Duisburg..

Ein grüner Wellblechzaun umrahmt das Gelände von Gerdes Bedachungen in Alt-Oestrum. Das Gehöft aus dem 19. Jahrhundert, das dem Dachdeckerbetrieb seit rund siebzig Jahren als Firmensitz dient, hat optisch seine besten Zeiten hinter sich. Doch noch immer herrscht hier reger Betrieb: Auf dem Schotterhof stapeln sich tausende Dachpfannen und Holzlatten. „Es ist alt, aber alles funktioniert“, sagt Wolfgang Gerdes stolz. Zur Zeit bekomme er mehr Aufträge denn je – das Handwerk blüht. Auch deshalb sucht der Dachdeckermeister noch in diesem Sommer einen neuen Auszubildenden.

Rückblick: Im Oktober vergangenen Jahres übernimmt Wolfgang Gerdes den Betrieb von seinem verstorbenen Chef, bei dem er seit Jahren arbeitet. Prompt tauft Gerdes das Handwerkunternehmen um – „das musste ich machen, denn sonst wundern sich die Leute am Telefon doch“, erklärt er. Tagelang entrümpelt Gerdes das Firmengelände, entsorgt sieben Container mit unbrauchbarem Material und fühlt sich endlich bereit für den Neubeginn.

Suche nach einem Auszubildenden

Den wagt Gerdes mit vier Mitarbeitern, allesamt Dachdeckerfachgesellen. „Einer davon ist schon seit 25 Jahren dabei“, erzählt Gerdes. Doch es wird immer schwieriger, den Betrieb zu fünft zu stemmen. Im gemütlich eingerichteten Gemeinschaftsraum stapeln sich die gelben Auftragsscheine, die Gerdes’ Bedachungsspezialisten Stück für Stück abarbeiten. Und manchmal muss der Chef sogar selbst mit raus auf die Baustelle.

Nicht zuletzt deshalb sucht Wolfgang Gerdes einen Auszubildenden – noch in diesem Sommer. „Das Handwerk brummt, und Dachdecker werden immer gebraucht“, erläutert Gerdes. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an einen Azubi. „Ich lege vor allem Wert auf Pünktlichkeit“, stellt der Dachdeckermeister klar. „Außerdem sollte er oder sie sprachgewandt sein und gesundheitlich fit – vorzugsweise Nichtraucher.“ Der Schulabschluss hingegen sei nebensächlich. „Ein Hauptschulabschluss reicht mir, nur gute Mathe- und Deutschkenntnisse sind wichtig, um zu rechnen und mit Kunden zu sprechen. Eine Schlaftablette kann ich da nicht gebrauchen.“

Traumberuf: Industriekaufmann

Auch flexible Arbeitszeiten sollte ein potenzieller Azubi in Kauf nehmen: „In den Hochzeiten im Sommer muss auch mal am Samstag gearbeitet werden. Das gleicht sich im Winter dann aber aus.“ Die Suche nach einem Azubi gestalte sich schwer, erzählt Wolfgang Gerdes. „Viele wollen nicht mehr körperlich arbeiten. Dabei ist die Arbeit als Dachdecker vielschichtig.“ Neben dem klassischen Aufgabengebiet müsse er immer häufiger auch Kamine einschiefern, Dachrinnen reparieren und Fenster in Dachschrägen einbauen. Allesamt Aufgaben auf dem Dach – wer hoch hinaus will als Dachdecker-Azubi, sollte also auch schwindelfrei sein.

 Engin Mert (31) Foto: Stephan Eickershoff/WAZFotoPool
Engin Mert (31) Foto: Stephan Eickershoff/WAZFotoPool © WAZFotoPool | WAZFotoPool

Nach dem Abitur am Krupp-Gymnasium (Abschluss-Jahrgang 2001) entschied sich Engin Mert für ein BWL-Studium. „Das lief auch echt gut, aber dann wurde mein Vater schwer krank“, erzählt der 31-Jährige. „Ich habe ihn gepflegt, was sehr viel Zeit in Anspruch genommen hat. Darunter hat meine Ausbildung natürlich gelitten, aber die Familie hatte für mich selbstverständlich Vorrang.“

Seit einiger Zeit wird Mert nun durch ein anderes Familienmitglied entlastet. „Diese Chance will ich zu einem Neuanfang nutzen“, sagt der Winkelhausener. Eine Lehre soll es nun werden, am liebsten im kaufmännischen Bereich. „Zahlen, Mathematik, aber auch mit Leuten umgehen – das sind meine Stärken.“ Sein Traumberuf: Industriekaufmann.

Handwerklich begabt

Seine Belastbarkeit hat Engin Mert schon zu Genüge unter Beweis gestellt: Fünf Jahre lang finanzierte er sein Studium mit einem Nebenjob in Nachtschichten. „Das war hart, aber es musste sein“, sagt er. Zudem spricht der gebürtige Krefelder neben Deutsch und Englisch auch Türkisch.

Privat interessiert sich der 31-Jährige vor allem für Basketball. „Ohne geht es nicht“, erzählt Mert grinsend. Jahrelang spielte er aktiv im Verein und trainierte mehrere Jugendmannschaften, etwa beim OSC Rheinhausen. „Und ich kümmere mich zu Hause um alles, was in der Wohnung so handwerklich anfällt“, erzählt Mert. „Tapezieren, Fliesen legen, das habe ich alles gerne gemacht.“

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