Duisburg. Wegen zu hoher Kosten will Mülheim womöglich die Straßenbahnen abschaffen. Dieser Kurswechsel hat die lokale Politik in Duisburg wie auch die Verantwortlichen bei der DVG eiskalt erwischt. Für die täglich mehr als 16.000 Fahrgäste der Linie 901 in Richtung Mülheim wäre dann am Zoo Endstation.

Bus statt Bahn, der Kosten wegen: Dieser rasante Kurswechsel in der Nachbarstadt Mülheim hat die lokale Politik in Duisburg wie auch die Verantwortlichen bei der Duisburger Verkehrsgesellschaft (DVG) eiskalt erwischt: Der östliche Nachbar will in den kommenden Jahren komplett seine Straßenbahnen einmotten, die Tram- und U-Bahn-Linien stilllegen und künftig nur noch auf Bus-Verkehr setzen. Ein kompletter Systemwechsel!

Der Grund: Die extrem hohen Kosten für den Unterhalt der immer maroder werdenden Straßenbahnen-Linien mögen sich Mülheimer Politiker wie Verkehrs-Manager nicht mehr leisten. Die Konsequenz für Duisburg: Für die täglich mehr als 16.000 Fahrgäste der Straßenbahnlinie 901 allein in Richtung Mülheim wäre dann am Halt „Zoo / Universität“ Endstation. Hier müssten sie in einen Bus nach Richtung Mülheim umsteigen. Wenn, ja wenn sie dann alle dort hineinpassen. Eine absurde Vorstellung?

„Bizarrer Alleingang“

Für Herbert Mettler (SPD), Chef sowohl des DVG-Aufsichtsrates wie auch des Aufsichtsrats der VIA, einer Dienstleistungsgesellschaft der Städte Duisburg, Mülheim, Essen, wäre dies schlichtweg unvorstellbar. „Ich kenne keine Argumente“, sagte er gestern auf Anfrage der NRZ, „die einen solchen bizarren Alleingang rechtfertigen würden.“

Wirtschaftlich und ökologisch sei das System Straßenbahn dem des Busses weit überlegen. Unvorstellbar, sich die Straßenbahnen aus dem Verkehr des Ruhrgebietes wegzudenken. Mettler kritisierte in diesem Zusammenhang den Umgang Mülheims mit seinen Partnern Duisburg und Essen: „Es gab zu diesem Vorhaben mit uns keinerlei Abstimmung oder Gespräche, auch dem Verkehrsverbund Rhein-Ruhr ist diese neue Marschrichtung von Mülheim nicht bekannt. Das hat uns kalt erwischt. Das ist schon sehr befremdlich! Und diese Feststellung ist von mir jetzt sehr freundlich formuliert.“

Gestern Morgen hatte dazu Duisburgs OB Link bei seiner Amtskollegin telefonisch angeklopft und höflich nachgefragt, was denn da eigentlich in Mülheim los sei. Zudem wird Link seiner Amtskollegin verdeutlicht haben, dass Mülheim keine Insel, sondern eine Stadt ist, die in ein Geflecht von Geben und Nehmen, von VRR und VIA eingebunden ist.

Vom Vorstand der Duisburger Verkehrsbetriebe gab es dazu gestern indes nur diplomatisch Abgewogenes aus der Pressestelle: „Wir sind als DVG gut beraten, uns nicht in die Nahverkehrsplanung der Stadt Mülheim einzumischen. Umgekehrt würden wir diesen Anspruch auch erheben.“ Aus dem Vorstandsbüro des neuen Chefs der Essener Verkehrsbetriebe EVAG, Michael Feller, war die Kritik an dem Mülheimer Alleingang schon deutlicher: „Ich sehe das sehr kritisch. Das konterkariert alle unsere Bemühungen und es wird zu einer städteübergreifenden Verschlechterung des Nahverkehrs-Systems führen.“

Unter dem Eindruck des Protestes

In Duisburg, so ließ DVV-Sprecher Torsten Hiermann verlauten, befürchte man nicht, dass dieses Beispiel Schule machen könnte. Die Städte Mülheim und Duisburg würden sich erheblich in Struktur und Verkehrsaufkommen unterscheiden. Straßenbahnverkehr durch Busse zu ersetzen, würde aus heutiger Sicht keine sinnvolle Option darstellen.

Unter dem Eindruck des sich aufbauenden Protestes in den Nachbarstädten hat der Mülheimer Stadtrat gestern dann vorerst einen Rückzieher gemacht und die Abkehr von der Straßenbahn vertagt. SPD, CDU und Grüne wollen nun eine „mittel- bis langfristige Investitionsstrategie“ erarbeiten. Die Richtung aber ist vorgegeben. Denn Mülheims Kämmerer Uwe Bonan erklärt noch gestern: „Vor dem Hintergrund der katastrophalen Haushalts- und Verschuldungssituation der Stadt sowie grundsätzlich nicht vorgesehener Fördermittel durch Bund oder Land sind Investitionen ins Straßenbahnnetz nicht finanzierbar. Daher ist eine grundlegende Neuausrichtung des Mülheimer ÖPNV erforderlich.“ Es droht also weiterhin ein Straßenbahnnetz im Revier mit einem Loch namens „Mülheim“.

Ein Kenner der Szene beschreibt die Lage ungeschminkt: „Wenn man wie die Stadt Mülheim jahrelang nichts für sein Straßenbahnnetz getan hat, darf man sich nicht wundern, wenn es am Ende dann furchtbar teuer wird.“