Duisburg. Das Festival Eigenzeit der Philharmoniker endete in der Liebfrauenkirche mit dem Programm „Phantasmagorie“ – das Konzert verging wie im Flug.

Mit dem Programm „Phantasmagorie“ ging jetzt das von dem Duisburger Komponisten Hauke Berheide im Auftrag der Duisburger Philharmoniker kuratierte Festival „Eigenzeit“ zu Ende. In der Liebfrauenkirche gab es eine musikalische Beschwörung von Geistern, Erinnerungen und Bildern. Dank des abwechslungsreichen Programms vergingen die zwei Stunden wie im Flug.

Sängerische Höhepunkte des Konzertes sind die Auftritte der Sopranistin Olivia Stahn, die zwei virtuose moderne Konzertarien singt, die dank der Präsenz der Interpretin fast schon zu kleinen Opernszenen werden. In „Changing Lights“ von Kaija Saariaho verschmelzen Gesang und Flötenmelodien zu leuchtend hellen Farben. Olivia Stahn meistert die Anforderungen dieses Stückes mit scheinbarer Mühelosigkeit. Im Zusammenspiel mit dem großartig aufspielenden Stefan Dreizehnter entsteht eine große klangliche Schönheit.

Wahnsinnsarie in Liebfrauenkirche: Vokalsolisten in den Reihen des Publikums

Eine moderne Form der Wahnsinnsarie ist Lucia Ronchettis „Albertine“. Die halsbrecherischen Kantilenen des Soprans werden mit geflüsterten Texten kombiniert, die von den Kölner Vokalsolisten aus den Reihen des Publikums vorgetragen werden. Wenn das Ensemble zischende und gehauchte Laute von sich gibt, entfaltet diese Musik einen großen Zauber. Sind die Texte aber verständliche Wörter und Sätze, scheint das Wort wichtiger zu werden als der reine Klang und das Stück wird plakativ.

Sopranistin Olivia Stahn bei ihrem Auftritt in der Duisburger Liebfrauenkirche.
Sopranistin Olivia Stahn bei ihrem Auftritt in der Duisburger Liebfrauenkirche. © Unbekannt | Andre Symann

Die Kölner Vokalsolisten sind in diesem Konzert mit barocken Vokalwerken von Johann Christoph Bach und Leonhard Lechner auch für die alte Musik zuständig. Die herben Chorstücke werden sorgfältig aus den Texten heraus gestaltet, sodass sich die klare Schönheit dieser Acapella-Stücke ruhig entfalten kann. Schön ist die Idee die Bach-Motette „Der Gerechte, ob er gleich zu zeitlig stirbt“ von der Empore der Kirche zu singen.

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Unnötige viele Umbauten und VR-Brillen

Aufgrund der hervorragenden Akustik der Liebfrauenkirche, der vielfältigen räumlichen Möglichkeiten der Örtlichkeit und der Drehstühle, auf denen das Publikum sitzt, hätte man das Konzert ohne Umbaupausen mit fließenden Übergängen von einem Stück zum nächsten realisieren können. Stattdessen spielte sich aber ein Großteil des Konzerts im Altarraum ab, was natürlich zu vielen Umbauten führt.

Ein Großteil des Konzertes spielte sich im Altarraum ab.
Ein Großteil des Konzertes spielte sich im Altarraum ab. © Unbekannt | Andre Symann

Eine rasante Kombination von zeitgenössischer Musik und Virtual Reality (VR) bietet „Mauerschau 360°“. Die Duisburger Philharmoniker haben hierfür eine Szene aus Hauke Berheides Oper „Mauerschau“ eingespielt, die 2016 an der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt wurde. Die Regisseurin und Librettistin Amy Stebbins versetzt das Szenario um die Amazonenkönigin Penthesilea und den griechischen Helden Achilles in ein Golfkriegsszenario. Dank VR-Brillen ist man mittendrin im schwindelerregenden 360°-Erlebnis. Man darf gespannt sein, wie diese Technik in die Opernwelt Einzug halten wird.

Philharmonische Tieftöner hallen düster durch Kirche

Weitere eindrucksvolle Auftritte haben Akkordeonist Marko Kassl mit dem minimalistisch-perkussiven „Laterna Magica“ sowie Tonio Schibel und Fulbert Slenczka mit „Archive(s)“ von Sivan Eldar. Das weitgespannte Zusammenspiel von Violine und Cello wird mit Filmaufnahmen des dirigierenden Igor Strawinsky und anderen Orchesterleitern kontrastiert. Die Tempi und Gesichtsausdrücke der Dirigenten stehen hier stets in einer Reibung zur Musik.

Düsterer Abschluss des Abends ist das „Madrigal“ für sechs Posaunen von George Delarue. Düster hallen die philharmonischen Tieftöner durch den Kirchenraum und verabschieden die Zuhörer in die Nacht. – Dieser Abend war das furiose Finale eines ungewöhnlichen Festivals.

>> HAUKE BERHEIDE SCHREIBT OPER – URAUFFÜHRUNG IN FRANKFURT

• Festival-Kurator Hauke Berheide schreibt gerade an den letzten Takten seiner Oper „The People Out There“, die am 22. Dezember von der Oper Frankfurt uraufgeführt werden soll.

• Regie führt erneut Amy Stebbins, die bereits Berheides Musiktheater „Mauerschau“ bei den Münchener Opernfestspielen 2016 inszenierte.

• In dem neuen Stück geht es um die Auswirkungen der Digitalisierung auf zwischenmenschliche und gesellschaftliche Beziehungen.