Duisburg. Zum Ende des Zweiten Weltkrieges bekam jeder von ihnen eine Flasche Rebsaft. Die deutsche Verwaltung musste diese besorgen.
Als heute vor 70 Jahren der Zweite Weltkrieg in Deutschland und Europa zu Ende ging, da hatten in Duisburg die Waffen bereits seit dreieinhalb Wochen geschwiegen – die Stadt war schon am 13. April den US-Truppen übergeben worden. Ein Ereignis prägte aber auch in Duisburg das offizielle Ende des Krieges: Jeder westliche Zwangsarbeiter, der noch in der Stadt war, bekam eine Flasche Wein. So sollte der Tag gebührend gefeiert werden.
Das aber stellte die deutsche Verwaltung vor große Probleme, wie der Historiker Michael A. Kanther vom Stadtarchiv erläutert. Denn: „Sie musste sich darum kümmern, dass jeder die Flasche Wein erhielt.“
Also habe sich die Verwaltung auf die Suche machen und den Rebsaft requirieren müssen. Kanther weiß auch, wo. „Es gab einen Weinkeller im Duisburger Hof und in großen Sozietäten.“ Tatsächlich war die Suche von Erfolg gekrönt: Jeder Zwangsarbeiter aus einem westlichen Land konnte am 8. Mai 1945 in Duisburg auf den Frieden anstoßen.
In Duisburg war am 8. Mai 1945 wieder etwas Alltag eingekehrt
Wie viele Menschen das waren, lässt sich aber nicht mehr rekonstruieren. Kanther: „Aus Berichten geht hervor, dass es 1945 in der zweiten Aprilhälfte 34.000 Zwangsarbeiter in der Stadt gab. Zum offiziellen Kriegsende, also knapp vier Wochen nach der US-Besetzung, waren immer noch rund zehn Prozent davon hier, wie es heißt.“ Die genaue Anzahl von westlichen Zwangsarbeitern lasse sich aber nicht mehr rekonstruieren – doch es seien einige gewesen.
Doch warum hielten sich so viele Zwangsarbeiter noch in Duisburg auf, obwohl sie bereits in ihre Heimat hätten zurückkehren können? „Das lag an der recht intakten Lage in der Stadt. Zum Teil hatten sich Zwangsarbeiter schon in Richtung Westfalen aufgemacht“, so der Historiker. Da habe aber mitunter Chaos geherrscht, die Menschen seien wieder umgekehrt.
In Duisburg hingegen habe wieder ein gewisser Alltag am 8. Mai geherrscht, wie der Leiter des Stadtarchivs, Andreas Pilger, erläutert: „Die Amerikaner hatten schon Straßen mit ihrem schweren Gerät geräumt. Knapp vier Wochen nach ihrem Einrücken waren auch bereits viele Ängste in der Bevölkerung abgebaut.“
Und Stadtarchiv-Mitarbeiter Kanther ergänzt: „Als Hitler sich am 30. April erschoss, fuhr schon wieder die erste Straßenbahnlinie in Duisburg.“ Von den 430.000 Einwohnern der Stadt seien zum Kriegsende noch gut 100.000 Menschen da gewesen. Ihnen habe sich auch ein Bild der Verwüstung geboten. „Etwa 80 bis 90 Prozent der Innenstadt waren zerstört. Auch einige Stadtteile wie Marxloh oder Untermeiderich mit ihren Industrieanlagen waren schwer in Mitleidenschaft gezogen“, sagt Kanther.