Duisburg. An einer Duisburger Gesamtschule sollen alle sechsten Klassen neu gemischt werden. Die Schüler kämpfen und bekommen eine überraschende Nachricht.
Tränen, Frust und Fassungslosigkeit: An der Gesamtschule Süd in Duisburg liegen bei den Kindern des sechsten Jahrgangs seit wenigen Tagen die Nerven blank. Knapp drei Wochen vor Ende des Schuljahres werden Eltern und Kinder von der Schulleitung über drastische Änderungen informiert: Im kommenden Schuljahr sollen 20 neue Schüler in die siebten Klassen kommen. Zugewiesen von der Bezirksregierung Düsseldorf.
Faktisch bedeutet dies: aus dem aktuell sechszügigen sechsten Jahrgang sollen sieben siebte Klassen gebildet werden. Der erste Plan der Schulleitung: die bestehenden Klassenverbände sollen aufgelöst und komplett neu zusammengesetzt werden. Ein Schock für die betroffenen Kinder. „Wir haben alle sofort angefangen zu weinen“, erzählen die Schüler aufgeregt.
Fassungslosigkeit bei Duisburger Schülern und Eltern nach dem Schreiben der Schulleitung
„Die Entscheidung, alle Klassen des jetzigen 6. Jahrgangs aufzulösen und sieben neue Klassen zu bilden, ist uns nicht leicht gefallen. Wir haben jedoch in enger Zusammenarbeit mit den Klassenlehrerinnen und Klassenlehrern intensiv überlegt und beraten, wie wir diese Herausforderung pädagogisch sinnvoll bewältigen können“, schreibt die Schulleiterin Sandra Kupfer nach Bekanntwerden der neuen Situation an die betroffenen Eltern.
„Wir werden bei der Neugestaltung der Klassen Wert darauf legen, die neuen Klassen leistungsheterogen zu bilden und darauf achten, dass der Anteil von Jungen und Mädchen ausgeglichen ist.“
Gesamtschule Süd: Großer organisatorischer Aufwand kurz vor den Ferien
Was in der Theorie erst einmal nach einem enormen organisatorischen und personellen Aufwand klingt, hat für die Schülerinnen und Schüler der sechsten Klassen vor allem aber emotionale Folgen. Bestehende Klassengemeinschaften sollen wegfallen, der gerade erst erarbeitete Zusammenhalt an der weiterführenden Schule wird durch diese Entscheidung zunichtegemacht. „Den Kindern wurde die Nachricht Anfang der Woche mitgeteilt“, erzählen betroffene Eltern. Zu dem Zeitpunkt klingt die Nachricht nach der finalen Entscheidung der Schulleitung. Die Kinder sind traurig, die Stimmung ist aufgeheizt.
Die Entscheidung jetzt aber einfach hinnehmen? Das kommt für die Eltern und Schüler nicht in Frage. „Die Kinder haben sofort gesagt, dass sie etwas unternehmen wollen“, berichten mehrere Mütter und Väter. „Und auch wir haben uns klassenübergreifend ausgetauscht.“ Eine Neustrukturierung könne in manchen Fällen auch Chancen beinhalten, „aber ein Wechsel der Klassenlehrer und Klassenkameraden mitten in der Pubertät“ empfinden viele Eltern als Zumutung. „Wenn wir wenigstens miteinbezogen worden wären“, ärgert sich ein Vater. „Es hätte bestimmt Kinder gegeben, die sich vielleicht mit ein paar Freunden aus einer anderen Klasse zusammen getan hätten. Aber dazu haben wir gar keine Chance bekommen.“
Mit Sprechgesängen und Plakaten wehren sich die Sechstklässler. Gemeinsam ziehen sie Pause für Pause durch die Schule, machen auf ihre Situation aufmerksam. „Vor dem Lehrerzimmer durften wir nicht mehr protestieren“, sagt ein Sechstklässler. „Uns wurden sogar Plakate abgenommen, aber wir haben weitergemacht und auch Unterstützung von den älteren Schülern bekommen“, berichten die Kinder.
Eltern kritisieren die kurzfristige Mitteilung der Bezirksregierung Düsseldorf
Kritik hagelt es seitens der Eltern nicht nur an der Schulleitung, sondern auch an der Informationspolitik der Bezirksregierung. Sie sehen eine Systematik in der kurzfristigen Bekanntgabe der Situation. „Im Stress der Prüfungs- und Zeugniszeit und unter Zeitdruck am Ende des Schuljahres sind die Kollegien an den Schulen gezwungen, schnelle und einfache Lösungen zu finden“, so eine Vertreterin der Elternpflegschaft. „Aus meiner Sicht macht es sich die Bezirksregierung sehr leicht.“
Schließlich zeichne sich doch schon zum Halbjahreszeugnis ab, welche Kinder nach der Erprobungsphase das Gymnasium verlassen müssen, spätestens mit den Quartalsnoten herrsche Klarheit. „Es gibt doch einen Grund, warum alle Plätze an den Gesamtschulen schon in den fünften Klassen belegt sind. Die Eltern entscheiden sich bewusst für das System der Gesamtschule, für ein längeres gemeinsames Lernen. Und jetzt machen solche Entscheidungen alles zunichte“, so die Vertreterin weiter.
Nach Verunsicherung und Angst: Klassen bleiben vorerst zusammen
Nach intensiven Diskussionen, Protestaktionen, extra angefertigten T-Shirts mit der Aufschrift „Bei uns wird Zusammenhalt GROSS geschrieben“ und noch mehr Tränen folgt für die Schülerinnen und Schüler der sechsten Klassen am Donnerstag dann doch die Erleichterung: „Wir nehmen die Herausforderung an und haben entschieden, dass wir die jetzigen Klassen im Jahrgang 6 bestehen lassen und zusätzlich eine Mehrklasse bilden werden“, schreibt Sandra Kupfer an die betroffenen Eltern.
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„In dieser neuen Klasse werden alle Schülerinnen und Schüler sein, die uns zugewiesen wurden, sowie diejenigen, die im Laufe des Schuljahres dazu kommen werden.“ Sandra Kupfer erklärt in diesem Schreiben zudem, dass alle möglichen Varianten ausgiebig diskutiert wurden. Es aber keine Lösung gebe, mit der alle einverstanden seien. „Uns ist es aber wichtig, dass eine Entscheidung von möglichst vielen mitgetragen wird. Ende des Jahres werden wir die Situation im Jahrgang sieben dann neu bewerten.“
Die Protestplakate sollten somit noch nicht endgültig entsorgt werden.