Duisburg. Loveparade-Gedenkentag: Ein Reporter aus Brescia, dem italienischen Heimatort von Giulia Minola, die bei dem Desaster ums Leben kam, besucht derzeit Duisburg.
Wem die Stunde schlägt: Wenn Mittwochnachmittag in Duisburg um 17 Uhr die Glocken aller Innenstadt-Kirchen läuten und sie damit auf die Minute genau an den Todeszeitpunkt von 21 jungen, lebenslustigen Besuchern der Duisburger Loveparade vom 24. Juli 2010 erinnern, wird 970 Kilometer weiter südlich, im norditalienischen Brescia ebenfalls eine Kirche mit eindringlichem Geläut aus eben demselben Anlass wie in Duisburg zur Messe rufen.
Es ist dies eine Messe für Giulia, für Giulia Minola (21), jene junge Studentin aus der Lombardei, die vor drei Jahren zu einer aufregenden Rundreise durch Europa aufbrach, um als Zwischenstation in Duisburg die Party ihres Lebens zu feiern. Die Loveparade. Doch in Duisburg endete Giulias junges Leben. Abrupt. Völlig sinnlos. So grausam. Eine Tragödie für ihre Familie.
Wieso geht es so langsam voran?
Deshalb ist Emanuele Galesi (33), der junge Redakteur des „Giornale di Brescia“ (Zeitung von Brescia) seit gestern in Duisburg. Er ist genauso wie Giulias Mutter - Nadia Zanacchi - nach Duisburg gereist, um hier nachzuschauen, wie die Stadt so tickt im „Jahr 3“ nach dem Todesdesaster in dem schrecklichen Tunnel. Wie geht man in Duisburg mit dem Thema „Loveparade-Katastrophe“ im dritten Jahr um?
Wird das Gedenken kleiner? Am Anfang hat man in einem Fußball-Stadion der Toten gedacht, dann auf einem Theaterplatz, heute in einer kleineren Kirche. Will man das Gedenken loswerden? „Giulias Mutter ist enttäuscht und misstrauisch, dass die Ermittlungen und der Rechtsweg so unendlich langsam voran gehen“, sagt der italienische Reporter im Gespräch mit der NRZ. „Sie und ihre Familie haben Angst, dass es am Ende zu gar nichts führt.“
Die Banalität des Todes
Am Dienstag - so erzählt Emanuele - sei er mal zu der neuen Gedenkstätte in dem Tunnel gegangen: „Puh, es ist schon sehr klein und eng hier. Aber ich habe hier sehr sympathische Menschen getroffen, die voller Mitgefühl waren.“ Bei ihm zu Hause in Italien kann niemand verstehen, dass es für das Desaster in Duisburg keine Verantwortlichen geben soll. „Niemand ist schuld?“, fragt Galesi, „selbst der Unglücksort - die grässliche Rampe an dem schrecklichen Tunnel - ist wohl eine Art Niemandsland, für das keiner verantwortlich war? Nicht der Veranstalter, nicht die Stadt, nicht die Polizei! Wer soll denn so was glauben?“
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Giulias Mutter ist ebenfalls in der Stadt, sagt er, der Journalist. Er wird sie erst morgen treffen und von ihr hören, wie sie den heutigen Mittwoch überstanden hat. „Heute, am Todestag selber, lasse ich sie in Ruhe“, sagt er, „ich kann mir schon denken, wie es ihr ergehen wird.“ Der Tod der Tochter hatte die Mutter vor drei Jahren in ein großes Loch geworfen,aus dem die Lehrerin erst sehr langsam wieder entstiegen ist.
Gedenkstätte für Loveparade-Opfer
„Deshalb ist es für sie extrem wichtig, dass endlich ein Gerichtsprozess nach Gerechtigkeit sucht“, sagt Galesi. Die scheinbare Banalität des Todes, der ihre Tochter einfach so dahin hingerafft hat, die macht der Mutter aus Brescia nach Worten des Reporter stark zu schaffen: „Gestorben bei einem Flugzeugabsturz, oder einem Bombenanschlag, das könnte sie begreifen, wenn auch natürlich niemals akzeptieren. Aber ihr Kind stirbt beim Betreten einer Party, eines Volksfestes? Wie geht denn so etwas?“
Freude über die Magnolien
Direkt vor seinem Hotel in Duisburg am Hauptbahnhof hat Emanuele Galesi den Magnolien-Hain entdeckt, den der neue Oberbürgermeister der Stadt hat aufstellen lassen: „Ein schönes Gedenken für die Opfer. Ich wusste nicht, dass er hier steht, wo die Loveparade begann. Am zentralsten Ort der Stadt. Das ist gut so!“
Gerade eben hat der Reporter aus Italien schon das neue Stadtoberhaupt getroffen und ihn befragt, was der Anwalt der Loveparade-Opfer damit gemeint habe, als er in der vergangenen Woche davon sprach, der „neue OB benehme sich genauso wie der alte“. Der Anwalt spiele halt seine Rolle, sagte der OB, das könne er verstehen. Er, OB Link, sei für das Loveparade-Desaster nicht verantworlich, aber politisch-moralisch nehme er die Verantwortung auf. Deshalb habe er sich im vergangenen Jahr für das Verhalten der Stadtspitze entschuldigt und moderiere jetzt den Dialog zwischen dem Möbel-Investor und den Opfer-Familien. Galesi: „Euer neuer OB ist sympathisch, er ist kein bisschen selbstherrlich! Sehr angenehm.“
Wie gesagt, der junge Reporter aus Italien ist gekommen, um zu verstehen und seinen Lesern in der Lombardei zu erzählen, wie man drei Jahre danach in Duisburg mit der Katastrophe umgeht, bei der 21 Menschen so elend gestorben sind. Unter anderem Giulia aus Brescia.