch wurden noch um Japanisch und Chinesisch ergänzt. „Unser Miteinander beruht auf Weltoffenheit, Vielfalt, Respekt und Toleranz“, heißt es denn auch auf der Homepage der Schule.

117 junge Erwachsene haben in diesem Jahr ihr Abitur auf dem Landfermann gemacht. 1300 Kinder besuchen das Gymnasium. Zu den berühmteren Ehemaligen gehören übrigens der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Mannesmann, Klaus Esser. Außerdem der Europapolitiker Jorgo Chatzimarkakis und der Kabarettist Kai Magnus Sting. „Das war sicherlich sehr prägend für die Schule, dass ich sie besucht habe“, erklärt er augenzwinkernd. Mit Griechisch musste er sich zwar nicht plagen, dennoch hat er ein Jahr länger gemacht als eigentlich vorgesehen. Das Zeugnis in der Zehnten - nunja.

Auch heute gehört das Landfermann noch zu den beliebtesten Gymnasien in der Innenstadt. Nach den Sommerferien startet dort 180 Fünftklässler.