Duisburg/Moers. Männer aus Duisburg und Moers müssen sich vor Gericht für eine spektakuläre Geiselnahme verantworten. Zweifel an der ursprünglichen Version.
Wegen eines dramatisch klingenden Geschehens stehen zwei 22 und 38 Jahre alte Duisburger und drei 22 bis 32 Jahre alte Männer aus Moers vor dem Landgericht. Am 26. Mai 2020 sollen sie in Neukirchen-Vluyn einen Mann entführt, nach Homberg verschleppt und dort in einer Wohnung festgehalten haben, bis ein Sondereinsatzkommando der Polizei ihn am nächsten Morgen befreite.
Nach der Anklageverlesung vor knapp drei Wochen hatten die beteiligten Juristen etliche Stunden hinter verschlossenen Türen die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Möglichkeit einer schnellen Verfahrenserledigung im Rahmen einer so genannten Verständigung, die den Angeklagten im Falle eines Geständnisses eine relativ milde Strafe zusichern würde, war ausgelotet worden. Die Gespräche endeten ohne Ergebnis. Weil die Strafvorstellungen zu weit auseinander lagen.
Mann mit Gewalt gekidnappt und nach Duisburg gebracht
Die Anklagebehörde geht davon aus, dass der Geschädigte, der mit einem Bekannten von einer Fahrt nach Düsseldorf zurück kehrte, mit Gewalt auf offener Straße gekidnappt wurde. Zwei Fahrzeuge sollen das Auto, in dem der Mann auf dem Beifahrersitz saß, an einer Ampel in Neukirchen-Vluyn eingekeilt haben. Durch das offen stehende Seitenfenster wurde der Mann von einem maskierten Angeklagten mit Pfefferspray wehrlos gemacht.
Den Fahrer des Wagens sollen die Täter kurz darauf weggeschickt haben. Der Entführte wurde von ihnen nach Homberg gebracht. Die Täter sollen den Mann misshandelt haben, um dessen Kumpan, mit dem man seit geraumer Zeit wegen Drogenschulden im Streit war, ebenfalls anzulocken. Laut Anklage sollen die Männer vorgehabt haben, ihn zu töten.
Hinter den Kulissen geistert eine andere Version herum
Die Angeklagten schweigen bislang. Doch es gab bereits vor dem Prozess Angaben. Und hinter den Kulissen war zu hören, dass es sich möglicherweise gar nicht um eine echte Entführung, sondern um eine vorgetäuschte Tat gehandelt haben soll. Eine Aktion, mit der ein Seitenwechsel des Mannes getarnt werden sollte, um sich gleichzeitig dessen kriminelle Fähigkeiten zu sichern. Nicht alle Beteiligten sollen eingeweiht gewesen sein.
Was ein 22 Jahre alter Zeuge und guter Bekannter des Geschädigten zu sagen hatte, klang nur bedingt nach einer brutalen Entführung. „Als wir an der Ampel standen, zischte Spray durch das Seitenfenster“, erinnerte sich der Fahrer des überfallen Wagens. „Ein maskierter Mann stieg ein und hat mich höflich gebeten, dem vorausfahrenden Auto zu folgen und mich nicht einzumischen.“ Über die Umstände wunderte sich der Zeuge zwar. Doch man ließ ihn kurz danach unbehelligt ziehen. Zu diesem Zeitpunkt hätten der Geschädigte und seine Entführer – mindestens einen davon kannte der Zeuge schon vorher – friedlich nebeneinander gestanden. „Es sah so aus, als wenn die irgendwas klären wollten.“
Entführter Mann ist abgetaucht
Der Geschädigte ist zwar als Zeuge geladen, scheint indes abgetaucht zu sein. Die Polizei gehe davon aus, dass er sich noch irgendwo im Raum Moers aufhalte, konkret greifbar sei der Mann aber wohl nicht, teilte der Vorsitzende mit. Bis Ende April sind vier weitere Sitzungstage vorgesehen.