Duisburg. Die Mutter der beiden Frischlinge ist im vergangenen Jahr offenbar angefahren worden. Der Nachwuchs überlebte, tollte durch den Wald und folgte Spaziergängern sogar bis nach Neudorf. Stadtförster Jeschke handelte – bis Sommer soll im Stadtwald ein 10000 Quadratmeter großes Gehege entstehen.
Der Duisburger Stadtwald ist um zwei Bewohner reicher. Die kleinen Wildschweine, die derzeit bei Förster Stefan Jeschke leben, haben seit ihrem Ausflug durch die Neudorfer Straßen sogar einen gewissen Promi-Status im Stadtteil. Im vergangenen Frühjahr ist die Mutter der Frischlinge offenbar angefahren worden. Der Nachwuchs überlebte und tollte durch den Wald. Da Jeschke ihn nicht erschießen wollte, gab es nur die Möglichkeit, die Tiere an einen Wildpark abzugeben oder selbst ein Gehege aufzubauen.
Dies soll nun bis zum Sommer passieren. Solange leben die Schweine in einem provisorischen Zuhause der luxuriösen Art: rund 3000 Quadratmeter groß, mit Zweigen, die Rückzugs-Verstecke bieten, einem Swimmingpool zum Suhlen und Vollpension. Derzeit sucht die Stadt noch Sponsoren, die Geld spenden. Zudem sollen Info-Tafeln und eine Aussichtsplattform für Kinder realisiert werden. Ein Magnet für Besucher ist das Schweinegehege schon jetzt.
Kaum steht jemand am Zaun, kommen die Wildschweine angewetzt. Sie schnüffeln und springen freudig am Gatter empor, fast wie Hunde. „Als ich bemerkt habe, dass sie im Wald unterwegs sind, habe ich sie zunächst gefüttert, ohne dass sie mich entdeckt haben. Allerdings sind die Schweine auch von anderen Spaziergängern gesehen worden, die ihnen Futter gegeben haben“, erklärt Förster Jeschke, warum sich die Tiere so schnell an die Menschen gewöhnt haben.
Die beiden Geschwister verloren jede Scheu. So begleiten sie beispielsweise Walker durch den Wald, wie WAZ-Leser Thomas Windt uns schrieb. Die beiden trabten fröhlich mit ihm und seiner Lebensgefährtin über die Wege. Einer Joggerin hefteten sie sich an die Fersen – und begleiteten sie bis nach Neudorf. Da war die Aufregung groß. Jeschke musste handeln, ihm kam die Idee mit dem Gehege.
Bevor gebaut werden kann, müssen noch ein paar Genehmigungen her. Ein politischer Beschluss ist nicht nötig, der Umweltdezernent unterstützt die Idee. „Da wir Sponsoren suchen, belastet das Gehege die Stadtkasse nicht“, erklärt die Stadt-Sprecherin Susanne Stölting. Sie geht davon aus, dass die Kosten sich im niedrigen fünfstelligen Bereich bewegen werden. 10 000 Quadratmeter soll das neue Zuhause am Ende messen. Platz genug für die beiden Schweine und Nachwuchs. Jeschke denkt darüber nach, ein weiteres Tier anzuschaffen. „Damit es nicht zu Inzucht kommt.“ Ein offizieller Name für die beiden soll noch gesucht werden. Vorerst nennt er sie „Blümchen“ und „Schnitzel“.
„Blümchen ist das Schmuse-Schwein“
Kaum betritt Stefan Jeschke das Gehege, kommen „Blümchen“ und „Schnitzel“ angetrabt. Im Eimer hat er ihr Lieblingsfutter dabei, Mais und Eicheln. Vor dem Gatter stehen Spaziergänger und betrachten das Schauspiel. „Die beiden Schweine haben richtig Leben in den Wald gebracht“, sagt Susanne Holtkamp. Mit ihrem „Hector“ geht die Mülheimerin regelmäßig im Duisburger Stadtwald spazieren. Der Hund habe nur einmal geknurrt, seitdem sagt er keinen Mucks mehr, wenn er die Schwarzkittel sieht. Nun steht Susanne Holtkamp mit Jürgen Nellen am Zaun und beobachtet, wie die Wildschweine durch den Wald flitzen. „Wir haben unseren Nachbarn davon erzählt, die wollten das gar nicht glauben“, sagt Nellen.
Auch Louisa schaut den Tieren gerne zu. Tante Birgit Protze findet, dass Kinder in dem Gehege noch etwas lernen können und ihre Freizeit mal wieder in der Natur verbringen. „Die meisten kennen ja nur rosa Hausschweine. Wildschweine sind da schon etwas besonderes.“ Da das Gehege größer wird, soll für die kleinen Besucher ein Aussichtspunkt geschaffen werden, damit sie die Schweine auch beobachten können, wenn sie weiter weg unterwegs sind. Förster Jeschke könnte sich auch vorstellen, künftig den Kindern etwas über Wildschweine zu erklären. So wie Benet, der mit seinem Großvater Herbert Teusch zu Besuch ist. „Letztens haben wir sie gar nicht entdeckt, da dachte ich schon, sie wären als Weihnachtsbraten geendet.“ Benet findet Tiger zwar noch ein bisschen toller als Wildschweine, „aber die findet man ja nur im Zoo“.
„Wildschweine kommen immer mal wieder im Stadtwald vor. Sie fallen unter das Jagdrecht und werden auch bejagt“, erklärt der Experte. Landwirte in der Region schätzen die Tiere gar nicht, denn sie pflügen die Felder. Im Wald sind sie aber gerne gesehen. Sie graben nämlich den Boden um und fressen Schädlinge, etwa Schmetterlingsraupen oder Maikäfer, die sonst die Blätter schädigen würden. Bei der Auswahl des Geländes hat Jeschke darauf geachtet, dass das Gehege unter Eichen liegt. So gibt’s kaum Probleme mit dem Futter-Nachschub.
Die Geschwister sind sich übrigens nicht unbedingt ähnlich, hat der Förster beobachtet. Der Keiler ist ungestüm und beginnt bereits mit Revierkämpfen, sobald jemand ihm zu nahe kommt. Die Bache ist hingegen sanftmütig. „Blümchen ist das Schmuse-Schwein.“ Jeschke hat schon manchen Findling im Wald aufgepäppelt, mal eine Eule groß gezogen und einen verletzten Fuchs versorgt. Die Schweine sind ihm längst ans Herz gewachsen. Jeden Abend kontrolliert er, ob es ihnen gut geht und bringt ihnen ihr Nachtmahl. Dann grunzen die beiden zufrieden.