Duisburg. Er ermordet in Duisburg seine Frau und verletzt seinen Sohn lebensgefährlich. Für diese Taten muss ein 26-Jähriger nun lebenslang ins Gefängnis.

Er sitzt regungslos da – wie so oft in diesem Prozess. Skender A. bleibt apathisch: Als eine Rechtsmedizinerin am letzten Verhandlungstag noch einmal die schlimmsten inneren Verletzungen und Brüche auflistet, die der kleine Leandro erlitten hat, überrollt vom Auto des eigenen Vaters. Als immer wieder vorgetragen wird, wie grausam der heute 26-Jährige seine Frau getötet hat. Und auch als am Landgericht Duisburg am Mittwoch das Urteil fällt: lebenslange Haft. Für den Mord an der damals 19-jährigen Alia. Und für den versuchten Mord am eigenen Sohn.

Der Tattag ist der 1. Oktober 2023, der Tatort die Oswaldstraße im Stadtteil Vierlinden. So spielte sich der Mord nach Überzeugung des Gerichts ab:

Staatsanwaltschaft Duisburg zum Femizid an Alia (19): „eine absolute Gewaltorgie“

Das Paar hat sich mal wieder gestritten. Alia geht mit dem damals 17 Monate alten gemeinsamen Sohn im Kinderwagen davon. Skender A. fährt noch ein paarmal an den beiden vorbei, sie streiten wieder. Schließlich hält der Mann mit seinem Mercedes mit rund 25 km/h auf Frau und Kind zu. Er trifft die Frau nicht, aber den Kinderwagen, aus dem Leandro fällt. Der Wagen überrollt das Kind und schleift es noch kurz mit. Dann stoppt der Mercedes, geblockt von einem Container einer Baustelle. Skender A. steigt auf der Beifahrerseite aus, weil die Fahrertür verkeilt ist. Der Ehemann prügelt und tritt in kurzer Zeit unzählige Male auf Kopf und Gesicht seiner am Boden liegenden Frau ein und macht damit auch weiter, als sie schon bewusstlos ist. Schließlich versucht er noch, sie zu erwürgen.

„Eine absolute Gewaltorgie“, nennt die Staatsanwaltschaft die Tat in ihrem Plädoyer. Von einem „brutalen Verbrechen“ spricht auch die Nebenklagevertreterin. Am Morgen nach der Tat stirbt die Frau im Krankenhaus. Leandro wird durch Notoperationen gerettet. Als ein Notarzt am Tatort eingetroffen war, hatte sich der Junge schon in einem Koma-ähnlichen Zustand befunden.

Zweifel an der Täterschaft hatte es nie gegeben. Zeugen hatten die blutige Tat auf offener Straße beobachtet und waren eingeschritten. Einer trat Skender A. gegen den Kopf, sodass dieser von seinem Opfer abließ. Ein anderer konnte ihn mit einem Teleskopschlagstock fixieren, bis die Polizei eintraf.

Skender und Alia führten eine „toxische Beziehung“

„Toxische Beziehung“ – dieser Begriff ist in dem Prozess oft gefallen. Skender und Alia führten eine solche. Mit Aufs und Abs. On und off. Bis zum tödlichen Ende. Die Mutter des Opfers, die Nebenklägerin ist, hatte von Gewalttätigkeiten, Beleidigungen und Suizid-Androhungen seitens des Angeklagten gesprochen. Eine erste Abtreibung bei Alia, dann der gemeinsame Sohn. Eine Heirat, von der die Mutter des Opfers durch Zufall erfährt. Flitterwochen.

Die Mutter des Mordopfers tritt als Nebenklägerin an - mit ihrer Anwältin Alice Scaglione am Tag vor der Urteilsverkündung.
Die Mutter des Mordopfers tritt als Nebenklägerin an - mit ihrer Anwältin Alice Scaglione am Tag vor der Urteilsverkündung. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Eine Woche vor der Tat flieht Alia zur Mutter. Am Tag vor der Tat hat das Paar noch Sex. Am Tag nach der Tat hätte Alia einen Termin bei einem Anwalt gehabt, um die Scheidung einzureichen. Den Tag erlebt sie nicht mehr.

Der Streit des Paares ist wohl auch am Tattag wieder besonders. Alia soll Skender vor der Attacke eine Ohrfeige gegeben haben und ihm dann noch eine Tasche mit Ausweispapieren und 8500 Euro Bargeld abgenommen haben.

Die Tat soll Skender A. schon unmittelbar danach eingeräumt haben. In eingeschaltete Bodycams von Polizisten in einem Streifenwagen soll er gesagt haben: „Wenn Gott nicht gerecht ist, muss man selbst für Gerechtigkeit sorgen.“ Und: „Ich weiß, dass ich Scheiße gebaut habe.“ Am Dienstag hatte er ein Teil-Geständnis im Gericht abgelegt und von seiner schwierigen Kindheit erzählt.

Urteil des Landgerichts: Opferfamilie steht Schmerzensgeld zu

Die Staatsanwaltschaft hat sich vor dem Urteil für die Feststellung der „Besonderen Schwere der Schuld“ in diesem Fall ausgesprochen. Das hätte bedeutet, dass der 26-Jährige auch nach der Verbüßung von 15 Jahren Haft kaum eine Chance auf eine vorzeitige Entlassung gehabt hätte. Dazu kommt es nicht.

Dass es eine „Affekthandlung“ gewesen, ihm „eine Sicherung durchgebrannt“ und er daraufhin „durchgedreht“ sei, wie die Verteidigung vorgibt, sieht das Gericht allerdings auch nicht. Skender A. habe bei der Attacke heimtückisch agiert, die Tat sei kein Totschlag gewesen, sondern Mord. Auch die Fünfte Große Strafkammer spricht abschließend von einer Tat „mit absolutem Vernichtungswillen“. Die Familie des Opfers hat laut Urteil auch Ansprüche auf Schmerzensgeld und Hinterbliebenenrente. Deren Höhe muss sie nun aber in einem separaten Zivilverfahren durchsetzen.

Skender A. am Freitag im Gerichtssaal.
Skender A. am Freitag im Gerichtssaal. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Bevor am letzten der sechs Verhandlungstage das Urteil fällt, wird der Angeklagte, der bislang mit dem Gesetz noch nicht in Konflikt gekommen ist, doch noch einmal emotional - ein seltener Moment in diesem Fall. Er hat das Schlusswort und sagt schluchzend unter Tränen: „Ich kann die Tat nicht rückgängig machen, es war nicht meine Absicht“, sagt der 26-Jährige. „Ich wollte nicht töten und ich hoffe, die Familie kann mir irgendwann vergeben.“ Die Mutter des Opfers schaut ihn nicht an. Den Namen ihres Enkels hat sie auf den Unterarm tätowiert.

Update: Die Verteidigung hat Rechtsmittel eingelegt. Über die Revision gegen das Urteil muss der Bundesgerichtshof entscheiden. Skender A. bleibt in Untersuchungshaft.

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