Duisburg. In den 1950er und 1960er Jahren ging es noch strenger an Duisburgs Schulen zu. Warum Dr. Wolfgang Send die Zeit trotzdem in guter Erinnerung hat.

Das „Landfermann“ ist die älteste Schule Duisburgs. 465 Jahre hat das Gymnasium unlängst mit einem Projekttag gefeiert. Für einige Ehemalige ein schöner Grund, zur Mainstraße zurückzukehren. Dr. Wolfgang Send kann seine alte Schule leichten Herzens betreten. Sein Abi liegt 60 Jahre zurück. Sämtliche Streiche dürften inzwischen verjährt sein.

Er und seine Mitschüler haben natürlich nie welche gemacht - die Zeiten in den 1950er und 1960er Jahren waren andere. Der Schulknast hatte zwar längst ausgedient, doch die Lehrer waren Respektpersonen, es ging diszipliniert zu. „Die Frage, ob ich gerne zur Schule gehe, hat sich nie gestellt“, sagt der 79-Jährige. Er wirkt nicht unglücklich dabei und beobachtet die vielen Kinder und Jugendlichen, wie sie sich schnatternd und am Handy daddelnd durch die Schulflure treiben lassen. 

So etwas gab es damals nicht: „Wir mussten uns vor dem ersten Gong auf dem Schulhof aufstellen und darauf warten, dass uns ein Lehrer abholt. Man durfte nicht so einfach hineinlaufen wie heute“, beschreibt Send die Sitten. Zum Geburtstag des Landfermann ist er mit seiner Frau aus Göttingen angereist. Das meiste erkennt er wieder. „Das Gebäude hat sich ja nicht groß verändert. Neben dem Eingang saß schon immer der Hausmeister“, erinnert er sich. Der typische Schul-Geruch wird heute von frisch gebackenen Waffeln überdeckt, die die Schüler verkaufen.

Duisburger Grundschüler mussten damals einen Aufnahmetest fürs Gymnasium bestehen

Dr. Wolfgang Send findet: Am Schulgebäude hat sich kaum etwas verändert.
Dr. Wolfgang Send findet: Am Schulgebäude hat sich kaum etwas verändert. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Familie Send war damals nach Duisburg zur Schulz-Knaudt-Straße gezogen, weil der Vater eine Anstellung bei den Hüttenwerken Mannesmann gefunden hatte. Zum Gymnasium gingen damals nur Kinder, deren Eltern sich den Besuch leisten konnten. Zwischen 15 und 20 D-Mark Schulgeld wurden fällig, gestaffelt nach Einkommen. Erst im Februar 1956 trat schließlich das „Gesetz über die Einführung und Durchführung der Schulgeldfreiheit in Nordhein-Westfalen“ in Kraft. Der Besuch von Berufsschulen aber auch Gymnasien wurde dadurch kostenfrei.

Außerdem musste man eine Aufnahmeprüfung bestehen, um aufs Gymnasium zu dürfen. Die Kinder mussten einen Aufsatz sowie ein Diktat schreiben. Auch Matheaufgaben wurden gelöst. „Ich denke, dass die Lehrer sich auch ein Bild von der jugendlichen Persönlichkeit gemacht haben“, glaubt Send. Von seinen damaligen Freundinnen, die mit ihm aufs Landfermann wechseln wollten, bestand die eine die Prüfung, die andere allerdings nicht. „Ich fand das sehr ungerecht und verstand dies damals auch überhaupt nicht.“

Latein und Griechisch waren Pflichtprogramm

Auf dem Volksschulzeugnis wurde vermerkt, ob der Schüler reif für die Sexta ist. 
Auf dem Volksschulzeugnis wurde vermerkt, ob der Schüler reif für die Sexta ist.  © RR | Wolfgang Send

Das Ergebnis der Tests wurde im Zeugnis der Volksschule vermerkt mit dem Hinweis „Reif für Sexta“. „Unterzeichnet war der Eintrag vom damaligen Direktor des Landfermann-Gymnasiums, Dr. Zimmermann. Der hat mich durch meine ganze Schulzeit begleitet“, sagt Send. Seine Lehrer seien nicht übermäßig streng gewesen, aber „zielgerichtet“.

Eine Eins zu bekommen, war nicht so leicht. Das einzige „sehr gute“ Fach hat er später auch studiert: Physik. Später arbeitete er als theoretischer Physiker am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik. Bereits als Zehnjähriger hat er gerne getüftelt. „Da habe ich Radios eingesammelt und auseinandergenommen in meinem kleinen Labor, das ich damals schon hatte.“ In der Mittelstufe wuchs dann der Wunsch, später Physik zu studieren.

Latein und Griechisch musste er am altsprachlichen Landfermann trotzdem pauken. Latein ab der fünften Klasse, Griechisch ab der siebten. Englisch und Französisch gab’s natürlich auch. „Das hat mir aber nichts ausgemacht und ist mir auch nicht schwergefallen. Die alten Sprachen und die Philosophen der Antike haben mich indirekt sehr geprägt. Ich habe auf dem Gymnasium die Wurzeln unserer Kultur gespürt.“ 1964 hat er sein Zeugnis entgegengenommen. Er hatte einen Durchschnitt von 2,3 und gehörte damals zu den Besten.  

Mit der Linie D-8 ging‘s von Mannesmann Tor 1 zur Schule

Wolfgang Send und seine Frau Johanna haben sich übrigens nicht nur die alte Schule angeschaut, sondern sind auch nochmal den alten Schulweg mit der 903 gefahren. „Das war damals die Linie D-8. Bei Mannesmann Tor 1 bin ich eingestiegen und dann ging’s in die Stadt. Eine halbe Stunde dauerte die Fahrt. Wo heute die Schnellstraße unter dem Bahnhofsvorplatz verläuft, fuhren von der Königstraße die Linien 8 und D unter den Bahnhofsvorplatz und hatten dort ihre Endhaltestelle.“ In der D-Bahn gab’s sogar noch einen Speisewagen. Später zogen die Sends dann zum Heidberg. Fortan fuhr er mit der U 79 zur Schule. Genug Zeit morgens, um manchmal die Hausaufgaben nachzuarbeiten.

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Beim Projekttag war Wolfgang Send der Einzige aus seinem Jahrgang, der vor 60 Jahren Abi gemacht hat. Zu seinen ehemaligen Mitschülern hat er kaum noch Kontakt. „Wir waren am Ende aber auch nur noch 13.“

Den heutigen Abiturienten gibt er mit auf den Weg: „Die Schulzeit hat die Persönlichkeit schon mehr geprägt, als man es nach deren Ende wahrnimmt. Der Schulabschluss gibt einem das Privileg, die Persönlichkeit in vielfältiger Weise und für ein erfülltes Berufsleben weiter entwickeln zu können.“