Duisburg. Nach einer aufgelösten Party berichten Anwohner von noch mehr illegalen Feiern in einer verlassenen Fabrik. Was Stadt und Polizei darüber wissen.
Schon mittags seien sie angerückt mit einer riesigen Musikbox und Taschen voller Getränke. „Es war eine ganze Gruppe von Jugendlichen, ich habe den ganzen Tag Leute an meinem Fenster vorbeilaufen sehen“, berichtet eine 69-jährige Duisburgerin. „Gegen 21 Uhr ging die Party richtig los, um Mitternacht habe ich die Polizei gerufen. Ich konnte bei dem Bass einfach nicht schlafen.“
Die Frau wohnt weder neben einer Diskothek noch einem Festivalgelände, sondern an einem ruhigen Waldstück in Baerl an der Stadtgrenze zu Moers. Trotzdem hören sie und ihre Nachbarn regelmäßig Party-Lärm. Und der kommt ausgerechnet aus Hallen, die seit vielen Jahren verlassen sind und nicht betreten werden dürfen: aus der alten Rhein-Emscher-Armaturenfabrik.
Illegale Party gestoppt: Anwohner berichten von vielen Feiern in alter Fabrik
Nach dem Anruf der Anwohnerin rückte die Polizei zur Jakob-Schroer-Straße aus. Sie stoppte die Veranstaltung in der Nacht zu Samstag, 22. Juni, und sprach anschließend von einer „Gruppe junger Partyfanatiker“, die die Halle „für eine Party zweckentfremdet“ hatte. Bei zwei der rund 25 Feiernden wurden außerdem Betäubungsmittel festgestellt.
Es war die wohl größte und lauteste illegale Party in der alten Fabrik, aber längst nicht die einzige. Das berichten mehrere Anwohner übereinstimmend. „Bewegungen in den Hallen sehe ich jedes Wochenende und auch oft unter der Woche“, sagt zum Beispiel Heinz-Dieter Giesen.
Er wohnt an der Jakob-Schroer-Straße – zwar nicht direkt neben dem Grundstück, dafür an einem Waldweg, der bis hinter die verlassenen Hallen führt. „Die meisten Leute wissen, wie man sich unauffällig bewegt, und kommen durch einen Zaun im Wald von hinten auf das Gelände.“
„Lost Place“ ist Privateigentum, Besitzer kommt aus Wuppertal
Wer über die Straße bis vor die Fabrik fährt, kommt bis zu einem silbernen Tor mit Zackenleiste. Daran hängt ein Banner, das Besuchern unmissverständlich erklärt: „Betreten strengstens verboten! Es besteht Lebensgefahr!“, das Gelände werde videoüberwacht. Neben dem Tor ist ein Weg durch einen simplen Bauzaun versperrt.
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Das Problem aus Sicht der Anwohner und Behörden: Das Grundstück ist Privateigentum und liegt zwischen Gleisen und Bäumen gut beschützt. Der Eigentümer – die Immobilienfirma „Reale Werte“ – kommt aus Wuppertal und will das Areal als Bauland nutzen, ist nach eigenen Aussagen bislang aber vor allem an den Auflagen der Denkmalbehörde gescheitert. Also gammelt die Fabrik weiter vor sich hin.
Alte Fabrik: Zuerst kamen Hobbyfotografen, dann die Feiernden
Heinz-Dieter Giesen erinnert sich noch daran, als dort im vergangenen Jahrhundert Zubehör für die Hochöfen der Stahlindustrie hergestellt wurde. Er hat dort einst als Student selbst dreieinhalb Jahre gearbeitet. Die Zeiten sind lange vorbei. Seit einigen Jahren ist die Ruine dafür bei Hobbyfotografen und Fans der Industriegeschichte beliebt: „Es haben sich schon viele Damen aufwendig angezogen und sich in der Kulisse fotografieren lassen.“
Daran hätten sich die Baerler Anwohner selten gestört, obwohl der Zutritt für die Fotografen und „Lost Places“-Liebhaber natürlich verboten ist. „Aber dann kamen die ersten Leute, die Partys in den versifften Hallen veranstaltet haben, und seitdem artet die Situation weiter aus“, meint Giesen.
2023 war unsere Redaktion vor Ort nach Absprache mit einem Architekten, der für die Eigentümerfirma arbeitet. Dabei war nicht zu übersehen, dass die Besucher allerhand Müll wie Bierdosen hinterlassen.
Eine Anwohnerin berichtet uns nun, dass sie deswegen sogar mit einer Rattenplage im eigenen Garten zu kämpfen habe. „Die Ratten haben ihre Bauten direkt neben meinem Zaun gebaut und werden definitiv vom Müll angelockt, den die Leute in der Fabrik hinterlassen.“ Seit acht Wochen streue sie Rattengift aus, das Problem verschwinde aber nicht, weil regelmäßig Partys in der Fabrik gefeiert würden.
Viele Partys in alter Fabrik: Im Sommer „fast jeden Sonntag Remmidemmi“
Das bestätigt auch die 69-Jährige, die bei der illegalen Rave-Party vor rund zwei Wochen die Polizei rief: „Im Sommer ist es richtig schlimm, da ist hier fast jeden Sonntag Remmidemmi.“ Sie habe schon Autos mit Kennzeichen aus Bochum, Kempen und Aachen vor dem Tor parken sehen. „Wenn ich die Leute anspreche, wissen die auch ganz genau, dass das Betreten verboten ist.“
Die Anwohnerin habe selbst als Putzkraft in der ehemaligen Fabrik gearbeitet und wisse, wie gefährlich es dort heute vor allem für diejenigen ist, die sich nicht auskennen. Sie wolle ihre Ruhe haben und habe außerdem Angst, dass Besucher die Hallen bei Partys in Brand stecken: „Da gibt es Gardinen, die brennen wie Zunder. Und wenn die Fabrik brennt, fackelt unser Haus auch ab.“
Keine Beschwerden beim Ordnungsamt, nur ein Polizeieinsatz
Die Behörden bekommen von den illegalen Besuchern wenig mit. Der Fall vom 22. Juni sei bisher der einzige dokumentierte Polizeieinsatz an der alten Armaturenfabrik, sagt Sprecherin Julia Tekock. Auch Stadtsprecher Malte Werning meint: „Beschwerden darüber, dass es auf dem ehemaligen Firmengelände zu störenden Aktivitäten kommt, gingen in den letzten beiden Jahren bei unserem Städtischen Außendienst nicht ein.“
Werning weist darauf hin, dass es sich um Hausfriedensbruch handelt, wenn Privatflächen unbefugt betreten werden. In solchen Fällen ist die Polizei zuständig. „Kontrollen durch das Bürger- und Ordnungsamt sind daher nicht geplant.“
Der Denkmalschutz der Stadt kontrolliere den Ort regelmäßig, wohl aber außerhalb des Geländes. „Eine regelmäßige Begehung der Gebäude ist aus eigentumsrechtlichen Gründen nicht möglich“, erklärt der Stadtsprecher.
Auch den Anwohnern wie Heinz-Dieter Giesen ist bewusst, dass unbefugte Gäste dort nur schwer fernzuhalten sind: „Täter auf frischer Tat zu ertappen, ist reiner Zufall. Dafür müssten Einsatzkräfte hier jedes Wochenende drei- oder viermal erscheinen, und bei Blaulicht laufen die Leute sofort weg.“ Er sagt aber auch: „Dadurch wird es natürlich eine unerträgliche Geschichte zum Leidwesen der Anwohner.“
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>> Rhein-Emscher-Armaturenfabrik steht seit 2006 leer
- Der „Lost Place“ in Duisburg-Baerl ist über 100 Jahre alt. 1913 wurde die Rhein-Emscher-Armaturenfabrik in Betrieb genommen. Dort wurden vor allem Spezialarmaturen für Hochöfen produziert – in der Spitze von bis zu 30 Angestellten.
- Ende der 1980er Jahre musste der Betrieb Insolvenz anmelden. Die Hallen wurden zwangsversteigert, die erste Versteigerung schlug jedoch fehl. Seit 2006 steht die Fabrik leer. 2009 wurden Gebäudeteile unter Denkmalschutz gestellt.
- 2014 wurde das Gelände erneut versteigert. Die Wuppertaler Firma „Reale Werte“ kaufte es für 400.000 Euro. Passiert ist seitdem in den alten Hallen wenig.