Duisburg.

Sebastian Steimer (26) tritt vorsichtig aufs Pedal und sucht den Druckpunkt. Erst dann kann er den Hebel neben ihm langsam nach vorne drücken und die Straßenbahn in Bewegung setzen. Es ist die erste Runde, die der 26-Jährige mit dem 33 Meter langen und rund 30 Tonnen schweren Gefährt dreht – hier auf dem DVG-Betriebshof Grunewald, der an diesem Morgen zum Verkehrsübungsplatz für fünf Fahrschüler wird.

Wer gedacht haben sollte, dass Straßenbahnfahrer einfach nur Gas geben und geradeaus fahren müssen, sieht sich schnell getäuscht. Dabei sind die Fahranfänger noch nicht einmal auf regulärer Strecke unterwegs. „Dann müssen sie noch viel mehr die vielen Knöpfe im Auge behalten, auf Signale und den Verkehr achten“, sagt Rembert Klein. Er ist der Fahrlehrer und sitzt in einer kleineren Kabine direkt hinter Sebastian Steimer. Von dort kann Klein notfalls eingreifen, aber auch Störungen zu Übungszwecken simulieren.

Erfahrung als Busfahrer

Noch ist Klein aber gnädig zu den absoluten Neulingen. Sebastian Steimer ist auf seiner Premierenrunde allerdings auch schon erstaunlich souverän. Dann darf der nächste Fahrschüler ran: Marcus Krinelka. Der 46-Jährige ist bereits als Busfahrer unterwegs. Künftig will er Fahrgäste auch mit der Straßenbahn von A nach B bringen. Solche Doppel-Jobs sind keine Seltenheit bei der DVG. „Er hat den Vorteil, dass er bereits gewohnt ist, große Fahrzeuge und vorausschauend zu fahren“, erklärt Rembert Klein.

Dass auch auf dem Betriebshof Regeln gelten, muss Yannick Cipa wenig später erfahren. Bevor er ein gelb-grün-gelbes Stoppschild überfährt, greift Rembert Klein ein. Kein Problem, noch wird geübt. Nach ein bis zwei Tagen auf dem Betriebshof geht’s allerdings schon raus. „Wir fahren dann aber erst einmal auf Strecken mit wenig Autoverkehr“, sagt Klein.

"Rechts vor links" ist außen vor

Langsam sollen Cipa und Co. heran geführt werden. Eine gängige Verkehrsregel werden sie allerdings nie beachten müssen: rechts vor links. „Wenn wir abbiegen, wird das über die Signale geregelt“, erklärt Klein. Es gebe allerdings mitunter so genannte Begegnungsverbote. „Ein solches Verbot hatten wir zum Beispiel früher auf der maroden Vinckekanalbrücke in Ruhrort. Dort durfte immer nur eine Straßenbahn drüberfahren, die andere musste gegebenenfalls warten.“

Mit solchen Vorschriften muss sich Yannick Cipa an diesem Morgen noch nicht auseinandersetzen. Er dreht noch eine weitere Runde auf dem Betriebshof. Schneller als 10 km/h ist er hier nicht unterwegs. „Mach jetzt bitte mal eine Vollbremsung“, sagt Klein plötzlich. Der Fahrschüler zieht den Hebel komplett nach hinten.

Bei 50 km/h hat die Bahn einen Bremsweg von 110 Metern

Wer jetzt steht und sich nicht richtig festhält, lernt fast Fliegen – trotz der geringen Geschwindigkeit. Außerdem bleibt die Bahn erst nach einigen Metern stehen. „Bei 50 km/h auf regulärer Strecke hat eine Straßenbahn bei einer Vollbremsung einen Bremsweg von 110 Metern“, so Klein. „So mancher Autofahrer würde sicher anders fahren, wenn er das wüsste.“

Und auch Yannick Cipa bekommt eine Ahnung, welche Herausforderungen demnächst auf ihn als Straßenbahnfahrer zukommen können.