Duisburg. Der Gesetzentwurf für die Freigabe von Cannabis erzeugt beim Jugendsuchthilfeverbund Duisburg gemischte Gefühle. Was aus Experten-Sicht fehlt.
Manche Cannabis-Konsumenten ruinieren ihre Gesundheit mit gestrecktem Stoff. Gefährlich wird es zum Beispiel für die Lunge, wenn Blüten mit Haarspray voluminöser gemacht wurden und die Chemikalien dadurch mitgeraucht werden. Einer gewinnt bei dem Geschäft immer: der Dealer, denn solche Streckmittel lassen die Kasse klingeln. Die Konsumenten aber büßen ihre Gesundheit ein. Das kennt auch Timo Bartkowiak (40) vom Jugendsuchthilfeverbund Duisburg seit Jahren.
Um dem schmutzigen Handel Einhalt zu gebieten, hat die Bundesregierung jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, der den Cannabis-Konsum in engen Grenzen straffrei erlaubt. „Eine Legalisierung für Erwachsene halten wir für vernünftig“, sagt Bartkowiak. „Wir sprechen uns dafür aus, weil es in der Bundesrepublik ungefähr vier bis sechs Millionen Menschen gibt, die Cannabis konsumieren und wir einen modernen und zeitgemäßen Umgang mit dem Thema befürworten.“ Denn ein striktes Verbot sei langfristig nicht abschreckend, das sei mittlerweile bewiesen.
Duisburger Drogenexperten wünschen Beratung in „Coffeeshops“
Für den Sozialarbeiter ist es eher ein gesundheitspolitisches Thema. Es sei besser, in einem sicheren Umfeld zu konsumieren, als sich auf der Straße Cannabis mit Gewürzen, Deo oder anderen Streckmitteln zu kaufen. Der neue Gesetzentwurf der Politik rücke der Realität etwas näher.
Die Suchtberatungsstellen hätten sich allerdings eine andere Lösung gewünscht und diese auch der Politik vorgeschlagen. Natürlich gebe es keine optimale Lösung. Eine bessere als die jetzt vorgesehene sei sie aber gewesen. „Der Vorschlag war, Cannabis-Geschäfte [sogenannte Coffeeshops, d. Red] zu eröffnen, in denen es auch Beratung gibt. Das hätte dem Staat Steuern eingebracht, mit denen man Geld für Prävention gehabt hätte.“
Das habe aber bei der Politik keine Zustimmung gefunden. Stattdessen können sich jetzt Vereine gründen, die nicht gewinnbringend orientiert sind; dort ist der Konsum dann erlaubt. Das Problem sei das europäische Recht, das für die Schengenländer gilt. Das lässt keinen Freiraum für den Kauf illegaler Substanzen, auch nicht für Cannabis.
„Es darf auf keinen Fall für Heranwachsende einen Anreiz zum Kiffen geben“
Erwachsene Konsumenten sollen also nicht mehr kriminalisiert werden. „Wichtig ist uns aber, dass es parallel wieder mehr Aufklärung für die Jugendlichen gibt. Es darf auf keinen Fall für Heranwachsende einen Anreiz zum Kiffen geben“, sagt Timo Bartkowiak. Denn das Gehirn von Jugendlichen reagiere deutlich anders auf die Droge als das von Erwachsenen. Es müsse nicht automatisch, es könne aber den Entwicklungsprozess im Gehirn ausbremsen, so dass es zu Defiziten kommt. „Drogen sollten auf keinen Fall an Jugendliche gegeben werden.“
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Cannabis wirke in der Regel entschleunigend, „man fährt runter“. Regelmäßiger Genuss sollte reflektiert werden, denn es sei auf keinen Fall ein Kinderspiel. Vor allem, wenn es in Familien eine Vorbelastung gebe, erhöhe regelmäßiger Cannabis-Konsum die Psychosegefahr. „Diese Gefahr ist bei Cannabis-Konsumenten sechs- bis achtmal höher als bei Menschen, die keine Drogen nehmen.“ Vor allem Straßen-Cannabis habe einen deutlich höheren Wirkstoffgehalt. „Wir müssen Aufklärung betreiben, damit der Konsum nicht durch die Decke geht“, betont der Sozialpädagoge.
Aber Aufklärung sei in der Regel bisher nur projektgebunden. Wichtig sei vor allem, dass sie altersabhängig stattfindet. „Wir verknüpfen sie immer mit Aktionen, zum Beispiel mit Klettern. Was auch heißt, an seine Grenzen zu gehen. Die Jugendlichen lernen, wie sie mit schlechten Gefühlen umgehen können. Wir vermitteln ihnen Strategien, wie man Probleme bewältigen kann, ohne zu Drogen zu greifen.“