Duisburg. Jürgen Tasch verabschiedet sich vom Duisburger Landfermann-Gymnasium. Uwe Sin übernimmt. Ein Gespräch über Lehrermangel, Duisburg und ihre Noten.
Am Duisburger Landfermann-Gymnasium gibt es einen Wechsel in der Schulleitung: Der Stellvertreter, Jürgen Tasch, wird künftig das Konrad-Adenauer-Gymnasium in Langenfeld leiten. Uwe Sin, der bisher die Oberstufe geleitet hat, übernimmt. Beide stammen nicht aus Duisburg, haben über die Schule aber einen Eindruck von der Stadt bekommen. In Zeiten, in denen nicht viele Lehrer in Duisburg unterrichten wollen, erzählen die beiden im Gespräch, warum sie gerne hier arbeiten. Außerdem verraten sie, wie gut sie selbst in der Schule waren.
Herr Tasch, wie lange waren Sie am Landfermann?
Tasch: Insgesamt acht Jahre. Die Stufe, mit der ich 2014 angefangen habe, hat jetzt Abi gemacht.
Sin: Das waren acht Jahre? Ist mir viel länger vorgekommen...
Tasch: Leidenszeiten fühlen sich immer länger an… Aber im Ernst: Für mich ist das Landfermann und meine Zeit mit dem Schulleiter Christof Haering Teil einer Reise. Wir beide haben uns 2006 an der deutschen Schule Thessaloniki in Griechenland kennen gelernt und haben festgestellt, dass wir gemeinsame Ideen von Schule und Werte teilen. Später bin ich dann an eine Schule in Leverkusen gewechselt, an der Christof Haering stellvertretender Schulleiter war – und bin ihm dann 2014 nach Duisburg gefolgt. Allerdings muss ich noch 17 Jahre arbeiten und es ist Zeit, etwas Neues zu machen.
Jürgen Tasch: „Mir hat es in Duisburg immer gefallen“
Und wie war ihr erster Eindruck von Duisburg?
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Tasch: Ich wohne in Köln und bin all die Jahre gependelt. Wenn man aus dem Süden kommt und auf der Autobahn über die kleine Anhöhe fährt, von der man einen schönen Blick über die Skyline von Duisburg hat, dann ist das ein wirklich schöner Moment. Es ist ein schönes Bild, wenn die Sonne aufgeht, aber auch, wenn es nebelig ist. Klar, waren die Reaktionen in meinem Freundeskreis erstmal: ,Echt, Duisburg!’ Aber mir hat es hier immer gut gefallen. Es war eine gemeinsame Teamleitung auf Augenhöhe. Und die Stadtverwaltung hat in den vergangenen Jahren vieles möglich gemacht und in Bildung investiert.
Gab’s schöne Erlebnisse in den vergangenen Jahren?
Tasch: Für mich war immer wichtig, die Schülerinnen und Schüler bei ihrer persönlichen Entwicklung zu begleiten. Was habe ich davon, wenn jemand alle mathematischen Gleichungen lösen kann und später vielleicht als hervorragender Arzt an Herzen operiert, aber selbst keine Persönlichkeit hat?
Oft sagen diejenigen, die nicht Lehrer in Duisburg sein wollen, dass die hohe Zahl der Migranten an den Schulen sie abschrecke.
Sin: Ich bin jetzt seit 18 Jahren an der Schule. Neulich, als wir in einer Klasse die Anwesenheitsliste durchgegangen sind, ist uns aufgefallen, dass etwa die Hälfte Migrationshintergrund hat. Vorher ist mir das nicht aufgefallen. Man merkt es im Alltag nicht, denn die Kinder leben ja auch schon in dritter oder vierter Generation hier.
Uwe Sin: „Ich hatte weder Vor- noch Nachteile wegen meines Migrationshintergrunds“
Ihre Eltern stammen aus Südkorea, sie selbst sind in Kamp-Lintfort geboren und aufgewachsen. Ist es ein Vor- oder Nachteil, als Lehrer einen Migrationshintergrund zu haben?
Sin: Ich habe weder das eine noch das andere gemerkt. Ich hatte nie Probleme. Erst als ich mit 16 Jahren das erste Mal nach Südkorea gereist bin, ist mir aufgefallen, dass ich dort im Laden gar nicht besonders angeguckt werde. Aber das war auch das einzige Mal.
K-Pop und koreanisches Essen liegen ziemlich im Trend.
Sin: Ja, manche Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich sehr damit und sprechen teilweise besser Koreanisch als ich, aber das ist auch nicht besonders schwer.
Als Kamp-Lintforter – welchen Bezug hatten Sie früher zu Duisburg?
Sin: Wir sind mit meinen Eltern zum Einkaufen nach Duisburg gefahren. Aber das war’s eigentlich. Ich habe damals vor 18 Jahren einen Anruf bekommen und wurde gefragt, ob ich am Landfermann Lehrer werden möchte. Damit habe ich gar nicht gerechnet. Aber wenn man erst einmal hier ist, ist es gut. Mit Herrn Haering und Herrn Tasch habe ich aber auch eine Gemeinsamkeit.
Welche?
Sin: Ich habe mein Referendariat an der gleichen Schule in Leverkusen gemacht, an der die beiden auch waren.
Gibt’s noch weitere Gemeinsamkeiten?
Tasch: Wenn man so will, dann stehen wir am Landfermann für Vielfalt und Offenheit. Uwe Sin und ich stehen für Diversität. Er, weil er Migrationshintergrund hat. Ich, weil ich mit einem Mann zusammenlebe.
Jürgen Tasch möchte selbst das Vorbild sein, das er sich als Jugendlicher gewünscht hätte
Haben Sie das offen an der Schule thematisiert?
Tasch: Es war nicht so, dass ich es jedem sofort gesagt habe. Aber es war ganz normal, dass ich erzählt habe, dass mein Mann mitkommt oder so. Es ist wichtig, dass die Jugendlichen wissen, dass man als schwuler Mann ein normales, glückliches und beruflich erfolgreiches Leben führen kann. Ich hätte mir als Junge solche Vorbilder gewünscht. Ich habe echt gestruggled.
Sind Sie eigentlich Lehrer geworden, weil Sie beide gute Schüler waren?
Sin: Ich dachte immer, dass ich ein guter Schüler war. Aber, wenn ich jetzt die Zeugnisse meiner Kinder sehe, dann muss ich sagen: Ich war eher Durchschnitt, zumindest in der Sekundarstufe I. Als es dann aufs Abi zuging, wurde ich besser. Ich habe mich in der Schülervertretung engagiert und mir war früh klar, dass ich Lehrer werden wollte.
Tasch: Ich war früher ein ziemlich rothaariges und anstrengendes Kind. In der fünften Klasse stand mal auf meinem Zeugnis: „Jürgen ist nur bedingt gewillt, die ihm übertragenden Aufgaben zu übernehmen.“ Ich war Mittelmaß bis zur Oberstufe. Und später bin ich sogar mal durchs Staatsexamen gesegelt. In Erziehungswissenschaften bin ich durchgefallen, wahrscheinlich, weil man als Mathematiker etwas arrogant gerätselt hat, was man damit anfangen solle. Ich habe dann ein Jahr wiederholt und nebenher schon Vollzeit gearbeitet. Diese Erfahrung war super lehrreich und ich kann jeden Schüler verstehen, wie es ihm geht, wenn er auf seine Abi-Noten wartet oder der in Mathe eine Fünf bekommt. So etwas prägt einen jungen Menschen.
Was unterrichten Sie, Herr Sin?
Sin: Katholische Religionslehre und Musik.
Uwe Sin hat noch einen „Nebenjob‘ als Organist am Kloster Kamp
Wie kam’s dazu – spielen Sie ein Instrument?
Sin: Ja, ich spiele Orgel und habe noch einen Nebenjob – ich bin Organist im Kloster Kamp. Ich sitze also oft samstags und sonntags an der Orgel.
In der Duisburger City gibt es mit dem Steinbart, Mercator und Hildegardis noch andere Gymnasien. Warum sollten sich Kinder für das Landfermann entscheiden?
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Sin: Ich weiß, warum ich am Landfermann bin. Ich arbeite als Oberstufenkoordinator zum Beispiel mit dem Steinbart gut zusammen, aber bei uns wird viel Wert auf den individuellen Bildungsweg jedes einzelnen gelegt. Wir haben viele Förderprogramme, sind gut in Sprachen, aber auch in den MINT-Fächern aufgestellt.
Freuen Sie sich auf Ihre neue Aufgabe?
Sin: Ja. Nach acht Jahren ist es gut, noch einmal aus seiner Komfortzone zu kommen und etwas Neues zu machen.
Tasch: Ich freue mich. Ich habe nach einer Schule gesucht, die zu mir passt und zu der ich passe. Das Konrad-Adenauer-Gymnasium ist etwa so groß wie das Landfermann und natürlich gibt in Langenfeld viel weniger Schulen. Das ist eine spannende Aufgabe. Außerdem freue ich mich, künftig nur noch 20 Minuten zur Arbeit zu brauchen oder sogar mit dem E-Bike fahren zu können.