Duisburg..

Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum hat am „Runden Tisch Loveparade“ erneut gefordert, die strafrechtliche Schuldfrage von der Frage nach Entschädigungen für Betroffene abzukoppeln. Die Kanzlei des Anwalts vertritt etwa 70 Loveparade-Opfer.

Ein Bild der Sitzung des Runden Tischs Loveparade am Samstag in Duisburg.  Foto: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool
Ein Bild der Sitzung des Runden Tischs Loveparade am Samstag in Duisburg. Foto: Lars Fröhlich / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool

Bei der Aufarbeitung der Loveparade-Katastrophe von Duisburg sollte die strafrechtliche Schuldfrage von der Frage nach Entschädigungen für Betroffene abgekoppelt werden. Diese Forderung nach einer außergerichtlichen Lösung erneuerte Gerhart Baum bei der Sitzung des „Runden Tisches Loveparade“ am Samstag.

Der frühere Bundesinnenminister, dessen Anwaltskanzlei „Baum, Reiter & Kollegen“ rund 70 Loveparade-Opfer und deren Angehörige vertritt, hatte diesen Vorschlag bei einem Treffen am Freitag erstmals persönlich Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland unterbreitet. Dieser soll sich, so Baum, interessiert gezeigt und wohlwollend zu diesen Plänen geäußert haben.

Wunschmodell Stiftung

„Wir wollen alle Beteiligte an einen Tisch bekommen, um mit ihnen eine schnellstmögliche und rechtssichere Hilfe für die Betroffenen zu vereinbaren“, sagte Rechtsanwalt Julius Reiter mit Blick auf die Stadt Duisburg, der Veranstalter Lopavent und das Land NRW. Das Wunschmodell seiner Kanzlei wäre es, eine öffentlich kontrollierte Stiftung ins Leben zu rufen. Der schwierigste Schritt sei es, einen Kriterienkatalog festzulegen, wie viel Geld für welches Einzelschicksal bezahlt werden soll.

Reiter erinnerte an den Sonderfonds des Landes NRW: Dieser hätte bereits schnell und unbürokratisch geholfen. Aus diesem Topf seien sofort jeweils 20.000 Euro an die Angehörigen aller 21 Todesopfer geflossen. Verletzte hätten pro Tag im Krankenhaus 500 Euro ausgezahlt bekommen. „Wir treffen hier aber auf so viele verschiedene Einzelschicksale und unterschiedlichste Fallkonstellationen. Da ist es schwer, Pauschalregelungen zu finden“, so Reiter, der einräumte, dass die Mandantengespräche für ihn und seine Kollegen „unglaublich belastend“ seien.

Reiter nennt als Beispiel eine junge Frau, die eine Ausbildung als Konditorin absolvierte, ehe sie am Tag der Loveparade am Fuße der Rampe in die Masse geriet. „Die Hitze in der Backstube erinnert sie sofort an die Momente, als sie unter Menschen begraben lag und Todesangst hatte. Sie kann ihre Ausbildung nun nicht fortsetzen“, so Reiter.

Dunkelziffer bei psychisch Traumatisierten hoch

Zudem hätten viele Betroffene ihre Ansprüche bislang nicht geltend gemacht. Die Dunkelziffer sei gerade im Bereich der psychisch Traumatisierten extrem hoch. „Wir empfehlen ihnen, den Anschluss zu anderen Opfern zu suchen.“ Etwa über den Selbsthilfeverein Massenpanik – einer der Veranstalter des Runden Tisches.

Baum und Reiter hoffen auf auch deshalb auf eine außergerichtliche Lösung (möglichst noch in der ersten Jahreshälfte 2011), weil bis zu einer Klärung der strafrechtlichen Schuld Jahre vergehen könnten. „Eine so lange Wartezeit ist den Betroffenen nicht zuzumuten“, so Baum. Im Falle der abgestürzten Concorde, wo zehn Jahre zwischen Unglück (2000) und dem letzten Urteil (2010) lagen, habe er für seine Mandaten eine solche Lösung aushandeln können.