Duisburg. Die Polizei durchsucht Wohnungen von „Palästina Solidarität Duisburg“-Aktivisten: Wer hinter der Vereinigung steckt und warum sie verboten wird.
- Innenministerium verbietet Vereinigung „Palästina Solidarität Duisburg“
- Razzia: Staatsschutz durchsucht vier Wohnungen in Duisburg
- Wie das Ministerium das Verbot begründet
- Wer hinter der Duisburger Vereinigung steckt
Polizei und Innenministerium NRW gehen gegen die antiisraelische Vereinigung „Palästina Solidarität Duisburg“ vor. Sie werfen dem Bündnis die Unterstützung der islamistischen Terrororganisation Hamas vor. Am Donnerstag haben 50 Einsatzkräfte vier Wohnungen in Duisburg durchsucht, deren Bewohnerinnen und Bewohner der Gruppe angehören. Das Innenministerium hat die Gruppierung am Donnerstag verboten und aufgelöst.
Gegen 6 Uhr halten an vier Wohnhäusern – in Duissern unweit der Uni, im Stadtnorden in Aldenrade und in Fahrn – jeweils ein Mannschaftswagen der Einsatzhundertschaft und Zivilfahrzeuge der Polizei. Es steigen auch Staatsschützer aus. Die Beamtinnen und Beamten überreichen den mutmaßlichen Führungskräften der Gruppe die Verbotsverfügung des Ministeriums und starten die Durchsuchungen, die erst um 12.10 Uhr beendet sein werden.
Vor dem Mehrfamilienhaus an der Schweizer Straße in Duissern sichern Polizisten um 8.30 Uhr die Haustür. Zwei junge Frauen und zwei junge Männer stehen auf dem Gehweg vor dem Haus. Sie bestätigen, dass ihre Wohnungen gerade durchsucht werden. Mehr wollen sie nicht sagen. Zu Festnahmen kommt es am Donnerstag nach Angaben eines Ministeriumssprechers nicht.
„Palästina Solidarität Duisburg“: Wohnungen „der vier führenden Funktionäre durchsucht“
Innenminister Herbert Reul (CDU) sagt in Düsseldorf, es seien die Wohnungen der vier führenden Funktionäre durchsucht worden. Es seien zum Beispiel Datenträger, Laptops, Handys und etwas Bargeld sichergestellt worden. Das Verbotsverfahren habe der Verfassungsschutz NRW initiiert. Da der Verein nur in NRW tätig sei, habe das Düsseldorfer Ministerium tätig werden können.
Auf Versammlungen und in den sozialen Medien habe der Verein immer wieder sein anti-israelisches und antisemitisches Weltbild propagiert, erläuterte der Innenminister in Düsseldorf weiter: „Jüdinnen und Juden waren immer Zielscheibe des Hasses.“ Das sei durch die Vereinigungsfreiheit des Grundgesetzes nicht mehr gedeckt. „Wir nutzen alle juristischen Möglichkeiten, um Antisemitismus und ideologische Terrorunterstützung auszutrocknen.“
Bundesweite öffentliche Aufmerksamkeit erregte die seit dem Frühjahr 2023 öffentlich aktive Vereinigung „Pro Palästina Duisburg“ erstmals am 9. Oktober: Sie hatte nur zwei Tage nach dem Terrorangriff auf Israel mit mehr als 1100 Todesopfern eine anti-israelische Demonstration in Duisburg-Hochfeld organisiert und sich nicht von den antisemitischen Massakern distanziert.
Wie begründet das Ministerium das Verbot von „Palästina Solidarität Duisburg“?
Das Innenministerium begründet die Auflösung des Vereins nach Grundgesetz und Vereinsgesetz rechtlich damit, dass dieser „sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet“. Die Vereinigung strebe die Befreiung Palästinas in den Grenzen von 1947 und damit vor der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 an: „Hierbei solidarisiert sich die Gruppierung ausdrücklich mit dem palästinensischen Widerstand in allen Formen, womit auch der bewaffnete Kampf der Terrororganisation Hamas gegen Israel einbezogen wird.“
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Die ideologische Ausrichtung sei „durch ein antiisraelisches und antisemitisches Weltbild geprägt“, erläutert das Ministerium: „Der Verein verbreitet öffentlich in Versammlungen und über seine Social-Media-Kanäle antisemitisches Gedankengut, indem er antisemitische Narrative verwendet und so Ressentiments gegen jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie Jüdinnen und Juden allgemein schürt.“
Die Gruppe hetze „kontinuierlich gegen den Staat Israel“ und mache diesen allein verantwortlich für den Nahost-Konflikt. Sie gefährde so „nicht zuletzt auch Leib und Leben der in Deutschland lebenden israelischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie von Jüdinnen und Juden“.
Seit seiner Gründung werbe der Verein offen für das Ziel der „Befreiung Palästinas vom Mittelmeer bis zum Jordanfluss“ – und fordere damit „de facto die Vernichtung des Staates Israel“. Darüber hinaus pflege „Palästina Solidarität Duisburg“ Verbindungen zu gleichgesinnten Vereinigungen, insbesondere zu „Samidoun“. Diese gilt als Vorfeldorganisation der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und ist seit November bundesweit verboten.
Wer steckt hinter „Palästina Solidarität Duisburg“?
Einen Hehl haben die Aktivisten nie daraus gemacht, dass sie das Existenzrecht Israels nicht anerkennen. Ihre „gemeinsame inhaltliche Basis“ erläuterten sie etwa öffentlich in einem Instagram-Post. Darin heißt es unter anderem: „1. Wir verstehen Israel als ein Kolonialprojekt und treten für die Befreiung ganz Palästinas (in den Grenzen vor 1947) sowie für das Recht auf Rückkehr für alle vertriebenen Palästinenser und deren Nachkommen ein. 2. Wir sind solidarisch mit dem palästinensischen Widerstand in all seinen Formen.“
Wortführer der Gruppe ist ein deutscher Student der Orientalistik/Islamwissenschaft aus Duisburg. Im aktuellen Verfassungsschutzbericht NRW steht, er sei „ursprünglich dem dogmatischen Linksextremismus/Marxismus-Leninismus zuzuordnen“.
Im Oktober 2023 sagte er unserer Redaktion, der Gruppe gehörten bislang nur wenige Aktive an, darunter auch Palästinenser. Der in der internationalistischen und palästinasolidarischen Bewegung als Redner gefragte Endzwanziger hatte die Demonstration in Hochfeld vom 9. Oktober angemeldet. Bei dieser marschierten und skandierten auch Samidoun-Aktivisten mit. Versammlungen des Vereins seien meist von 50 bis 70 Menschen besucht worden, berichteten die Staatsschützer aus Düsseldorf am Donnerstag.
Im April 2024 erst stand der Student vor Gericht in Duisburg: Er wurde wegen der Billigung von Straftaten zu einer Geldstrafe verurteilt. Er hatte bei der Abschlusskundgebung am 9. Oktober die Parolen „Yallah, Yallah, Intifada – von Duisburg bis nach Gaza“ und „From the River to the Sea, Palestine will be free“ angestimmt. Der Strafrichter sah den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zum Terror-Angriff mit mehr als 1100 Todesopfern als ausschlaggebend für diesen Fall an.
In seiner im Internet verbreiteten Verteidigungsrede behauptete der 28-Jährige gar, am 7. Oktober hätte es keinen Terroranschlag der Hamas gegen Zivilisten gegeben, sondern eine „Militäroperation palästinensischer Widerstandsorganisationen“. Es wäre sogar unklar, wer für die Kriegsverbrechen verantwortlich war, befeuerte er Verschwörungserzählungen und Falschbehauptungen. (mit dpa)
Was bedeutet das Verbot für „Palästina Solidarität Duisburg“?
- Das Vereinsverbot untersagt alle weiteren Aktivitäten. Es ist den Aktivistinnen und Aktivisten laut NRW-Innenministerium künftig verboten, Ersatzorganisationen für den Verein „Palästina Solidarität Duisburg“ zu bilden oder „bestehende Organisationen“ als Ersatz fortzuführen.
- Die nun verbotenen Internetauftritte des Vereins werden abgeschaltet. „Palästina Solidarität Duisburg“ war vor allem in den sozialen Medien aktiv, hatte zuletzt 11.600 Instagram-Follower.
- Das Vermögen des Vereins wird beschlagnahmt und zugunsten des Landes Nordrhein-Westfalen eingezogen.
- Darüber hinaus ist es verboten, Kennzeichen des verbotenen Vereins öffentlich, in einer Versammlung oder in einem Inhalt zu verwenden, der verbreitet wird oder zur Verbreitung bestimmt ist.