Duisburg/Rostock. Duisburger sollen mit Fake-Shops mehr als 1,2 Millionen Euro ergaunert haben. Deutschlandweit gibt es fast 3000 Opfer. Die Angeklagten schweigen.
Die Zahlen sind mehr als beeindruckend: Die Anklageschrift umfasst 351 Seiten. 143 Gigabyte an Daten liegen der 8. Großen Strafkammer vor, die sich mit dem Verfahren befassen muss. Seit kurz vor Weihnachten stehen zwei 40-jährige Duisburger vor dem Landgericht Rostock. Die beiden Männer sollen Fake-Shops im Internet federführend betrieben haben. Ihre Kunden sollen sie betrogen und so einen Schaden von mehr als 1,2 Millionen Euro verursacht haben. Deutschlandweit soll es fast 3000 Betroffene gegeben haben, die auf die mutmaßlichen Betrüger hereingefallen waren. Der Prozess dürfte sich ziehen.
Der gebürtige Italiener Fillipo S., bereits mehrfach wegen Betrugsdelikten vorbestraft, und sein bislang unbescholtener Komplize, ein deutscher Staatsbürger, sollen gutgläubige Besteller im Internet von Duisburg aus abgezockt haben. Laut Anklage habe ihr Geschäftsmodell darin bestanden, auf professionell aufbereiteten Online-Shops verschiedenste Produkte – überwiegend für den Sport- und Freizeitbereich, aber auch Haushaltsgeräte und Elektronik – zum Kauf gegen Vorkasse anzubieten. Nachdem die Kunden die Waren bestellt und den Kaufpreis entrichtet hatten, soll in keinem der Fälle die Ware an die Kunden geliefert worden sein. Dies – so die Anklage – sei auch nie beabsichtigt gewesen. Es sei allein darum gegangen, sich durch die eingenommenen Kundengelder zu bereichern, sagt Anne Kruse, Richterin und Pressesprecherin des Rostocker Landgerichts.
Die beiden Angeklagten sollen 50 Online-Shops betrieben haben
50 verschiedene Online-Shops sollen die Angeklagten betrieben haben. Zum Kauf angeboten hätten sie unter anderem Fahrräder, E-Bikes, Gartenpools, Gartenhäuser, Rasentraktoren, Trampoline, Cross-Trainer, Hantelbänke, Kaffeevollautomaten, Waschmaschinen, Kühlschränke, Laptops, Mobiltelefone, Fernsehgeräte und Spielekonsolen, sagt Kruse.
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Der Tatzeitraum soll von September 2019 bis Dezember 2021 gewesen sein. Irgendwann hatten sich immer mehr Geschädigte bei den Behörden gemeldet und Anzeige erstattet. Die beiden Verdächtigen wurden Anfang Dezember 2021 im Rahmen einer größer angelegten Razzia festgenommen. An dem Schlag gegen Cyberkriminalität waren etwa 80 Beamte aus Nordrhein-Westfalen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern beteiligt. Internetspezialisten der Kripo Schwerin waren den Duisburgern auf die Spur gekommen. Daher findet der Prozess gegen die zwei mutmaßlichen Betrüger in Rostock statt. Die beiden Angeklagten sitzen seit Dezember 2021 in Untersuchungshaft.
Polizei stellt Luxus-Autos und Rolex-Uhren bei Verdächtigen sicher
Bei ihrer Festnahme stellten die Ermittlungsbehörden an mehreren Orten Festplatten, Notebooks, Mobiltelefone und USB-Sticks sicher. Außerdem sind Wertgegenstände – etwa zwei hochwertige Autos und Rolex-Uhren – gepfändet worden. Die Ermittler fanden zudem Bargeld in Höhe von insgesamt 371.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft dürfte versuchen, dass diese Wertgegenstände bei einer Verurteilung der Angeklagten eingezogen werden, auch um die Geschädigten zu entschädigen.
Wahrscheinlich ist aber, dass ein Großteil der Betroffenen auf dem Schaden sitzen bleibt: Nach Angaben des Landgerichts haben bislang drei Betroffene zum Teil über ihre Rechtsanwälte so genannte Adhäsionsanträge gestellt, um an ihr gezahltes Geld zu kommen. Möglich sei zudem die Verfolgung eventueller Schadensersatzansprüche auf dem Zivilrechtsweg, so die Sprecherin. Einige Betrogene hätten zudem noch rechtzeitig reagiert und damit wohl Glück gehabt: Sie hätten die als Vorkasse entrichtete Summe zurück erhalten können, weil sie bei ihren Banken im letzten Moment Rückbuchungen eingeleitet hätten.
Allein die Verlesung der Anklage dauerte mehrere Verhandlungstage
Die Hauptverhandlung gegen die beiden Angeklagten hat am 23. Dezember begonnen. Zur Aufklärung der Vorwürfe haben sie bislang nichts beigetragen. Sie machten von ihrem Schweigerecht Gebrauch, heißt es seitens des Landgerichts. Allein die Verlesung der Anklage hatte bereits mehrere Verhandlungstage in Anspruch genommen. Bislang sind 17 Prozesstage bis Anfang März angesetzt worden.
„Weitere Hauptverhandlungstermine werden aller Voraussicht nach erforderlich sein“, erwartet Kruse. Die Anklage habe 2807 Zeugen benannt. Wenn jeder von ihnen tatsächlich geladen und jeweils nur 15 Minuten vernommen würde, wären das 42.105 Minuten oder 701,75 Stunden. Das entspräche mehr als 29 vollen Tagen.